Lehrer an der Evange­li­schen Schule Oberko­chen 1911 — 1934
(4. Folge)

Schil­der­ten die bisher erschie­ne­nen Folgen den Lebens­lauf von Karl Alfred Günter, so soll abschlie­ßend sein Wirken in der Öffent­lich­keit gewür­digt werden.

Mit kraft­vol­lem Stimmor­gan
Eigent­lich war es klar, ein evange­li­scher Lehrer, der auch nur den kleins­ten Funken an Musika­li­tät in sich trug, hatte Orgel zu spielen, einen Chor zu leiten und den Gemein­de­ge­sang anzufüh­ren (daß er auch noch Mesner­dienst leisten mußte, war anfangs des Jahrhun­derts aufge­ge­ben worden).

Nun war Karl Alfred Günter wohl kein so musika­li­scher Typ wie etwa einst sein katho­li­scher Kolle­ge Balluff (Vater des später berühmt gewor­de­nen Kammer­sän­gers), der in Oberko­chen 1827 den katho­li­schen Kirchen­chor gründe­te. Jedoch hatte Günter im Lehrer­se­mi­nar genügend musika­li­sches Rüstzeug erhal­ten, um in Oberko­chen die evange­li­sche Kirchen­mu­sik zu verse­hen. Immer­hin beherrsch­te er Violin‑, Klavier- und Orgel­spiel und verstand auch etwas von Chorlei­tung. Pfarrer Wider sagte 1914 über ihn: »Er spielt die Orgel gut und verfügt über ein kraft­vol­les Stimmor­gan, macht nur leider in der Gemein­de wenig Gebrauch davon«, — kein Wunder, denn Günter war ausdrück­lich nicht mehr wie seine Vorgän­ger verpflich­tet, den Gemein­de­ge­sang anzuführen.

Männer­chor »Frohsinn«
Günters Vorgän­ger im Amt war Lehrer Beck gewesen. Dieser hatte 1910 den damals bestehen­den kirch­li­chen evange­li­schen Männer­chor gegen den Willen des Pfarrers kurzer­hand aufge­löst und ihn zum weltli­chen aber im Gegen­satz zum mehr katho­li­schen orien­tier­ten »Sänger­bund« evange­li­schen Männer­chor »Frohsinn«, umgewan­delt. Dadurch war das Verhält­nis zwischen Pfarrer und Lehrer gründ­lich gestört. Es kam zu weite­ren Quere­len, als deren Folge Lehrer Beck aus Oberko­chen wegver­setzt wurde. Als nun 1911 Karl Alfred Günter als evange­li­scher Lehrer in Oberko­chen aufzog, war es gar keine Frage, er hatte den Organis­ten­dienst zu überneh­men und auch die Leitung des »Frohsinn«. Zunächst waren die Wogen zu glätten, und als wieder ersprieß­li­che Arbeit möglich war, versetz­te der Erste Weltkrieg dem Männer­chor den Todesstoß.

Nach dem Krieg erwach­te der Chor mit seinem Dirigen­ten Haupt­leh­rer Günter zu neuem Leben, so daß der Chorna­me »Frohsinn« durch­aus seine Berech­ti­gung hatte. Außer Singen war Gesel­lig­keit groß geschrie­ben, wovon das von Albert Kopp geführ­te Proto­koll­buch zeugt. Die jährlich statt­fin­den­den Famili­en­aben­de, bei denen gesun­gen und Theater gespielt wurde, gerie­ten zu Höhepunk­ten im dörfli­chen Vereins­le­ben. Auch bei den General­ver­samm­lun­gen waren jeweils 30 — 40 Mitglie­der präsent (»das gegebe­ne Naß wurde aus der Vereins­kas­se bestrit­ten«). Als Dirigent hatte Karl Alfred Günter jeweils auch zu berich­ten z.B. »Über den Singstun­den­be­such, der im allge­mei­nen gut war«. 1932 jedoch ließ der Proben­be­such zu wünschen übrig, so daß beantragt wurde, ein Notiz­buch anzuschaf­fen, in dem unent­schul­digt Fehlen­de festge­hal­ten werden sollten. Bei sämtli­chen General­ver­samm­lun­gen finden sich stets wieder­keh­ren­de Bemer­kun­gen wie »der Vorstand dankt dem Herrn Dirigen­ten für dessen Eifer und Mühe, mit welcher er sich dem Verein hingibt«.

Trotz dieser ausge­präg­ten Vereins­struk­tu­ren verstan­den sich aber die Sänger des »Frohsinn« zusam­men mit dem Vorstand Wilhelm Baumgärt­ner und ihrem Dirigen­ten Günter durch­aus als kirch­lich-evange­li­scher Verein, dem auch u.a. der Gesang bei Beerdi­gun­gen oblag, was auch finan­zi­el­le Aspek­te besaß. Denn der Leichen­ge­sang war extra zu bezah­len, insbe­son­de­re auch bei Beerdi­gun­gen »männli­cher junger Leute, die singen­de Mitglie­der hätten sein können«. Einem Beschluß der General­ver­samm­lung 1927 entspre­chend berei­cher­te der Chor die Gottes­diens­te an den hohen Feier­ta­gen, aber auch bei Konfir­ma­tio­nen und Reformationsfest.

Vom »Frohsinn« zum Kirchen­chor
Doch dieser positi­ven Entwick­lung setzte das Dritte Reich ein jähes Ende. Im Zuge der von den neuen Macht­ha­bern in allen Berei­chen durch­ge­führ­ten Gleich­schal­tung sollten an kleinen Orten keine zwei Männer­ge­sangs­ver­ei­ne wie der evange­lisch gepräg­te »Frohsinn« und der mehr katho­lisch orien­tier­te »Sänger­bund« bestehen. Da die Verant­wort­li­chen ihren Verein nicht aufge­ben, auch nicht mit dem Sänger­bund zusam­men­ge­hen wollten, machten sie aus der Not eine Tugend: Der (weltli­che) Männer­chor »Frohsinn« verwan­del­te sich am 19. Oktober 1933 in einen kirch­li­chen Chor und verei­nig­te sich mit dem von der Pfarr­frau betreu­ten Mädchen- und Frauen­chor zum Evange­li­schen Kirchen­chor Oberko­chen. Dies beurkun­de­ten im Proto­koll­buch Vorstand Wilhelm Baumgärt­ner und die Ausschuß­mit­glie­der Paul Kopp, Adolf Kolb, Chris­ti­an Kopp, Johan­nes Holz, — und Karl Alfred Günter war der erste Dirigent des heute noch bestehen­den Chores.

Volkmar Schrenk

Oberkochen

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