Im November des letzten Jahres wurde die Baugrube zum Neubau der GEO in der Heidenheimer Straße (Gebäude 35) ausgehoben. Da in der Baugrubenwand zum Haus Wingert (Gebäude 33) dunkle Verfärbungen, die möglicherweise auf Pfosten- und Vorratsgruben eines mittelalterlichen Vorgängerbaus hinwiesen, sichtbar wurden, habe ich seinerzeit das Denkmalamt verständigt.
Dr. Susanne Arnold vom LDA Stuttgart besuchte die Baustelle am 17. 11. 1998, konnte den Verdacht auf ein im Profil angeschnittenes sogenanntes »Grubenhaus« ohne entsprechende keramische oder andere Fundbelege aus der alamannischen Zeit Oberkochens weder bestätigen noch dementieren.
Durch ein Missverständnis mit der Bauleitung wurde dann das Profil abgetragen, ohne dass weitere Untersuchungen vorgenommen werden konnten. Da die vermutete Grube allem Anschein nach bis unter das bestehende Gebäude 33 Wingert reicht, besteht die Möglichkeit, dass eine Fortsetzung derselben im nichtunterkellerten altüberbauten Bereich erhalten geblieben ist und ein Beweis für ein alamannisches Grubenhaus aus dem frühen Mittelalter zu einem späteren Zeitpunkt bei entsprechenden Baumaßnahmen erbracht werden kann.
Bauführer Abele hatte während meiner Abwesenheit auf meine Bitte hin aus einem rückwärtig gelegenen Teil der Baugrube einige Tonscherben geborgen — offenbar aus einer neuzeitlichen Ablagengrube für Ausschussware eines Alt-Oberkochener Häfners. Die Fundstelle lag in der überdachten nordöstlichen Ecke des großen Scheuernteils des Gebäudes 35 nahe Gebäude 33, etwa 30 — 40 cm unter Bodenniveau und tiefer. Da davon ausgegangen werden kann, dass nach der Errichtung des Gebäudes im Jahr 1792 keine Veränderungen im Scheuernboden mehr vorgenommen wurden, kann mit großer Sicherheit gesagt werden, dass der Keramikbruch aus der Zeit vor der Errichtung der Scheuer stammt und somit älter als 200 Jahre ist. Hinweise auf den im nicht angrenzenden Bereich tätig gewesenen Hafner Minder (Mesner) führen deshalb nicht weiter. Minders Tochter Antonia ist vielen Oberkochenern noch als die Zeitungszustellerin mit dem kleinen Leiterwägele, in dem sie die Zeitungen hinter sich herzog, bekannt — meist war sie in weichen Hausschuhen unterwegs, und, wenn sie geeignete Personen traf, sprach sie sie an und sagte »da, brengsch dem on dem, oder dem Herr Leeerer, au sei Zeidong mit«. Auch die Tatsache, dass Häfner Minders Vater auch schon Häfner war, hilft nicht weiter. Aber es ist ja bekannt, dass vor ca. 200 Jahren 30 Hafner in Oberkochen arbeiteten, so dass eher in diese Richtung gedacht werden muss.

Ein markanter Fund ist der untere Teil eines Gefäßes (Gesamthöhe 9,5 cm), das auf den ersten Blick dem Flüssigkeitsbehälter einer Erdölfunzel gleicht. Der schlanke obere Teil, auf den möglicherweise ein Glaszylinder aufgesetzt werden konnte, ist abgebrochen.
Der Vermutung »Erdöllampe« widerspricht allerdings die vor dem Brennen und Glasieren in noch ungetrocknetem Zustand etwas wild und unsymmetrisch ausgeschnittene ziemlich große halbrunde Öffnung (5,5 auf 2,5 cm) im inneren Teil des Gefäßbauchs (breiteste Stelle 11,3 cm in 2,5 cm Höhe), die im Zuge des Glasierens eindeutig mitglasiert wurde und insofern eigentlich zur Endform des Gefäßes gehören mußte.
Es kann sich also beispielsweise nicht um die Öffnung zur späteren Anbringung einer Gießschnauze handeln. Über der bogenförmigen Öffnung ist 5 mm oberhalb und rechts der Bogenmitte vor dem Brand in der oberen Zierrille durch das noch nicht erhärtete Gefäß mit einem Nagel oder einem Draht ein kleines durchgehendes Loch, das im Foto gut erkennbar ist, durch die Gefäßwand gestochen. Die Glasur ist dünn bis transparent und von für Oberkochener Töpferwaren nicht untypischer lichtgrüner Farbe. Glasur und Keramik (Wandstärke 5 — 6 mm) sind hervorragend erhalten.
Alle bislang befragten Personen konnten keine Auskunft geben, wie das Gefäß in seinem Endzustand wohl ausgesehen hat und welchem Zweck es hätte dienen sollen. Auch Kurt Elmer, der letzte praktizierende Häfner Oberkochens, konnte sich keinen Reim auf den Verwendungszweck des Gefäßes machen. Er kann sich nicht daran entsinnen, dass zu seinen oder seines Vaters Zeiten in Oberkochen je ein solches Gefäß gefertigt worden ist.
Da in Oberkochen noch jede Menge Nachfahren der einst 30 Hafnerfamilien leben, sei heute die Frage gestellt: Wer kann Auskunft über das in diesem Bericht besprochene Gefäß geben? (Bitte an Bantel, Tel. 7377)
Dietrich Bantel