Unter­ir­di­sche Ferti­gungs­an­la­ge und Luftschutz­stol­len 1944/45

Die unter­ir­di­sche Fabrik­an­la­ge
In den vier 3,60 m breiten Querstol­len waren insge­samt 52 Maschi­nen zur Ferti­gung von Flugzeug­tei­len zur Aufstel­lung vorge­se­hen. Für jede Maschi­ne sind im Plan die Grund­riss­ab­mes­sun­gen und der für sie vorge­se­he­ne Stand­ort exakt einge­zeich­net. Der mir in Kopie vorlie­gen­de Bauplan ist ca. 65 auf 80 cm groß.

Unsere Abbil­dung zeigt einen kleinen Ausschnitt aus Querstol­len 4 aus dem frühes­tens im Septem­ber 1944 gefer­tig­ten detail­lier­ten Bauplan, der inter­es­san­ter­wei­se den Luftschutz­stol­len nicht zeigt. Dagegen läuft in der Verlän­ge­rung dieses Gangs nach rechts immer noch der Stollen­ver­län­ge­rungs­gang zur Firma Bäuerle.

Oberkochen

Hier die Beschrie­be der 4 Ferti­gungs­stol­len und der in ihnen geplan­ten Maschi­nen­ab­fol­ge. Die Stollen­num­me­rie­run­gen orien­tie­ren sich an der Zusam­men­zeich­nung von Archi­tekt Kennt­ner von 1986, die wir Linien auf Seite 336 in unserem letzten Bericht 340 in BuG vom 16. 4. 99 veröffentlichten.

Für Querstol­len 4 mit dem Namen »Zylin­der­stra­ße« 17 Maschi­nen
Im einzel­nen sind aufge­führt:
10 Drehbän­ke, 2 Gew.-Fräsmaschinen, 2 Hirth-Verz.-Maschinen, 1 Horizon­tal­frä­se, 2 Bohrma­schi­nen, 1 Schleifmaschine.

Für die 17 Maschi­nen war insge­samt eine Leistung von 40 kW vorge­se­hen. Die Maschi­nen­num­mern lauten: (o. A. = ohne Angabe) 51, 32, 72, 95, 41, 98, 37, 180, 71, 36, 297, 296, 463, 113, o. A., 387, o. A.

Dieser Verbin­dungs­stol­len 4 wurde teilwei­se ganz, teilwei­se nur im Rohbau fertig und diente, zusam­men mit den beiden Erschlie­ßungs­stol­len, als Zubrin­ger zu dem bereits mehrfach erwähn­ten, in diesen Bauplan jedoch nicht aufge­nom­me­nen Luftschutz­raum. Inter­es­sant wäre, weshalb nicht. Mein Schüler Dr. Hajo Bayer (Geolo­ge) hat den Stollen 1980 began­gen. Seine Angaben, denen zufol­ge nur noch ein paar vergam­mel­te Feldbet­ten und einige verros­te­te Gestel­le herum­stan­den, wurden 1998 von Herrn Prokoph und Herrn Kieweg bestä­tigt. Letzte­rer und Herr Feuersta­ke waren dabei, als Herr Furtwäng­ler i. A. d. Fa. CZ vor 5 Jahren Fotos von dem Stollen fertig­te, ehe dieser zugemau­ert (nicht zubeto­niert) wurde. Die inter­es­san­tes­ten Fotos bringen wir mit Beschrei­bun­gen von Herrn Kieweg in Bericht 342 in BuG vom 14. 5. 99.)

Für Querstol­len 6 mit dem Namen »Anschluß­stück« 12 (13) Maschi­nen
Im einzel­nen sind aufge­führt:
5 Drehbän­ke, 4 Horizon­tal­fräs­ma­schi­nen, 1 Verti­kal­fräs­ma­schi­ne, 2 Hirth-Verz-Maschi­nen, 1 Hirth-Spindel­bohr­ni­a­schi­ne
Für die 13 Maschi­nen war insge­samt eine Leistung von 30 kW vorge­se­hen. Die Maschi­nen­num­mern lauten: 3, 84, 96, 35, 109, 106, 115, 465, 179, 477, 326, 206.

Für Querstol­len 7 mit dem Namen »Achsschen­kel« 11 Maschi­nen
Im einzel­nen sind aufge­führt: 5 Drehbän­ke, 2 Horizon­tal­frä­sen, 2 Verti­kal­frä­sen, 1 Horizon­tal­bohr­werk, 1 Bohrma­schi­ne
Für die 11 Maschi­nen war insge­samt eine Leistung von 30 kW vorge­se­hen. Die Maschi­nen­num­mern lauten: 2, 62, 28, 276, 29, 110, 107, 284, 100, 394, 103

Für Querstol­len 8 mit dem Namen »Kolben­stan­ge« 11 Maschi­nen
Im einzel­nen sind aufge­führt: 5 Drehbän­ke, 2 Gew.-Fräsmaschinen, 1 Schleif­ma­schi­ne, 3 kleine­re Maschi­nen ohne weite­re Angaben

Für die 11 Maschi­nen war insge­samt eine Leistung von 20 kW vorge­se­hen.
Die Maschi­nen­num­mern lauten: 4, 89, 81 82, 70, 276, 289, 93, 380, 166, o. A., o. A., o. A,
Für die 52 Maschi­nen wäre nach diesen Angaben im Plan eine Gesamt­leis­tung von 120 kW erfor­der­lich gewesen.

Die 4 Querstol­len für die Aufstel­lung der Maschi­nen weisen jeweils eine Gesamt­län­ge von mehr als je 60 m auf. Der südli­che senkrech­te Erschlie­ßungs­stol­len (3 plus 9) weist eine Gesamt­län­ge von knapp 100 m, der nördli­che (5 plus 10) eine Gesamt­län­ge von mehr als 100 m auf. Der mittle­re Erschlie­ßungs­gang (ohne Nummern) hätte ziemlich genau eine Länge von 100 m gehabt.

Aufschluss­reich ist, dass der etwa von Südwest nach Nordost verlau­fen­de, teilwei­se fertig­ge­stell­te Verbin­dungs­gang nach Nordost eine Verlän­ge­rung hat, in welche die Beschrif­tung »Stollen-Verbin­dung mit Fa. Bäuerle« einge­tra­gen ist.

Mir wurde berich­tet, dass der Stollen Entlüf­tungs­schäch­te durch den Napole­ons­bu­ckel an die Oberflä­che gehabt habe. Mehrfach wurde erwähnt, dass sich etwa auf halber Höhe zur Volkmars­berg­stra­ße hinauf ein Beobach­tungs­stand befun­den habe, in welchem junge Leute Wachdienst schie­ben mussten.

Das Märchen
Ein großer Wider­spruch besteht zwischen dem am 3. 1. 1977 aus der Erinne­rung gezeich­ne­ten Stollen-Plan von Herrn Martin und den aufgrund einer gemein­sa­men Begehung von Herrn Martin zusam­men mit Herrn Wiedemann am 25. 10. 1978 von letzte­rem in diesen Plan einge­tra­ge­nen Korrek­tu­ren. Herr Martin hatte in seinem Plan unmiss­ver­ständ­lich 3 als »Hallen« bezeich­ne­te natür­li­che Felshöh­len mit genau­en Maßan­ga­ben und Verwen­dungs­zwe­cken einge­zeich­net. Diese angeb­li­chen natür­li­chen »Hallen«, die beim Stollen­bau angeschnit­ten worden seien, geistern bis heute in Oberko­che­ner Erinne­run­gen herum. Auf den Spuren der Oberko­che­ner Höhlen wurde ich 1980 auf sie aufmerk­sam gemacht.

Herr Martin gibt in seinem Plan vom 3. 1. 1977 (veröf­fent­licht in Bericht 339 in BuG vom 1. 4. 99) an:

Halle 1: Maschi­nen und Monta­ge­raum, ca. 40 in Länge, 20 in Breite, 25 m Höhe
Halle 2: Lager Raum für Kisten, ca. 40 m Länge, 10 m Breite, 10 m Höhe
Halle 3: Eine deutlich kleine­re Halle ohne Maß und Zweckangaben

In der Martin­schen Skizze sind die 3 Hallen durch ca. 2 m breite und ca. 4 m lange Gänge unter­ein­an­der verbun­den. Der Zugang zu ihnen erfolg­te durch den von der CZ-FTL herkom­men­den Stollen­gang, der nach dem Krieg laut Martin gleich zu Beginn durch einen Beton­pfrop­fen unzugäng­lich gemacht wurde. Laut Martin folgt in diesem Gang nach ca. 50 Metern kurz vor Halle 1 ein eiser­nes Tor.

Der Wider­spruch besteht darin, dass der Zubrin­ger­stol­len zu den Natur­hal­len ab dem Beton­pfrop­fen ausge­kreuzt und mit der Bemer­kung »Märchen« verse­hen ist. Ein noch größe­rer Wider­spruch besteht darin, dass Herr Martin mir gegen­über am 9. 4. 1980 beteu­er­te, dass der Eintrag »Märchen« vom 25. 10. 1978 (2 Ausru­fe­zei­chen dahin­ter und mehrfach unter­stri­chen) von ihm selbst stamme, in Wirklich­keit jedoch in der Schrift der Korrek­tu­ren von Herrn Wiedemann geschrie­ben ist. Herr Martin legte Wert auf die Feststel­lung, dass die »Geschich­te mit den Höhlen am Stamm­tisch entstan­den« sei. Sowohl Herr Wiedemann als auch Herr Martin, erste­rer verstor­ben, legten auffal­lend großen Wert auf die Feststel­lung, dass der von Herrn Martin gezeich­ne­te Plan vom 3. 1. 1977 durch die gemein­sa­me Begehung vom 25. 10. 1978 »wider­legt« sei.

Wer genügend Phanta­sie hat, kann sich dennoch auch heute noch die in Bericht 311 vom 6. 2. 1998 (Lindbergh) so märchen­haft beschrie­be­ne Riesen­hal­le an dieser Stelle vorstellen …

Meinen Notizen vom 9. 4. 1980 entneh­me ich noch eine weite­re inter­es­san­te Äußerung von Herrn Wiedemann: Der linke südli­che, Richtung Fritz Leitz gelege­ne, Eingang »Stollen 3« sei schon in den Fünfzi­ger­jah­ren aus Sicher­heits­grün­den von außen her zubeto­niert worden. Den nördli­chen rechten »Stollen 5« habe man bewusst nicht zugemacht, sondern nur mit einer Stahl­tür verse­hen, weil CZ sich die Möglich­keit offen habe halten wollen, in dem langen unter­ir­di­schen Gang eine Messan­la­ge zu errich­ten, in der immer gleich­blei­ben­de Tempe­ra­tur herrscht.

Herr Profes­sor Ramming wider­leg­te durch seine Mittei­lun­gen vom 22. 2. 1998 die Gerüch­te, denen zufol­ge der Leitz­stol­len beim Bau der Parkplät­ze beim ehema­li­gen Stein­bruch abgetra­gen worden und der Eingang zu »Stollen 5« inner­halb der Feintei­le­rei zubeto­niert worden sei. Sowohl Stollen als auch Eingang bestehen zugemau­ert bis auf den heuti­gen Tag. Herr Profes­sor Ramming bot an, dass es durch­aus möglich sei, falls das »dringen­de Bedürf­nis« bestehe, mit überschau­ba­rem Kosten­auf­wand in den zugemau­er­ten Eingang ein Schlupf­loch brechen zu lassen, um in den Stollen zu gelangen.

Es bleiben Wider­sprü­che
Die Aussa­gen des »Kronzeu­gen« Martin (er war übrigens als Höhlen­for­scher mit dabei, als sich der tödli­che Unfall am Wollen­loch am 23. 10. 1949 ereig­ne­te) liegen vor. Die Korrek­tu­ren durch Herrn Wiedemann liegen ebenfalls vor. Ein alter Insider, Herr Kieweg (CZ) entsinnt sich vor allem nicht an einen Beton­pfrop­fen, im Gegen­satz zu Herrn Dr. Bayer, der 1980 von einem solchen berich­te­te. Primus Schmid, und CZ-Feuer­wehr­kom­man­dant Werner Prokoph sowohl als auch Josef Kieweg versi­cher­ten jedoch, dass eine neuer­li­che Aktion wohl keine großen neuen Erkennt­nis­se bringen könne.

So belas­sen wir es zum gegen­wär­ti­gen Zeitpunkt bei der beschrie­be­nen Situa­ti­on, zumal eine »Befah­rung« des Stollens heute wegen gestie­ge­ner Einsturz­ge­fahr gefähr­li­cher denn je ist.

In einem 4. Bericht zum Leitz-Stollen veröf­fent­li­chen wir in BuG vom 14. Mai erstma­lig einige der inter­es­san­tes­ten Fotos, die uns Herr Profes­sor Ramming vermit­tel­te, und die Josef Kieweg, der beim Fotogra­fie­ren vor 5 Jahren dabei war, für uns beschrie­ben hat.

Dietrich Bantel

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