Daß der Bilzhan­nes eine histo­ri­sche und keine sagen­haf­te Oberko­che­ner Gestalt ist, habe ich schon mehrfach darge­legt. Ich habe auch nachge­wie­sen, daß sämtli­che männli­chen Nachfah­ren des Bilzhan­nes (Matthä­us Wieden­hö­fer, 1780 — 1840) nach USA ausge­wan­dert oder ohne Nachkom­men verstor­ben sind, es aber über weibli­che Nachkom­men bis auf den heuti­gen Tag direk­te Nachfah­ren des Bilzhan­nes in Oberko­chen gibt — eben mit anderem Namen.

Nun wird in einem Essin­ger Heimat­buch »Alte Geschich­ten aus Essin­gen und Lauter­burg«, das 1976 im Einhorn-Verlag Schwä­bisch Gmünd erschie­nen ist, von dessen Verfas­ser Georg Wiedmann auf den Seiten 49 und 50 die Geschich­te vom Bilzhan­nes ohne Angabe von Quellen so erzählt, daß der Eindruck entsteht, der Bilzhan­nes sei ein Essin­ger gewesen.

Zitat:
»Zu dieser Zeit, also zu Anfang der 1800er Jahre, lebte auf der Bilz, einem Waldteil zwischen Essin­gen und Oberko­chen, ein herzog­li­cher Jäger namens Hans Maier, den man den »Bilz-Hans« nannte. Er war ein ausge­zeich­ne­ter Schüt­ze, und er, sowie sein Sohn Leonhard waren immer bei den Jagden des Herzogs und späte­ren Königs Fried­rich dabei. Hans Maier war eine sehr robus­te Natur, der auch manch­mal in einer Essin­ger Wirtschaft eins über den Durst trank. Wenn er dann in später Nacht wieder zur Bilz-Hütte empor­stieg, habe er dann oben im Wald noch geschrien: »Teufel, komm raus, dr Bilzhans kommt!«

Er war zu Beginn unseres Jahrhun­derts noch allge­mein als sagen­haf­te Gestalt in Erinne­rung und galt gewis­ser­ma­ßen als »Rübezahl« des Albuchs, der Schre­cken eines Wande­rers mit schlech­tem Gewis­sen, aber auch der hilfrei­che Geist der Armen oder der im Wald Verirrten.

Noch vor etwa 40 Jahren (D.B.: also unmit­tel­bar nach dem 2. Weltkrieg) lebte eine damals schon 80 jähri­ge Frau in Essin­gen, deren Urgroß­va­ter der Sohn Leonhard des Bilzhans war. Ihre Eltern hatten einst den Büchsen­kas­ten (Gewehr­schrank) des Hans von der Bilz hierher­schaf­fen lassen und auch sein Pulver­horn soll damals noch vorhan­den gewesen sein.«

Diese Darstel­lung ist ziemlich schief und weist mehre­re Fehler auf.

1) Georg Wiedmann behaup­tet, daß Hans Maier »herzog­li­cher Jäger« gewesen sei. Dies trifft so nicht zu. Hans Maier war, laut Oberko­che­ner »Todten­buch«, »Bürger, Schuh­ma­cher und Waldstrei­fer«. Richtig ist, daß Hans Maier, wie viele andere Waldschüt­zen der Gegend desglei­chen, zu den herzog­li­chen später könig­li­chen (siehe 2). Treib­jag­den, die während einer Reihe von Wintern statt­fan­den, hinzu­ge­zo­gen wurde.

2) Einem weite­ren Irrtum sitzt Georg Wiedmann darin auf, daß der Bilzhan­nes »herzog­li­cher Jäger« auch insofern nicht gewesen sein kann, als es infol­ge der napoleo­ni­schen Neure­ge­lun­gen zur Zeit der berühmt gewor­de­nen Treib­jagd im Winter 1810/1811 in Württem­berg keine Herzö­ge mehr gab. Der vorma­li­ge Herzog Fried­rich I von Württem­berg war bereits seit 1805 »König Fried­rich I von Württem­berg«. In dem Sagen­buch »Die Ostalb erzählt«, in welchem die Sage richtig erzählt wird, wird dieser Fehler nicht gemacht.

Der große Duden vermerkt: Fried­rich I, geb. in Treptow a./Rega 1754, gest. in Stutt­gart 1816. — Seit 1797 Großher­zog. Gewann 1804 die Kur‑, 1805 die Königs­wür­de. Mitglied des Rhein­bunds. 1810 große Gebiets­er­wei­te­rung. 1813 Anschluß an die antifran­zö­si­sche Koali­ti­on. Vertre­ter des rücksicht­lo­sen Absolutismus.

3) Georg Wiedmann unter­schlägt, daß Hans Maier Oberko­che­ner und keines­falls Essin­ger Bürger war. Im Oberko­che­ner »Todten­buch« ist vermerkt, daß Hans Maier »Bürger, Schuma­cher und Waldstrei­fer« hier, also in Oberko­chen, war.

4) Der flüch­ti­ge Leser gewinnt durch die Darstel­lung von Georg Wiedmann den Eindruck, daß die »Bilz«, womög­lich ein Essin­ger Waldge­biet sei. Richtig ist, daß die Bilz kein Essin­ger, sondern ein Oberko­che­ner Waldge­biet ist, in welchem ein Essin­ger Flurer nichts zu suchen hatte. Indes­sen wird inner­halb dessel­ben zwischen vormals Ellwan­ger und vormals Königs­bron­ner Bilz unter­schie­den — entspre­chend der Besitz­ver­hält­nis­se im Oberko­chen vor dem Reichs­de­pu­ta­ti­ons­haupt­schluß im Jahre 1803.

5) Georg Wiedmann erweckt den Eindruck, daß Hans Maier der Bilzhan­nes sei, der auch an der berühmt gewor­de­nen könig­li­chen Jagd im Winter 1810/1811 teilge­nom­men hat, der Jagd, anläß­lich derer der König den Bilzhan­nes in seinem Haus in der Bilz besucht hat.

Mit »Bilzhan­nes« verbin­det sich bei uns Oberko­che­nern automa­tisch der Besuch König Fried­richs I im Bilzhaus (Winter 1810/1811) und die Geschich­te mit dem qualmen­den Ofen. Ohne diesen Vorfall würde heute niemand mehr vom Bilzhan­nes sprechen.

Hans Maier ist aber nachweis­lich über ein Viertel­jahr vor dieser Jagd, nämlich am 6. August des Jahres 1810, gestor­ben und hatte übrigens bereits ab Febru­ar des Jahres 1810 das Amt des Oberko­che­ner Flurers nicht mehr verse­hen können.

6) Georg Wiedmann behaup­tet in seiner Darstel­lung, Hans Maier sei von robus­ter Natur gewesen. Tatsa­che ist, daß im Oberko­che­ner »Todten­buch« vermerkt ist, daß Hans Maier an »Dörr- und Lungen­sucht« relativ jung, noch nicht einmal 40 Jahre alt (»40 Jahr weniger 2 Tag«) gestor­ben ist.

Oberkochen

7) In dem Bericht wird ausge­führt, daß Hans Maier nach der Einkehr in Essin­gen »wieder zur Bilz-Hütte« empor­stieg. Bei dieser »Bilz-Hütte« hat es sich nachweis­lich nicht um eine »Hütte«, sondern um das große, nach dem 30-jähri­gen Krieg von einge­wan­der­ten Öster­rei­chern, aus Stein errich­te­te, aller­dings in schlech­tem Zustand befind­li­che, 17.30 m auf 12.70 m große auf Oberko­che­ner Markung stehen­de »Bilzhaus« am Schne­cken­bur­ren in der Bilz gehan­delt, das dem »Bilzhan­nes«, der seine Wohnung in Oberko­chen hatte, als zeitwei­li­ge Unter­kunft diente.

8) Wo sich der Bilzhan­nes seinen Rausch angetrun­ken hat, bleibt offen — diese Ehre könnten wir beruhigt der Gemein­de Essin­gen überlas­sen. Seinen Brannt­wein­vor­rat für seine Aufent­hal­te in der Bilz aller­dings hat der Bilzhan­nes als guter Oberko­che­ner, wie dem Sagen­buch »Die Ostalb erzählt« zu entneh­men ist, in Oberko­chen und nicht in Essin­gen gekauft. So ist eigent­lich davon auszu­ge­hen, daß er in Oberko­chen Stamm­gast und in Essin­gen hin und wieder Gast gewesen ist.

9) Ob die alte Essin­ger Frau die Urgroß­enke­lin des Sohns von Hans Maier, Leonhard Maier, war, oder nicht, ist für die Geschich­te des »Bilzhan­nes«, nicht von Inter­es­se, denn der im Winter 1810/1811 berühmt gewor­de­ne Bilzhan­nes war keines­falls der zum Zeitpunkt dieser Jagd bereits verstor­be­ne Bilz-Hans Hans Maier, und noch viel weniger dessen Sohn Leopold Maier, sondern der für den wohl schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr dienst­fä­hi­gen Hans Maier vom Oberko­che­ner Gemein­de­rat laut Gemein­de­rats­pro­to­koll bereits am 17. Febru­ar 1810 zum »Gemein­de­flu­rer auf Wohlver­hal­ten«, aufge­stell­te Mattes (Matthi­as) Wieden­hö­fer (1780 — 1840) aus Oberko­chen, damals ganze 30 Jahre alt. Über Matthi­as Wieden­hö­fer habe ich mehrfach berichtet.

10) Durch Krank­heit und Tod von »Bilz-Hans« Hans Maier, ferner durch die auf den Winter 1810/1811 angekün­dig­te könig­li­che Jagd und die dadurch erzwun­ge­ne schnel­le Neube­set­zung des Postens des Oberko­che­ner Flurers wurde, so muß geschlos­sen werden, der Name »Bilz-Hans« = Bilzhan­nes auf Hans Maiers Nachfol­ger Matthi­as Wieden­ho­fer übertra­gen. Mögli­cher­wei­se lief der »Flurer aus Oberko­chen« in den könig­li­chen Akten noch als Hans Maier, obwohl dieser schon einige Zeit tot und inzwi­schen durch Matthi­as Wieden­ho­fer ersetzt war.

Beide Oberko­che­ner Flurer, der Waldstrei­fer Hans Maier und der Gemein­de­flu­rer Matthi­as Wieden­hö­fer, waren übrigens evangelisch.

Aus den Punkten 1 — 10 geht hervor, daß Georg Wiedmanns Darstel­lung, die den Bilzhan­nes nach Essin­gen verbucht, in keiner Weise haltbar ist. Der »Bilzhan­nes« war und ist Oberko­che­ner.

Dietrich Bantel

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