Es besteht eigent­lich kein Zweifel daran, daß der Heimat­kund­ler und Heimat­pfle­ger Josef Anton Mahler die Hinter­grün­de für seinen vor demnächst 70 Jahren verfaß­ten und im »Spion von Aalen« im Jahre 1929 erschie­nen Bericht gründ­lich recher­chiert hat. Dennoch möchten wir zumin­dest anmer­ken, daß einige Alt Oberko­che­ner, als sie kürzlich von einer »Oberko­che­ner Tracht« gehört haben, grund­sätz­lich Zweifel daran geäußert haben, daß man im Dorf vor ca. 150 Jahren eine so kostba­re Tracht getra­gen habe. »Die seien damals viel zu arm gewesen, um sich eine so teure Tracht leisten zu können«.

Oberkochen

Fest steht, daß Josef Anton Mahler die von ihm beschrie­be­ne Tracht als »Tracht im Oberen Kocher­tal« bezeich­net und nicht spezi­ell als Oberko­che­ner Tracht. Herr Schrenk hat sie anläß­lich ihrer Vorstel­lung am 10.3.1998 im »Schil­ler­haus« in einen fikti­ven Zusam­men­hang mit der Hochzeit der 22-jähri­gen Ochsen­wirts­toch­ter Maria Barba­ra Braun mit einem König­li­chen Hütten­werks­ar­bei­ter von Königs­bronn am 21.6.1859 gebracht.

Frau Nelly Peschel hat, zusam­men mit ihrem Mann, die von J. A. Mahler beschrie­be­ne Tracht in 2‑jähriger mühe- und liebe­vol­ler Arbeit für 2 Puppen, die über einen halben Meter hoch sind, gestal­tet und diese dem Heimat­mu­se­um als Leihga­be zur Verfü­gung gestellt, wo sie seit Mai dieses Jahres zu besich­ti­gen sind. Unser herzli­cher Dank gilt dem Ehepaar Peschel für diese kostba­re Berei­che­rung des Oberko­che­ner Heimatmuseums.

Dietrich Bantel

Oberkochen

J. Mahler, Oberpost­se­kre­tär a.D. und Oberko­che­ner Heimat­pfle­ger, veröf­fent­lich­te 1929 im »Spion von Aalen«, einer Beila­ge zur Aalener »Kocher-Zeitung«, einen Artikel, der ein anschau­li­ches Bild der Kleidung entwirft, die früher in Oberko­chen getra­gen wurde. Wir bringen die Ausfüh­run­gen Mahlers, der die Oberko­che­ner Tracht »wohl zu den schöns­ten und anmutigs­ten unseres Württem­ber­ger Landes zählt«, nur unwesent­lich gekürzt.

Volkmar Schrenk

J. Mahler, Oberko­chen, 1929:
»Die Bauern­trach­ten im Tal des Schwar­zen Kochers« (Teil 1)

Männer­tracht
Dreispitz
Um die Zeit von 1830 bis 1850 trug der Bauer im Tale des schwar­zen Kocher, wo nur der statt­li­che Markt­fle­cken Oberko­chen liegt, einen schwar­zen Dreispitz aus Filz, welcher ihn 3 fl. (s. Anmer­kung) koste­te. Bei ernsten und feier­li­chen Anläs­sen wie Leichen, Kirch­gang, Prozes­sio­nen, saß der breite Teil des Dreispit­zes über der Stirn, der Spitz schau­te nach hinten. Ging es aber zum Tanz und fröhli­chen Festen, so wurde der Dreispitz herum­ge­dreht. Dann pfleg­ten die Bäuerin­nen zu sagen: »Gucket no, hait wöllet se mit ihre Spitz d’Ste­ara vom Hemmel stecha«. Aller­dings trat anfangs der Fünfzi­ger-Jahre an Stelle des Dreispitz so nach und nach der runde Hut. (Anmer­kung: Ein »Floren­ti­ner Gulden« = 1 fl. zählte 60 Kreuzer = 15 Batzen. Der Gulden wurde 1875 zu 1,71 Mark in die neue Währung umgerechnet.)

Kittel und Weste
Angetan war der Bauer mit einem mittel- bis dunkel­blau­en Kittel, dessen Flügel bis an die Knöchel reich­ten. Hinten in der Taille, wo die Kittel­flü­gel ausein­an­der­gin­gen, saß links und rechts je ein großer, matter Silber­knopf. Der Kittel hatte einen Umlege­kra­gen, war weit ausge­schnit­ten und auf beiden Innen­sei­ten mit großen Taschen verse­hen. Der Preis des Kittels betrug 15 — 20 fl. Die Weste aus rotem Samt war hochge­schlos­sen, so daß oben nur der Knoten des schwar­zen Halstu­ches hervortrat.

Links und rechts war sie mit einer Tasche verse­hen. Statt gewöhn­li­cher Knöpfe wurden meistens Münzen verwen­det. Man sah Westen mit 12, 18, ja sogar mit 24 Kreuzern. Die reichen Bauern zierten ihre Westen mit massi­ven Silber­knöp­fen, größten­teils mit sogenann­ten Glocken- oder Finger­hut­knöp­fen. Eine Weste mit silber­nen Glocken­knöp­fen koste­te 18 — 20 fl.

Hosen und Beinklei­der
Die hirsch­le­der­nen Hosen, früher gelb, später schwarz, reich­ten bis über das Knie. Unter­halb dessel­ben wurden sie mit an den Hosen­en­den befes­tig­ten Leder­rie­men zusam­men­ge­bun­den. Die Hosen hatten zwei Taschen mit Öffnun­gen nach oben. An der rechten Seite der Hose war noch in der Naht eine kleine, schma­le Tasche einge­las­sen, welche das in einer leder­nen Schei­de stecken­de und mit schönem Silber­griff verse­he­ne Besteck­mes­ser (oft auch eine Gabel) aufnahm. Die Hosen waren mit sehr breiten Hosen­fal­len (»Türle­sho­sen«), auf welchen leine­ne oder seide­ne Verzie­run­gen einge­näht waren, verse­hen. Ebensol­che Verzie­run­gen liefen auch der rechten und linken Hosen­naht entlang (Preis der Hose 15 — 20 fl.).

Im Sommer wie Winter trug der Bauer weiße, über das Knie hinauf­rei­chen­de Strümp­fe. Die Sommer­strümp­fe waren aus leich­ter, die Winter­strümp­fe aus dicker Wolle gestrickt. Das Paar koste­te 1 fl. Als Fußbe­klei­dung dienten mit schönen Silber­schnal­len verse­he­ne breite Schnal­len­schu­he, werktags rinds­le­der­ne (8 fl.), sonntags kalbs­le­der­ne (10 fl.). Später wurden statt der Schnal­len­schu­he zuerst kurze Rohrstie­fel, die noch etwas von den weißen Strümp­fen frei ließen, später sehr lange, bis über das Knie hinauf­rei­chen­de Rohrstie­fel getra­gen, die aus feins­tem Leder gefer­tigt waren.

Halstü­cher und Schmuck
Jeder Bauer hatte zwei Halstü­cher, ein schwarz­sei­de­nes (2 fl.) und ein weißes, leine­nes (1 /2 fl). Die Halstü­cher bedeck­ten nicht die ganze Länge des Halses, sondern schlos­sen in halber Höhe dessel­ben ab. Das schwarz­sei­de­ne Tuch wurde außen getra­gen, das weißlei­ne­ne innen, d.h. unmit­tel­bar auf dem Hals, so daß ein schma­ler Strei­fen des weißen Halstu­ches »hervor­stach«, d.h., über das schwar­ze hinaus­rag­te. Das weiße Halstuch ist somit der Vorgän­ger unseres heuti­gen Hemdkra­gens. Beide Tücher wurden vorne geknöpft. Das leine­ne wurde mit einem einfa­chen, das seide­ne Halstuch mit einem schönen Doppel­kno­ten (sog. Bauern­knopf) verse­hen. Auf ein gutsit­zen­des Halstuch mit schönem Bauern­knopf wurde viel gehalten.

Als Uhrket­ten wurden silber­ne Halsket­ten (20 — 30 fl.) getra­gen, an denen nebst Uhrschlüs­sel oft noch Siegel­stock und silber­ne Zierge­gen­stän­de wie Eicheln, Traub­chen, Rößlein u.s.w. hingen; auch Geldstü­cke, nament­lich selte­ne, wurden an der Uhrket­te befes­tigt. Eherin­ge kannte man damals noch nicht, doch trugen die Bauern oft am linken kleinen Finger breite, silber­ne Ringe. Die silber­be­schla­ge­ne Ulmer Maser­pfei­fe wurde um 5 — 6 fl. erstanden.

Sonntag und Werktag, Sommer und Winter
An Sonn- und Festta­gen, bei freudi­gen Ereig­nis­sen und bei Trauer­fäl­len kleide­te sich der Bauer mit vorste­hend beschrie­be­ner Tracht. An Werkta­gen wurden die an Sonnta­gen nicht mehr benutz­ba­ren Kleidungs­stü­cke vollends abgetra­gen. An die Stelle des Kittels mit den langen Flügeln trat werktags später der kurze nur bis zur Taille reichen­de Kittel, das »Wammes« (jetzt »Spenzer«), statt der weißen Strümp­fe wurden graue oder blaue getra­gen. Zum Kirch­gang an Werkta­gen, zu Hause und in der Kunkel­stu­be trug der Bauer das sogenann­te »Schmär­käpp­le«, ein niedli­ches, niede­res, rundes, schild­lo­ses Samtkäpp­chen, dessen Boden und Ränder mit Silber- oder Goldsti­cke­rei­en verziert waren. Oben mitten im Kappen­bo­den war eine Seiden­quas­te befes­tigt, deren Schnü­re bis etwas unter den Rand des Käppchens herun­ter­hin­gen. Statt dieses Käppchens wurden auch nament­lich zur Winters­zeit, vielfach Zipfel­kap­pen getragen.

Zur Sommers- und Winter­zeit war die Tracht die gleiche, nur wurde im Winter eine schöne, große Pelzkap­pe mit Aufschlag statt des Dreispitz getra­gen (Preis 8 — 10 fl.). Nur die vermög­li­che­ren Bauern hatten sich dunkel­graue Doppel­män­tel, sogenann­te Schäfer­män­tel zugelegt (Preis 40 — 60 fl.). An Markt­ta­gen, wenn der Bauer viel Geld mitneh­men mußte, trug er um den Leib eine sogenann­te »Katze«, das ist ein Geldgurt, in welchem größe­re Summen Geldes mitge­nom­men werden konnten.

Dietrich Bantel

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