Lehrer an der Evange­li­schen Schule Oberko­chen 1911 — 1934
(2. Folge)

Der erste Teil der Erinne­run­gen an Haupt­leh­rer Günter berich­te­te über dessen Jugend­zeit und Werde­gang bis zur Übernah­me seiner ersten und noch unstän­di­gen Schul­stel­le in Friolzheim.

Heirat
Als Jungleh­rer kehrte Karl Alfred häufig im Friolz­hei­mer »Adler« ein. Jedoch der Adler­wirt Karl Hermann merkte gar bald, daß das Inter­es­se des jungen Lehrers nicht nur seinen Spätz­le und dem Sauer­kraut, nicht nur seinem dunklen Bier und den aus seiner Metzge­rei stammen­den Würsten und safti­gen Fleisch­por­tio­nen galt. Nein, der Jungleh­rer hatte ein Auge auf seine Tochter Wilhel­mi­ne Mathil­de gewor­fen — und nun ging alles recht schnell, der standes­amt­li­chen Trauung in Friolz­heim am 27. April 1911 folgte zwei Tage später die kirch­li­che Hochzeit in der Stutt­gar­ter Friedenskirche.

Nach dem Gottes­dienst wurde ausgie­big gefei­ert. Karl Alfreds Schwie­ger­va­ter, selbst Wirt, Metzger und Bauer, ließ ein für damali­ge Verhält­nis­se oppulen­tes Mahl servie­ren, zu dem eine »klassi­sche Suppe« und »Kalbs­kopf en tarta­re« den Auftakt bilde­ten. Dann gab es »Schlacht­bra­ten« mit »gerös­te­ten Spätz­le«. Ein weite­rer Gang aus »Masthuhn mit Kartof­fel- und Kopfsa­lat« schloß sich an. Schließ­lich runde­ten »Hasel­nuß­creme­tor­te, Dessert und diver­ses Gebäck« das Hochzeits­me­nü ab. (Woher wir dies alles wissen? Nun, die von der Enkelin gesam­mel­ten Unter­la­gen enthal­ten auch die Menu Karte vom 29. April 1911.)

Oberkochen

Ab nach Oberko­chen
Nun konnte sich Karl Alfred Günter nach einer ständi­gen Lehrer­stel­le umsehen. Diese fand er in Oberko­chen, wo Lehrer Beck wegen unüber­brück­ba­rer Diffe­ren­zen mit dem Pfarrer ausge­schie­den war. Hier warte­ten 30 Schüle­rin­nen und Schüler aller Jahrgän­ge und ein im Jahr 1861 erbau­tes Schul­haus samt Lehrer­woh­nung auf das neue Lehrersehepaar.

Im evange­li­schen Schul­haus
Die jungen Eheleu­te Karl Alfred und Wilhel­mi­ne Mathil­de Günter fanden in Oberko­chen ein Schul­haus vor, das 1861 solide erbaut — es hatte 6788 Gulden gekos­tet — sich vorteil­haft von seinem Vorgän­ger abhob, den 1853 der Amtsarzt als gesund­heits­schäd­lich einge­stuft hatte. Im Schul­raum des neuen Hauses fanden die 30 Schul­kin­der bequem Platz. Auch die im Oberge­schoß gelege­ne Lehrer­woh­nung bot für die Lehrers­fa­mi­lie genügend Raum. Außer­dem waren Keller und Dachbo­den vorhan­den, sogar die Remise für einen Wagen war vorhanden.

Beglei­ten wir nun Karl Alfred Günter an einem Sommer­tag durch den Schul­all­tag. Um 6 Uhr hatte ihn der harte Schlag der katho­li­schen Kirchen­uhr geweckt. Aufste­hen, waschen, rasie­ren gingen rasch vonstat­ten. Da es noch keine Wasser­lei­tung gab, mußte Wasser an einem der zehn im Ort vorhan­de­nen »selbst­lau­fen­den Brunnen« geholt werden. Während­des­sen hatte Frau Günter das Frühstück berei­tet: Kathrei­ners Malzkaf­fee, ein von der Hausfrau herge­stell­ter »weißer Kipf«, der in den Kaffee einge­tunkt wurde (Teig aus Mehl, Milch und Salz, vom Bäcker ausge­ba­cken) und als Beiga­be etwas »Oberko­che­ner Gsälz« aus Wachol­der oder Waldbeeren.

Kurz vor 7 Uhr stieg Lehrer Günter die Schul­haus­trep­pe hinab — im Sommer mußte er nicht vor Unter­richts­be­ginn den eiser­nen Ofen anhei­zen — und erwar­te­te die ältes­ten Schüler der 5. bis 7. Klasse, die den Unter­richt mit einem Schul­ge­bet began­nen. In den Vierer­bän­ken mit ihren Klapp­sit­zen und den einge­las­se­nen Tinten­fäß­chen hatten etwa 12 Kinder Platz genom­men. Zunächst ging’s ans Rechnen. Der Unter­richts­stoff war auf drei Jahre verteilt, so daß inner­halb dieser Frist jeder Schüler alle Gebie­te zu beackern hatte, es aber der Kunst des Lehrers überlas­sen blieb, am Schul­jahr­be­ginn jeweils neu nachrü­cken­de Schüler zu integrieren.

In der zweiten Stunde war Aufsatz­schrei­ben dran (montags mußte sogar manch­mal die Sonntags­pre­digt des Pfarrers wieder­ge­ge­ben werden). Während die Federn eifrig über das Papier kritzel­ten, schrieb Lehrer Günter weite­re Aufga­ben für die später einset­zen­de Eigen­ar­beit an die Tafel.

Um 9 Uhr stell­ten sich die Zweit- bis Viert­kläß­ler in der Schule ein. Nun war für alle Singen angesagt, wozu Lehrer Günter nach seiner Violi­ne griff, auch Memorie­ren von Gedich­ten war zu üben.

Ab 10 Uhr widme­te sich der Lehrer beson­ders den »Mittel­stuf­lern«, während die Älteren selbstän­dig arbei­te­ten und ihre Aufga­ben vom »Primus» (meist war es eine »Prima«) kontrol­liert wurden. Schließ­lich kamen um 11 Uhr noch die »Erstkläß­ler, Tinten­fres­ser« ins Schul­lo­kal, das nun vollstän­dig besetzt war. Sie wurden vom Lehrer betreut, aber auch durch geeig­ne­te ältere Schüler, — und als vom Kirch­turm das Zwölfuhr-Läuten ertön­te, war der Vormit­tags­un­ter­richt beendet.

Während des Sommers war am Nachmit­tag kein Unter­richt, da die Kinder zu Hause mithel­fen mußten: Viehhü­ten, Beeren suchen, für Handwer­ker Wasser herbei­schlep­pen, jünge­re Geschwis­ter betreu­en, Laub und Holz im Wald sammeln. In den Winter­mo­na­ten war an zwei bis drei Nachmit­ta­gen Unter­richt, denn in dieser Zeit begann die Schule erst um 8 Uhr.

Volkmar Schrenk

Oberkochen

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte