Geht man im Frühjahr auf Fossi­li­en­su­che über Oberko­che­ner Äcker, so kann man mitun­ter beson­ders schöne »Muscheln« mit 1–2 cm Durch­mes­ser finden, fast so dick wie breit. Versucht man diese »Muscheln« zu bestim­men, so fallen einige Beson­der­hei­ten auf, die darauf hindeu­ten, daß es sich bei diesen Fossi­li­en um überhaupt keine »Muscheln« handelt, sondern um Armfü­ßer, Brachio­oden. Diese Tiergrup­pe war im Erdal­ter­tum, beson­ders im Karbon (vor 350 Mill. J.) sehr häufig, laßt sich aber bis ins Praekam­bri­um (vor 800 Mill. J.) zurück­ver­fol­gen. Im Jura erreich­te diese Gruppe ein zweites Häufig­keits­ma­xi­mum. Insge­samt kennt man über 10.000 fossi­le Arten!

Heute finden wir Armfü­ßer noch in einer Reihe von Gattun­gen (mit knapp 300 Arten) verbrei­tet im küsten­na­hen Bereich der Meere (Schelf). In Südeu­ro­pa (z.B. in Portu­gal) werden Brachio­po­den auf dem Fisch­markt verkauft (als »Meeres­früch­te«) und geges­sen. Einige Formen dringen auch in die Tiefsee vor (bis 5.000 m Tiefe).

Die Jura-Armfü­ßer werden nach einer damals weit verbrei­te­ten Gattung (Terebra­tu­la) auch kurz als »Terebra­teln« bezeichnet.

Die heute noch leben­den Arten liefern uns genaue­re Einbli­cke in die Lebens­wei­se und die innere Organi­sa­ti­on dieser »Leben­den Fossilien«.

Die Larven dieser Tiere setzen sich auf einer Unter­la­ge fest und bleiben zeitle­bens an diesen Ort gebun­den. Einige Arten leben im Schlamm in selbst­ge­gra­be­nen, senkrech­ten Röhren. Die Nahrung der Armfü­ßer besteht aus Plank­ton, milli­me­ter­gro­ßen, im Meerwas­ser schwe­ben­den Algen und Tierchen. Es wird ein Wasser­strom erzeugt, die darin befind­li­chen Plank­ton­ten bleiben an den beiden mit Tenta­keln besetz­ten Armfü­ßen hängen, die sie zur Mundöff­nung beför­dern. Bei vielen Arten endet der Darm blind, es ist also keine After­öff­nung vorhan­den. Die Ausschei­dung der Nahrungs­res­te erfolgt in kompli­zier­ter Weise mit Hilfe eines Gallert­stiels, mit dem die Kotres­te verba­cken und durch Wachsen des Stiels nach außen beför­dert werden.

Die ähnli­che Lebens­wei­se hat zu einem ähnli­chen Ausse­hen wie bei den Muscheln geführt. Die Armfü­ßer sind aber mit den Weich­tie­ren (zu denen die Muscheln gehören) gar nicht verwandt, sie gehören in die Nähe der Moostier­chen (Bryozoen) und Hufeisenwürmer.

Ein wesent­li­cher Unter­schied zu den Muscheln besteht in der Anord­nung der beiden Schalen, die gleich­zei­tig die innere Organi­sa­ti­on wider­spie­gelt: Bei den Muscheln können wir eine rechte und eine linke Schale unter­schei­den, bei den Armfu­dern dagegen eine Ober- und eine Unter­scha­le. Das läßt sich auch noch bei den Muscheln zeigen die »auf der Seite liegen«, wie es bei Austern, aber auch bei der bekann­ten Jakobs- oder Pilger­mu­schel der Fall ist.

Hat man sich einmal einge­se­hen, so lassen sich Terebra­teln und Muscheln gut ausein­an­der­hal­ten. Wer das lernen möchte, für den gilt der Spruch aus der Fernseh­wer­bung: »Come in and find out!« — im Heimat­mu­se­um Oberko­chen! Auf Deutsch: Komm rei on guck!

zum Foto:
Herr Stelzen­mül­ler hat Armfü­ßer fotogra­fiert, die aus der Privat­samm­lung von Herrn Abele stammen. Die große Schale gehört zu einer Terebra­tu­la-Art; sie ist fast 5 cm lang. Dieses Fossil wurde in der Lenzhal­de gefun­den. Die kleine­ren Schalen gehören zu Tieren aus der Gattung Rhyncho­nella, sie kann man häufi­ger bei »Acker­such­gän­gen« finden. Die fotogra­fier­ten Exempla­re wurden aus anste­hen­dem Gestein herausprapa­riert. Es sind echte »Oberko­che­ner«.

Horst Riegel

Oberkochen

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