Ein Beitrag von Werner Riedel, 34 Jahre lang Bezirks­meis­ter der UJAG in Oberkochen.

In keiner Region unseres Landes ist die Entwick­lung der Elektri­zi­täts­ver­sor­gung so eng an die Indus­tria­li­sie­rung gekop­pelt, wie gerade in unserem Raum. Wie wir ja alle aus der Geschichts­schrei­bung wissen, haben das Kocher- und Brenz­tal immer eine Vorrei­ter-Rolle gespielt. Die Wasser­kraft war die einzi­ge Möglich­keit, dem Menschen eine mecha­ni­sche Hilfe zu geben. Die jahrhun­der­te­al­ten Stand­or­te der zum Teil noch heute vorhan­de­nen Mühlen in unseren Albtä­lern belegen dies. Heutzu­ta­ge sprechen wir ja von der regene­ra­ti­ven Energie, beispiels­wei­se von der Wasserkraft.

Königs­bronn hat durch diesen »Energie­reich­tum« schon immer Heimvor­tei­le gehabt. Der Brenz­topf, wenn auch recht unter­schied­lich in seiner Schüt­tung hat zur Gründung der könig­li­chen Hütten­wer­ke geführt. In diesem Zusam­men­hang muß auch die Eisen­ver­hüt­tung am Kocher­ur­sprung in Oberko­chen genannt werden. Die Kraft des Wasser­ra­des mußte an Ort und Stelle über Mecha­nis­men abgear­bei­tet werden. Über Jahrhun­der­te hinweg, bis zur Erfin­dung der Dampf­ma­schi­ne gab es sonst keine Antriebe.

Im Dezem­ber 1890 fiel in Königs­bronn der Start­schuß für die erste elektri­sche Kraft­über­tra­gung in Württem­berg. Die Strom­erzeu­gung mittels Turbi­ne und Dynamo­ma­schi­ne war bereits standar­di­siert, aber die Fortlei­tung der so gewon­ne­nen Energie über größe­re Entfer­nun­gen hat hier ihren Anfang genom­men. Spannend wie ein Roman liest sich dieses Ereig­nis. Der Chronist schreibt, und das ist auch einma­lig für die damali­ge Zeit: Ruß und Dreck, welche von der mit Stein­koh­le betrie­be­nen Dampf­ma­schi­ne stamm­ten, gibt es nicht mehr. An anderer Stelle wird darauf hinge­wie­sen, wie leise der Genera­tor arbei­tet und wir ruhig diese Kraft­über­tra­gung vonstat­ten geht. Auch der heimisch erzeug­ten Energie wird ein beson­de­re Stellen­wert einge­räumt. Dieses Umwelt­be­wußt­sein und eine gewis­se Wirtschaft­lich­keit von damals passen doch gerade­zu auch in unsere heuti­ge Denk- und Verhaltensweise.

Ab diesem Zeitpunkt wurde der Elektri­zi­täts­ver­sor­gung größte Bedeu­tung beigemes­sen. So hat 1906 Johan­nes Elmer in Oberko­chen am heuti­gen Stand­ort der Kocher­tal­wä­sche­rei die Strom­erzeu­gung aufge­baut. Die Versor­gung erfolg­te mittels Gleich­strom 110 Volt .

Aus einer noch vorhan­de­nen Strom­rech­nung, ausge­stellt auf Herrn Georg Nagel zum Hirsch, geht zum einen hervor, daß das Kilowatt (so wörtlich) 50 Pfg. gekos­tet hat, zum anderen der Verbrauch vom 28. Febru­ar 1910 bis zum 6. Januar 1912 1427 Kilowatt­stun­den betra­gen hat. Herr Elmer war Strom­erzeu­ger, Strom­ver­tei­ler, Elektro­in­stal­la­teur und genau­so zu ständig für die Wasser­in­stal­la­tio­nen. Gleich­sei­tig hat er aber auch eine Ketten­schmie­de betrie­ben. Johan­nes Elmer verstarb 1936. Sein Sohn, Josef Elmer war im 1. Weltkrieg in Frank­reich bei Sommé, als von zu Hause die Nachricht kam, die Überland­werk Jagst­kreis AG in Ellwan­gen übernimmt käuflich zum 1.7.1916 das Elektri­zi­täts­werk vom Kronen­wirt Elmer. Hierüber ist ein Vertrag vorhan­den, datiert vom 2. Febru­ar 1915; und gegen­ge­zeich­net von der Überland­werk Jagst­kreis AG am 15. Febr. 1915. Inter­es­sant ist hierbei, daß nicht nur der Gemein­de­rat, sondern auch der Bürger­aus­schuß zugestimmt haben.

Am 2. Oktober 1913 wurde das Strom­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men des Jagst­krei­ses gegrün­det. In diesem Zusam­men­hang muß der Name Albert von Häber­len genannt werden. Er war der Präsi­dent der Jagst­kreis­re­gie­rung und Initia­tor der Überland­ver­sor­gung. Zur gleichen Zeit entstand in Ellwan­gen das Dampfkraftwerk.

Regio­nal recht unter­schied­lich, teilwei­se bedingt durch den 1. Weltkrieg, wurde das Versor­gungs­netz auf zweier­lei Ebenen aufge­baut. Es gab das 15 bzw. das 20.000 Volt Übertra­gungs­netz, und in den Dörfern galt es, das Orts-Vertei­ler­netz und die dazuge­hö­ri­gen Trafo­sta­tio­nen aufzu­bau­en. Elektri­scher Strom war Luxus­gut, nicht jeder konnte es sich leisten, sich anschlie­ßen zu lassen. Für den Preis einer Kilowatt­stun­de mußte ein Durch­schnitts­ver­die­ner 2 Stunden arbei­ten, eine Edison-Glühlam­pe koste­te soviel wie ein ganzer Tages­ver­dienst. Aus einem Preis­blatt für Strom­prei­se und Tarife vom 1. Januar 1917 war zu lesen, daß es schon zu der damali­gen Zeit Bedarfs­ar­ten-Unter­schie­de gab. Der Kilowatt­stun­den­preis betrug für Beleuch­tungs­zwe­cke 60 Pfennig, für gewerb­li­che Kraft 25 Pfg. und für landwirt­schaft­li­che Kraft 30 Pfenni­ge. Inter­es­sant zum Preis­ver­gleich ist es, daß zur Erzeu­gung von nur einer Kilowatt­stun­de ca. 1000 g Kohle einge­setzt werden mußte. Mit der Entste­hung der flächen­de­cken­den Strom­ver­sor­gung wurde natür­lich ein großes Vorschrif­ten­werk für die Beleh­rung der Strom­ab­neh­mers entwi­ckelt. In einer Verfü­gung vom Minis­te­ri­um des Inneren vom 21. April 1913 wird beson­ders auf dieses Werk hinge­wie­sen, welches nun schon vom Verband der Elektri­zi­täts­wer­ke Württem­bergs und Hohen­zol­lerns (E. V.) heraus­ge­ge­ben wurde. Zwei bedeut­sa­me Vorschrif­ten möchte ich hier in dem damali­gen Wortlaut wiedergeben:

»Eine sachge­mäß ausge­führ­te elektri­sche Anlage ist betriebs­si­cher und gefahr­los.« — »Sollte an der elektri­schen Anlage eine ungewöhn­li­che Erschei­nung auftre­ten, so ist abzuschal­ten und das Elektri­zi­täts­werk unver­züg­lich in Kennt­nis zu setzen.«

Anfangs der zwanzi­ger Jahre schmol­zen durch die Infla­ti­on die Geldmit­tel rasch dahin. Die kleinen Gemein­den wie Itzel­berg, Ochsen­berg und Zang mußten bis Mitte der 20er Jahre auf den Anschluß warten.

Oberko­chen war zu diesem Zeitpunkt über 2 Trafo­sta­tio­nen versorgt. Die Trans­for­ma­to­ren haben die Aufga­be, die Übertra­gungs­span­nung von 20.000 Volt auf die Versor­gungs­span­nung von 220/380 Volt herun­ter­zu­trans­for­mie­ren, so der Fachaus­druck. Aber Oberko­chen mit seinen 1350 Einwoh­nern hatte zweier­lei Versor­gungs­span­nun­gen. Das untere Dorf war nur mit 127/220 Volt versorgt. Heute würden wir es ein Kurio­sum nennen, aber damals hat man sich mit dieser nicht ganz einfa­chen Situa­ti­on abgefun­den. Elektro­ge­rä­te wie auch Motoren oder Beleuch­tungs­kör­per vom unteren Dorf konnten beispiels­wei­se im Dreißen­tal nicht betrie­ben oder gar ausge­lie­hen werden. Beim Radio­kauf war beson­ders die Spannungs­ein­stel­lung wichtig. Im Jahre 1953 erfolg­te die Umstel­lung auf die einheit­li­che Versor­gung. In meinem Geschichts­be­richt möchte ich meine Leser nicht allzu sehr mit physi­ka­li­schen Gegrif­fen füttern, doch allge­mei­ne Meßwer­te und Maßein­hei­ten mögen zum leich­te­ren Verste­hen beitra­gen. So wurde beispiels­wei­se eine europäi­sche Normspan­nung einge­führt, nach der sich die Geräte­her­stel­ler heutzu­ta­ge richten, sie beträgt 3 x 231/400 Volt.

Der Lastzu­wachs zu Beginn der 50er Jahre war sehr eng mit dem wirtschaft­li­chen Aufschwung an Kocher und Brenz verknüpft. Unter Lastzu­wachs versteht man die gleich­zei­tig in Anspruch genom­me­ne Strom­men­ge. Von Aalen kommend, durch Oberko­chen führend, wurde eine starke 20 kV Doppel­lei­tung gebaut, welche zunächst in Königs­bronn endete. Dabei entstand das Schalt­werk an der Katzen­bach­stra­ße. Dieses war der Netzkno­ten­punkt für die Versor­gung von Oberko­chen. Ständig dem neues­ten Stand angepaßt erwei­tert und umgebaut. Auch der Versor­gung des Stadt­tei­les »Heide« Rechnung getra­gen, hat es seinen Dienst bis zum Jahre 1979 getan. Der Leitungs­bau ab Königs­bronn durchs Brenz­tal bis an die Stadt­gren­ze von Heiden­heim wurde 1961 fortge­führt. Es folgte die Einbin­dung in das 110/20 kV Umspann­werk Aufhau­sen. Der somit aufge­bau­te Versor­gungs­ring bot optima­le Sicher­heit für die Versor­gung an Kocher und Brenz. Was für die überört­li­che Versor­gung galt, war auch eine Heraus­for­de­rung für den Ortsnetz­bau. Der Ortsnetz­bau in Freilei­tung und Erdka­bel zog sich über 30 Jahre hinweg durch ganz Oberkochen.

Haushalt und Gewer­be, aber auch die Indus­trie benöti­gen eine konstant gute Versor­gung. Hausan­schlüs­se werden derzeit nur noch mittels Erdka­bel ausge­führt. Diese Tendenz war ganz spezi­ell für Oberko­chen schon sehr frühzei­tig zu erken­nen. Mit der Kabel­tech­nik erhöh­te sich automa­tisch die Übertra­gungs­ka­pa­zi­tät. Aber unsere gute »alte« Freilei­tungs­bau­wei­se ist zwar ästhe­tisch gesehen unschön aber bietet trotz atmosphä­ri­scher Beein­flus­sun­gen ein hohes Maß an Versor­gungs­si­cher­heit. Langjäh­rig geführ­te Statis­ti­ken belegen, daß Strom­un­ter­bre­chun­gen und deren Behebun­gen im Freilei­tungs­netz viel besser abschnei­den als in Kabel­net­zen. Mit meinen Hinwei­sen möchte ich hier nicht in techni­sche Details einstei­gen, sondern die geschicht­li­chen Weiter­ent­wick­lun­gen aufzei­gen. Dazu gehören die schritt­wei­se einge­setz­ten hohen Inves­ti­tio­nen der Elektri­zi­täts­wirt­schaft. Trotz der Ausnut­zung aller technisch gebote­nen Übertra­gungs­mög­lich­kei­ten war der Strom­trans­port nach Oberko­chen nur noch über ein Umspann­werk abzude­cken. Dieses Projekt in der »Schwörz« wurde in den Jahren 1978 — 1979 verwirk­licht. Eine neue Ära für Oberko­chen und seine Strom­ver­sor­gung nahm ihren Lauf. Eine ganz neue Schalt-Schutz-Steuer- und Fernwirk­tech­nik wurde dafür konzi­piert, welche sich bis zum heuti­gen Tage durch störungs­frei­en Betrieb auszeich­net. Von der »Schwörz« ausge­hend hat sich eine neue 20.000-Volt-Versorgung für das gesam­te Stadt­ge­biet entwi­ckelt. Mittler­wei­le hat dieser »Kabel­ring« eine Länge von 34 Kilome­ter erreicht. Die Zahl der Trafo­sta­tio­nen von damals 2 hat sich auf inzwi­schen 44 Umspann-Stellen erhöht, nicht mit aufge­führt sind die Anschlüs­se der Großkun­den und deren eigene Versor­gungs­ein­rich­tun­gen. Das gute Trafo­häus­chen aus der alten Zeit ist schon zum Indus­trie­denk­mal gestem­pelt worden. In umgebau­ter Form finden wir es nur noch am Kapel­len­weg in Oberko­chen. Herr Mercal­di hat es als Postkar­te zusam­men mit der Ottili­en­ka­pel­le mit auf die »Platte« gebannt.

Dieses geschil­der­te und umfang­rei­che Netzge­bil­de wird mit moderns­ter Übertra­gungs­tech­nik rund um die Uhr überwacht. Sämtli­che aus- und einge­hen­de Befeh­le gehen mittels Glasfa­ser­tech­nik zur Leitstel­le nach Ellwan­gen und werden dort verarbeitet.

Werner Riedel

Oberkochen

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