Am 25. April 1998 übergab mir Rechts­an­walt Arthur Fischer eine römische Silber­mün­ze, die sich bis zu diesem Zeitpunkt im Famili­en­be­sitz der Familie Sebas­ti­an Fischer (Gubi-Fischer) befand, und von der ledig­lich bekannt ist, dass sie einst im Bereich des Kocher­ur­sprungs gefun­den wurde. Leider ist nicht überlie­fert, von wem sie gefun­den wurde, und wie sie in den Besitz der Familie Fischer gelangte.

Tags zuvor, am 24. April 1998, hatten ehema­li­ge und derzei­ti­ge Oberko­che­ner Gemein­de­rä­te das Heimat­mu­se­um besich­tigt. Dies war für den ehema­li­gen Gemein­de­rat Arthur Fischer, Sohn des verstor­be­nen Alt-Gemein­de­rats Sebas­ti­an Fischer (SEBA), Anlass, die Münze spontan dem Heimat­ver­ein zu stiften.

Der Fundort »im Bereich des Kocher­ur­sprungs« erinnert an einen Bericht, der am Freitag, 4. Dezem­ber 1953 mit dem Titel »Blätter zu einem Oberko­che­ner Heimat­büch­lein« von Steuer­in­spek­tor Franz Balle im Amtsblatt Nr. 40/1953 veröf­fent­licht wurde. Dort heißt es wörtlich:

»Wenn wir in den verschie­de­nen frühge­schicht­li­chen Darstel­lun­gen unserer Zeit lesen, dass Aalen und Heiden­heim einst feste Römer­plät­ze waren und dass der heuti­ge württem­ber­gi­sche Raum im Jahr 9 n. Chr. von aller­lei Volk überflu­tet gewesen sein soll, wenn wir weiter erfah­ren, dass sich in der Umgebung dieser Römer­plät­ze damals bürger­li­ches Leben entfal­tet hat und man damit begann, das Land zu bebau­en, dann möchte man vermu­ten, dass sich zu dieser Zeit auch an den Kocher­quel­len Menschen sesshaft gemacht haben. Funde von römischen Münzen bestä­ti­gen diese Vermu­tung. Da wir aber keine Urkun­den besit­zen, wollen wir uns nicht bei Vermu­tun­gen aufhalten …«

Da der Balle’sche Bericht aussagt, dass im Bereich der Kocher­quel­len »Münzen« (Mehrzahl) gefun­den wurden, steht zu vermu­ten, dass sich noch weite­re »Oberko­che­ner« römische Münzen in Oberko­che­ner Privat­be­sitz befin­den. Nicht dass der HVO Anspruch auf sie erhebt, aber es würde uns natür­lich brennend inter­es­sie­ren, ob unsere Vermu­tung zutrifft. In diesem Fall bitten wir darum, dass uns solche Münzen leihwei­se zur Bestim­mung und Dokumen­ta­ti­on überlas­sen werden.

Bis jetzt wurde — entge­gen der Vermu­tung von Franz Balle — im Bereich des Kocher­ur­sprungs kein römischer Siedlungs­platz nachge­wie­sen. (Wie bekannt, wurde aber 1971 der Keller einer römischen »villa rusti­ca« (Gutshof) im Weilfeld entdeckt und ausge­gra­ben). Kreis­ar­chi­var Dr. Bernhard Hilde­brand, der uns bei der Bestim­mung der Silber­mün­ze behilf­lich war, stell­te anläss­lich einer Besich­ti­gung der Gesamt­si­tua­ti­on um die Kocher­quel­le am 30. 7. 1999 fest, dass sich der Platz vom Kocher­ur­sprung Richtung Aussied­ler­hof Gold/Schmidtjörgle für einen römischen Gutshof ausge­spro­chen günstig darbie­tet. Jeden­falls ist mit Sicher­heit davon auszu­ge­hen, dass die Kocher­quel­len ab der Stein­zeit zu allen geschicht­li­chen Zeiten Plätze waren, die vom Menschen aufge­sucht wurden, die auf die verschie­dens­ten Weisen Spuren hinter­las­sen haben. Erwähnt sei das 1968 im Bereich »Strick« gefun­de­ne 6.000 — 7.000 Jahre alte stein­zeit­li­che Beil, die Laténe-zeitli­che vorrö­mi­sche Schei­be, die vor erst vor 3 Jahren gefun­den wurde, und auch die ca. 450 Jahre alte Chris­to­pho­rus-Figur aus Ton, die 1994 in den Besitz des Heimat­ver­eins gelang­te, und die wir in Bericht 218 beschrie­ben haben. Sie stammt ebenfalls aus dem Bereich des Kocherursprungs.

Nun zur Münze:
Kreis­ar­chi­var Dr. Hilde­brand besorg­te uns von Dr. Bernhard Overbeck, einem der führen­den Numis­ma­tik­ex­per­ten Deutsch­lands (Staat­li­che, Münzsamm­lung München) eine genaue Bestim­mung der Silbermünze:

Oberkochen

Römischer Denar, Fundort Oberko­chen
Antoni­nus Pius für Marcus Aureli­us Caesar
Denar (Silber), Münzstät­te Rom, geprägt ca. 156/158 n. Chr.

Vorder­sei­te: AVRELIUS CAES ANTON AVG, PII F, Kopf barhaupt nach rechts
Rücksei­te: TR P (OTXII oder XII) COS II, nach links stehen­de Felicitas.

Es kommen nur der Typ RIC 470 (156÷57 n. Chr.) oder RIC 157/58 n. Chr in Frage.

Damit passt die Münze genau in den zeitli­chen Horizont des 1971 ausge­gra­be­nen römischen Gebäu­des im Weilfeld, das um die Mitte des zweiten bis um die Mitte des dritten nachchrist­li­chen Jahrhun­derts bis zum Alaman­nen­sturm benutzt wurde. Die Münze passt außer­dem in die Münzrei­he alter Funde von der Ostalb. Ich habe Dr. Hilde­brand eine Reihe von Fragen gestellt, die von ihm, soweit sie durch die Bestim­mung durch Herrn Dr. Overbeck nicht schon beant­wor­tet waren, bereit­wil­lig beant­wor­tet wurden.

  1. Präge­qua­li­tät und Erhal­tungs­grad werden als durch­schnitt­lich bezeich­net. Die Silber-Denare waren oft lange im Umlauf, weshalb gute oder gar vorzüg­li­che Erhal­tun­gen die große Ausnah­me und entspre­chend teuer sind. Der Erhal­tungs­grad ist ein wesent­li­cher Faktor für den Wert der Münze. Antoni­us Pius lebte von 86 n. Chr. bis 161 n. Chr. und war von 138 n. Chr. bis zu seinem Tod römischer Kaiser. Er war von Kaiser Hadri­an adoptiert, regier­te »sparsam, weise und milde«, führte Hadri­ans Politik fort und adoptier­te seiner­seits Mark Aurel. Der Beina­me »PIUS« bedeu­tet »der Fromme« — natür­lich noch nicht im christ­li­chen Sinn (das Chris­ten­tum wurde erst gute 150 Jahre nach ihm als Staats­re­li­gi­on durch Kaiser Constan­tin anerkannt). Übrigens waren Beina­men wie »PIUS« mehr oder weniger eine Art Propa­gan­da und hatte nicht unbedingt mit der Lebens­wei­se des Herrschers zu tun.
  2. Die weibli­che Gewand­fi­gur auf der Rücksei­te der Münze stellt die allego­ri­sche Göttin »FELICITAS« dar. »Felix« ist ein latei­ni­sches Wort und bedeu­tet »der Glück­li­che«, »FELICITAS« ist das die Eigen­schaft »glück­lich« umfas­sen­de Haupt­wort und bedeu­tet soviel wie »Glück­lich­keit«, auch das »Wohlerge­hen«. Auch diese Figur kann, lt. Kreis­ar­chi­var Hilde­brand, aus Gründen der Propa­gan­da auf die Rücksei­te der Münze geprägt worden sein — sie soll dem Volk, das noch nicht durch Werbung im heuti­gen Sinn (Medien) beein­flusst werden konnte, die »glück­li­che Hand« des Kaisers suggerieren.
  3. Die Frage, »welcher Kaufkraft entsprach ein römischer Silber-Denar damals und in Bezug auf heute?« beant­wor­te­te Dr. Hilde­brand beson­ders ausführ­lich. Es gibt von ihm eine Abhand­lung, die im Mai 1989 unter dem Titel »Münzen erzäh­len Geschichte(n)« von der Kreis­spar­kas­se Ostalb zu deren Münzsamm­lung heraus­ge­ge­ben wurde.
  4. Zur Zeit ihrer Prägung, also um die Mitte des 2. nachchrist­li­chen Jahrhun­derts, betrug der Jahres­lohn eines Berufs­sol­da­ten 300 Dinare, das heißt, dass ein Dinar deutlich mehr war als der Tages­lohn eines Berufs­sol­da­ten. Ein Minen­ar­bei­ter verdien­te einiges weniger. Zu bezah­len waren für ein Ferkel 5 Dinare, also fast 6 Tages­löh­ne eines Berufs­sol­da­ten, ein Lamm koste­te 3 ½ Dinare. Der Preis für ein einfa­ches Mahl mit Wein betrug ½ Dinar. Ein Sklave koste­te zwischen 200 und 500 Dinare, d.h. im Durch­schnitt ungefähr den Jahres­lohn eines Berufs­sol­da­ten — überra­schend ist, dass ein im heuti­gen Sinne ordent­li­ches Haus etwa so viel koste­te wie ein guter Sklave.
  5. Die Frage, ob es in unserer Gegend außer dem römischen Geld noch andere Währun­gen gab, beant­wor­te­te Dr. Hilde­brand mit einem glatten Nein. In vorrö­mi­scher Zeit habe es zwar die sogenann­ten »Regen­bo­gen­schüs­sel­chen«, die Geldcha­rak­ter hatten, gegeben. Ab der römischen Herrschaft sei dieses Geld nicht mehr geprägt worden.
  6. Münzen, die wie diese ohne archäo­lo­gi­schen Zusam­men­hang gefun­den werden, haben auch keine archäo­lo­gi­sche Bedeu­tung. Sie werden als Streu­fun­de bezeichnet.

Unter dem Motto »Streu­fun­de — Mosaik­stein­chen zur Oberko­che­ner Geschich­te« haben wir im Heimat­mu­se­um eine beson­de­re Vitri­ne (Türrah­men­vi­tri­ne) im Raum 2. Dort werden wir diese Silber­mün­ze ausstel­len — zusam­men mit 3 Münzen aus dem 19. und 20. Jahrhun­dert, die die Geschwis­ter Robert und Johan­nes Siegmund beim Kocher­ur­sprung gefun­den und dem Heimat­ver­ein als Leihex­po­na­te überlas­sen haben.

An dieser Stelle weisen wir aus gegebe­nem Anlass erneut darauf hin, dass das Landes­denk­mal­amt durch das entspre­chen­de Gesetz empfind­li­che Strafen auf das Benüt­zen voll Metall­such­ge­rä­ten und das Schür­fen und Graben mit dem Ziel, Metall­ge­gen­stän­de zu bergen, insbe­son­de­re in archäo­lo­gisch relevan­ten Berei­chen wie der näheren und weite­ren Umgebung des Kocher­ur­sprungs, verhängt. Mitglie­der des Heimat­ver­eins bringen bekannt werden­de Verstö­ße ohne Ansehen der Person zur Anzeige.

Dietrich Bantel

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