Lager 1

Unser Bericht 312 v. 20.2.1998 zur Firma Fritz Leitz und dem auf dem Lageplan von 1942 einge­zeich­ne­ten Gefan­ge­nen Lager für Franzo­sen hat ein außer­ge­wöhn­lich großes Echo, auch von BuG-Lesern außer­halb Oberko­chens, hervor­ge­ru­fen. Durch weite­re Nachfor­schun­gen und Befra­gun­gen sind wir zwischen­zeit­lich in der Lage, einige offen­ste­hen­de Fragen zu beant­wor­ten und falsch Überlie­fer­tes richtig­zu­stel­len. Da bei unseren Lesern sicher­lich noch viel verbor­ge­nes Wissen schlum­mert, schlie­ßen wir nicht aus, daß sich Änderun­gen noch ergeben können.

Folgen­de 25 Perso­nen, Insti­tu­tio­nen und Perso­nen, die nicht genannt werden wollten, trugen Infor­ma­tio­nen zu dem anschlie­ßen­den und weite­ren geplan­ten Berich­ten bei:
Horst Tritten­bach, Werner Prokoph, Valeria Franz, Peter Fischer/Aalen, Horst Juchem/Ulm, Franz und Adolf Hausmann, Robert Wolff, Irmgard Post, Primus Schmid, Pius Fischer, Adolf und Clara Wunder­le, Kurt Elmer, Martin Gold/Bär, Martha Gold, Sepp Rosen­ber­ger, Trudel Fischer, Erwin und Anna Müller, Luzie Krok, Marian­ne Mannes, Hermi­ne Blume, Karl Wannen­wetsch, Bruno Deinhart und die Firma Carl Zeiss.

Der aktuel­le Stand ist, daß es in Oberko­chen nicht nur eines, sondern mehre­re Gefan­ge­nen­la­ger und eine Reihe von weite­ren Lagern für Zwangs­ar­bei­ter, sogenann­te Fremd­ar­bei­ter, fast ausschließ­lich Ostar­bei­ter, gegeben hat. Letzte­re waren keine Kriegs­ge­fan­ge­nen im eigent­li­chen Sinn. Ihre Baracken waren zwar bewacht, aber nicht eingezäunt.

Ich fasse die von mir in den letzten Wochen zusam­men­ge­tra­ge­nen Infor­ma­tio­nen zusam­men.
Heute zunächst zum Lager 1, (dem größten Lager, das sich auf dem Gelän­de zwischen den Firmen Fritz Leitz und Brunn­hu­ber befun­den hat. Getrenn­te Berich­te zu den Gefan­ge­nen­la­gern, zu den Baracken der Fremd­ar­bei­ter und zum Leitz­stol­len folgen in den nächs­ten Wochen.

Lager 1
Es befand sich auf dem vor 14 Tagen in Bericht 312 veröf­fent­lich­ten Plan an der umkreis­ten Stelle, an welcher später der große Parkplatz der Firma Carl Zeiss errich­tet wurde, d. h. jenseits des CZ-Baus IV südlich der Carl-Zeiss-Straße und entlang der Wachol­der­stei­ge. Der Bereich wurde von den Einhei­mi­schen »dussa em Fial« genannt. Ein Teil der Gefan­ge­nen­ba­ra­cken stand an der Stelle, an der zuerst das CZ-Feuer­wehr­ma­ga­zin und ab 1985 der große Querbau VII (IMT) paral­lel zur Wachol­der­stei­ge entstand. Überein­stim­mend sagten mehre­re Befrag­te aus, daß dieses Gelän­de in den späten 30er und den frühen 40er Jahren mit dem Aushub der zahlreich entste­hen­den Gebäu­de der neuge­grün­de­ten Firma Fritz Leitz aufge­füllt wurde. Die Först­erstra­ße hat es damals noch nicht gegeben. Die auf dem Plan einge­zeich­ne­ten 4 Häuser, die zur Werksied­lung der Firma Fritz Leitz gehör­ten, lagen »hinter den Kraut­gär­ten« (oder »Kraut­stri­chen«). Es gab eine Materi­al­bahn, die den Aushub mit Loren auf das östlich tiefer liegen­de Gelän­de verbrach­te. Das Gelän­de­ni­veau war dort zuvor bis zu ca. 6 Meter niedri­ger und sumpfig gewesen. (Diese Infor­ma­ti­on hatte ich schon viele Jahre zuvor von Georg Brunn­hu­ber bekom­men). Die Auffül­lungs­bö­schung reich­te östlich fast bis zur Firma Brunn­hu­ber, südlich bis fast an die Wachol­der­stei­ge.
An dieser Stelle veröf­fent­li­chen wir einen Bebau­ungs­plan der Firma Fritz Leitz aus dem Jahr 1939, der nur teilwei­se verwirk­licht wurde.

Oberkochen

Erklä­run­gen zu dem Übersichts­plan (Kosten­vor­anschlag) der Maschi­nen­fa­brik Fritz Leitz Oberko­chen, April 1939
Der Plan läuft in den heute bei der Firma Carl Zeiss liegen­den Unter­la­gen im Bündel No. 9 (26.1.1998) unter dem Titel »Bauge­such: Gefolg­schafts­haus (Martha-Leitz-Haus), Kanti­ne, Freibad und Turnhal­le — Gruber/Heidenheim vom April 1939 — Ferti­gung 2«.

Wir bedan­ken uns bei der Firma Carl Zeiss, die uns über Profes­sor Dr. Ramming diese und andere Unter­la­gen zur Firma Fritz Leitz freund­li­cher­wei­se in Kopie überlas­sen hat.

Aus den Unter­la­gen gehen folgen­de Details zu dem Plan hervor: Die nicht numme­rier­ten Gebäu­de links unten sind die 1939 bestehen­den Gebäu­de der Firma Fritz Leitz.

1 = geplan­ter Fabrik Erwei­te­rungs Neubau — heute CZ-Bau IV
2 = Gefolg­schafts­haus — Festhal­le mit Kanti­ne und Terras­se — (Martha Leitz Haus). In den Plänen für dieses Gebäu­de ist eine »Befehls­stel­le« einge­zeich­net. Das Martha-Leitz-Haus wurde 1980 abgebro­chen.
3 = ist in unserem Plan von 1942 als »Kohlen­bun­ker« ausge­wie­sen
4 = Zufahrt
5 = Turnhal­le
6 = Freibad (geplant: 18 m auf 33,5 m)
7 = Sportplatz

Jenseits der heuti­gen Carl-Zeiss-Straße — d. h. auf dem aufge­füll­ten Gelän­de des späte­ren CZ-Parkplat­zes — waren vorge­se­hen: Grünflä­che und Liegewiese.

Statt des Schwimm­bads und der Turnhal­le kam dann 2 Jahre später der große Verwal­tungs­bau (heute CZ-Bau V) zur Planung (10.5.1941) und alsbal­di­gen Ausfüh­rung.
Im EG: Empfang, Verwal­tung, Büros, Ferti­gungs­hal­le und 9 große Räume ohne angege­be­ne Zweck­be­stim­mung, zusam­men für 30 Männer und 50 Frauen.
Im OG: Räume für Fabri­kant Fritz Leitz und Direk­tor Braun mit entspr. Vorzim­mern, ein Sitzungs­saal, ein Ausstel­lungs­raum — insge­samt für 30 Männer und 30 Frauen.
In den Unter­ge­schos­sen der heuti­gen Bauten CZ-IV und CZ‑V sowie im Martha-Leitz-Haus befan­den sich jeweils Lager­räu­me, mehre­re Schutz­räu­me, Befehls­stel­len, Schleu­ßen und Verbindungsgänge.

In diesem Zusam­men­hang sei das Jahr 1985 einge­blen­det, in welchem mit dem Baugru­ben-Aushub für den CZ-Bau VII begon­nen wurde — (Wachol­der­stei­ge/­Carl-Zeiss-Straße). Mir wurde seiner­zeit von Herrn Posmik mitge­teilt, daß ein Bagger­fah­rer in großer Tiefe ein Schwert gebor­gen habe. Als ich mich umgehend an den Fundort begab, war zwar noch der Bagger­füh­rer, nicht mehr jedoch das Schwert vorhan­den. Der Bagger­füh­rer schwa­fel­te mir vor, daß das Schwert von »jeman­dem« mitge­nom­men worden sei.

Bei gründ­li­cher Prüfung der Baugru­be entdeck­te ich Spuren, die mich veran­laß­ten, das LDA zu verstän­di­gen. Herr Dr. Stork klassi­fi­zier­te eine dort gefun­de­ne Scher­be als vorge­schicht­lich und eine Reihe von senkrecht im lehmi­gen Baugru­ben­grund stecken­de Reste von Pfosten als »Koche­ru­fer­ver­bau­ung«. Hinwei­se auf Pfahl­bau­ten (Vermu­tung von Herrn Posmik, dem der ehemals sumpfi­ge Boden auch bekannt war) konnten nicht belegt werden. (Siehe Bericht in BuG vom 26.4.1985). Eine Koche­ru­fer­ver­bau­ung an dieser Stelle kann 2 Zwecken gedient haben: Entwe­der Überschwem­mungs­schutz einer nördlich gelege­nen landwirt­schaft­li­chen Fläche oder ein ebensol­cher Schutz für einen mögli­chen Siedlungs­platz. Indes ist auch ein einst anderer Kocher­ver­lauf nicht auszu­schlie­ßen. Dr. Stork hatte, ohne davon zu wissen, vermu­tet, daß das Gelän­de mit mehre­ren Metern aufge­füllt ist, da die Funde in so großer Tiefe zutage­ge­tre­ten waren. Die Fundstel­le wurde damals im Auftrag des Landes­denk­mal­am­tes Stutt­gart von mir mit Schülern des Gymna­si­ums eingemessen.

Dietrich Bantel

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