Unser heuti­ger Bericht über die Firma Günther und Schramm stammt aus der Feder von Herrn Dr. Joachim Kämme­rer, der sich, zusam­men mit seiner Frau, im Rahmen unseres Stadt- und Heimat­buchs inten­siv mit der Oberko­che­ner Indus­trie beschäf­tigt hat.

Die Firma ist in dem genann­ten Buch im Kapitel »Handwerk und Handel« auf Seite 388 erwähnt. Wir hielten es jedoch für richtig, die Firmen­ge­schich­te in einem ausführ­li­chen Bericht zu dokumentieren.

Das ältere der beiden Fotos zeigt den Firmen­mit­be­grün­der Herrn Emil Schramm, 1926. Auf dem jünge­ren Foto sehen wir ein sehr außer­ge­wöhn­li­ches Fuhrwerk, das überlan­ge Stähle zum Bahnhof beför­dert hat. Der Fuhrmann ist lt. Angaben der Firma wahrschein­lich Jakob Kirch­dör­fer. Im Hinter­grund am rechten Bildrand erken­nen wir die 1953 abgeris­se­ne »Obere Mühle«. Das Foto stammt wahrschein­lich aus der Zeit kurz nach Kriegs­en­de 1945/46.

Oberkochen

Die Geschich­te des Stahl­han­dels­hau­ses Günther + Schramm

Die Fotogra­fie aus dem Jahre 1926 zeigt einen Blick in die Maschi­nen­hal­le der Genau­zie­he­rei und Wellen­fa­brik Günther + Co., über die Frau Charlot­te Günther in BuG. Nr. 25 berich­tet hatte. Die Szene wird beherrscht von dem gewal­ti­gen Einzy­lin­der-Diesel­mo­tor, herge­stellt von der Firma Anton Schlü­ter in Freising bei München, der über die im Bild sicht­ba­ren Trans­mis­sio­nen die Zieh- und Schäl­ma­schi­nen antrieb. Im Hinter­grund blickt uns ein junger Mann entge­gen, der im Wirtschafts­le­ben unserer Stadt eine bedeu­ten­de Rolle spielen sollte: Emil Schramm, Mitbe­grün­der des Stahl­han­dels­hau­ses Günther + Schramm. Emil Schramm war kurz bevor die Aufnah­me entstand, im Alter von 24 Jahren im Auftrag der an Günther & Co. betei­lig­ten Firma Weinmann aus Zweibrü­cken nach Oberko­chen gekom­men. 1929 ging Weinmann in Konkurs, in den Günther + Co. mit hinein­ge­zo­gen wurde. Damit verlo­ren Emil Schramm und Erich Günther, Sohn des Gründers von Günther & Co., Arbeit und Existenzbasis.

Diese beiden unter­nah­men wenig später mit einem Start­ka­pi­tal von nur 1.600 RM und einer Hypothek von 5.000 RM auf das Haus der Familie Günther das Wagnis einer eigenen Firmen­grün­dung. Am 1. Febru­ar 1930 wurde die Firma »Günther & Schramm, Blank­ma­te­ri­al­be­darf« in das Handels­re­gis­ter eingetragen.

Die Anfangs­jah­re der jungen Firma waren hart und entbeh­rungs­reich, fielen sie doch gerade in die Zeit der Weltwirt­schafts­kri­se und den damit verbun­de­nen allge­mei­nen wirtschaft­li­chen Nieder­gang. Die Gründer waren Lager‑, Trans­port­ar­bei­ter, Reisen­de und Chefs in einer Person. Angestell­te konnten sie sich nicht leisten, und so konnten sie sich glück­lich schät­zen, daß ihnen Frau Else Schramm die Mühen der Buchfüh­rung abnahm.

Welche Welten liegen doch zwischen damals und heute: Der ganze »Fuhrpark« des jungen Betrie­bes bestand aus einem gelie­he­nen Kuhge­spann, mit dem der Stahl von und zum Bahnhof trans­por­tiert wurde. Vier Jahre später konnten endlich zwei Lager­ar­bei­ter einge­stellt und ein eigenes Fahrzeug angeschafft werden. Diesen Opel P 4 haben sicher manche ältere Mitbür­ger noch in guter Erinne­rung. Mit dem immer hilfs­be­rei­ten Emil Schramm am Steuer hat er manche werden­de Mutter noch recht­zei­tig zur Entbin­dung in das Ellwan­ger Kranken­haus gebracht.

Das Schwers­te schien nun geschafft zu sein. Der Umsatz des kleinen Unter­neh­mens wuchs langsam, aber stetig. 1938 wurde ein Büroge­bäu­de errich­tet, die Beleg­schaft war inzwi­schen auf zwei Angestell­te und drei Arbei­ter gewach­sen. 1944 wurde mit fast 1.5 Millio­nen Reichs­mark ein Rekord­um­satz erzielt.

Doch mit dem Ende des Krieges mußte die Firma Günther & Schramm ihren Geschäfts­be­trieb einstel­len. Das Stahl­la­ger auf dem Bahnhofs­ge­län­de, durch alliier­te Artil­le­rie in Brand geschos­sen, glühte aus und hatte nur noch Schrott­wert. Das ganze Firmen­ver­mö­gen wurde beschlagnahmt.

Erst 1946 konnte — zunächst unter der Treuhän­der­schaft von Johan­nes Gentner — die Arbeit wieder aufge­nom­men werden. Handel und Wandel waren, wie überall im Lande, in den ersten Nachkriegs­jah­ren durch Tausch­ge­schäf­te geprägt. So war es durch­aus nicht ungewöhn­lich, für den gelie­fer­ten Stahl auch einmal Bier einzu­han­deln. Doch schon drei Jahre nach Kriegs­en­de beginnt mit der Währungs­re­form das »Wirtschafts­wun­der«, an dem auch die Firma Günther & Schramm teilhat­te: Schon 1949 konnte der Rekord­um­satz der Vorkriegs­zeit (nun in DM) überschrit­ten werden. 1950 wurde auf eigenem Grund und Boden die erste Lager­hal­le mit Kran und direk­tem Gleis­an­schluß gebaut, 1952 ein neues Büroge­bäu­de errich­tet. Der Betrieb zählte inzwi­schen 25 Mitar­bei­ter. Zwei Jahre später legten Erich Günther und Emil Schramm mit dem Kauf eines 6,6‑Tonner-Mercedes den Grund­stock zum eigenen Fuhrpark, der heute 24 Lastwa­gen und Sattel­zü­ge umfaßt. Allein diese Zahlen geben Zeugnis von dem Wachs­tum des Oberko­che­ner Großhan­dels­hau­ses, an dem nun auch die Söhne der Gründer Anteil haben: 1957 wurde die Firma in eine Komman­dit­ge­sell­schaft umgewan­delt, Walter und Hermann Schramm und 1970 Willy Günther traten als Komman­di­tis­ten in das Unter­neh­men ein.

Die starke Umsatz­ex­pan­si­on läßt sich auch an den Baumaß­nah­men ablesen: 1958 muß zur Erwei­te­rung der Lager­ka­pa­zi­tät eine neue Blank­stahl­hal­le, 1966 eine Walzstahl­hal­le gebaut werden. Anfang der 70er-Jahre wird der Erwei­te­rungs­bau an der Heiden­hei­mer Straße begon­nen, der auch heute noch als Büroge­bäu­de dient.

Eine wichti­ge, von unter­neh­me­ri­schem Weitblick zeugen­de Entschei­dung war 1960 die Gründung der Mannhei­mer Nieder­las­sung, die nun eine schnel­le­re und direk­te­re Belie­fe­rung des Kunden­stam­mes im westdeut­schen Raum ermöglicht.

Die Firmen­grün­der blieben bis zu ihrem Tode aktiv im Unter­neh­men tätig. Erich Günther starb 1970 im 72. Lebens­jahr, Emil Schramm 1979 im Alter von 77 Jahren.

Das stetig erwei­ter­te Liefer­pro­gramm umfaßt heute Blank, Edel- und Walzstahl in vielfäl­ti­gen Legie­run­gen und Forma­ten. Es erfor­der­te Anfang der achtzi­ger Jahre eine nochma­li­ge Vergrö­ße­rung der Lager­ka­pa­zi­tät. Leider boten sich in Oberko­chen dafür keine Möglich­kei­ten mehr. Der heute nahezu 10.000 qm Lager­flä­che umfas­sen­de Neubau mußte in Königs­bronn errich­tet werden. Das Blank­stahl­la­ger in dieser Halle ist mit moderns­ter Technik ausge­stat­tet, in Hochre­ga­len wird das Stahl­ma­te­ri­al, nach Quali­tä­ten und Abmes­sun­gen getrennt, compu­ter­ge­steu­ert einge­la­gert und den einge­hen­den Aufträ­gen entspre­chend entnom­men und zur Liefe­rung zusammengestellt.

Die seit 1979 als GmbH geführ­te Firma Günther & Schramm mit den Geschäfts­füh­rern Willy Günther, Hermann und Walter Schramm beschäf­tigt heute mit dem Zweig­be­trieb Mannheim 150 Mitar­bei­ter und zählt zu den größe­ren Stahl­han­dels­häu­sern der Bundesrepublik.

Vor fast 60 Jahren von zwei Männern mit Mut und Tatkraft in einer schwie­ri­gen Situa­ti­on und Zeit gegrün­det, ist die Firma Günther + Schramm zu einem bedeu­ten­den Wirtschafts­un­ter­neh­men unserer Stadt geworden.

Dr. Joachim Kämmerer

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