Seit längerem auf der Suche nach weiteren Spuren des 1945 demontierten Oberkochener Rüstungsbetriebs Fritz Leitz und seiner wahrscheinlich bis kurz vor Kriegsende in Bau befindlichen unterirdischen Fertigungsstollen für Flugzeugteile (Heimatbuch Seiten 193 — 196) kam mir in diesem Monat gleich zweimal der Zufall kräftig zu Hilfe.
Zum einen übergab mir Herr Wolfgang Wagner, Oberkochen, 2 Leitz-Ordner mit Unterlagen zum Giengener Zweigwerk der Firma Fritz Leitz, die vom Archiv der Übernahme-Firma Bosch/Giengen ausgemustert worden waren und wohl schon längst auf Nimmerwiedersehen entsorgt wären, wenn Herr Wagner in dem mit der Entsorgung Beauftragten nicht einen wachsamen und überdies oberkochenfreundlichen Bekannten gehabt hätte, der ihm die Unterlagen für den Heimatverein mit nach Oberkochen gab.
Diesem Herrn sowohl als auch Herrn Wagner gebührt unser Kompliment und unser herzlicher Dank, zumal sich bei den Unterlagen auch interessante Informationen bezüglich des Oberkochener Hauptwerks des ehemaligen Rüstungsbetriebs Fritz Leitz befinden, unter anderem sogar Schriftwechsel mit rotem Stempeleindruck »Staatsgeheimnis — Geheimhaltungsverpflichtung beachten — Einschreiben — Geheim«. Da die Unterlagen offensichtlich nicht vollständig sind und auch zeitlich nicht chronologisch geordnet waren, wird es noch längere Zeit dauern, bis wir aus diesen Unterlagen berichten können.
Zum anderen erhielt ich von einem zufällig geschäftlich in Oberkochen weilenden Mitarbeiter der Firma Böhlerit, Oberkochen, Herrn Volker Drummer aus Mönchengladbach, über den Leiter des Optischen Museums der Firma Carl Zeiss, Herrn Dr. Hinkelmann, an mich vermittelt, einen spannenden und in Oberkochen m. W. bisher unbekannten Artikel aus der Zeitschrift »Hobby« (Das Magazin der Technik, Nr. 4. April 1957), überlassen, aus welchem hervorgeht, daß sich der berühmte Ozeanflieger Charles Lindbergh im Juni oder Juli 1945 — vermutlich inkognito und längere Zeit — in Oberkochen aufgehalten hat.

Charles Augustus Lindbergh (1902 — 1974)
Berühmt wurde der amerikanische Fliegerpionier, als er den Atlantik am 20./21. Mai 1927 als erster im Alleinflug überquerte. Flugdauer: 33 ½ Stunden. 1954 wurde er Brigadegeneral.
Aus dem über 30 Seiten laufenden Bericht über die Entwicklung von Strahlenflugzeugen im Deutschland des III. Reichs gegen Ende des 2. Weltkriegs in dem o. g. »Hobby« Heft von 1957 drucken wir die Oberkochen betreffenden Abschnitte, die sich auf den Seiten 111 — 113 befinden, ab.
Am 4. Oktober 1944 war die erste Besprechung mit der Industrie. BMW bekam den Auftrag für die 003 Serie. Junkers, Heinkel und Messerschmitt sollten in Gemeinschaftsarbeit die Zelle entwickeln. Für die Arbeiten standen bisher noch nicht dagewesene Vollmachten zur Verfügung.
Keßler und seine Mitarbeiter konnten praktisch sofort und unverzüglich jedes beliebige Werk stillegen und für ihre Zwecke umschalten. Die Arbeit war so recht Prof. Heinkel auf den Leib geschrieben. Er, der sich so oft zu kurz gekommen wähnte, wahrte kaum die Form der Zusammenarbeit mit den anderen Firmen. Mit seinem Chefkonstrukteur Günter konstruierte er im »Heinkeltempo« drauflos, zauberte eine lächerlich einfache Zelle mit 4,62 m Spannweite und pflanzte das Triebwerk — wie bei der V 1 — einfach oben auf den Rumpf. Am 2. Dezember 1944 lud er per Fernschreiben die RLM- und Speer-Leute, Generalstab usw. zur Flugvorführung der ersten Maschine für den 10. Dezember nach Wiener Neustadt ein.
Berühmt wurde der amerikanische Fliegerpionier, als er den Atlantik am 20./21. Mai 1927 als erster im Alleinflug überquerte. Flugdauer: 33 ½ Stunden. 1954 wurde er Brigadegeneral.
Aus dem über 30 Seiten laufenden Bericht über die Entwicklung von Strahlenflugzeugen im Deutschland des III. Reichs gegen Ende des 2. Weltkriegs in dem o. g. »Hobby« Heft von 1957 drucken wir die Oberkochen betreffenden Abschnitte, die sich auf den Seiten 111 — 113 befinden, ab.
Am 4. Oktober 1944 war die erste Besprechung mit der Industrie. BMW bekam den Auftrag für die 003 Serie. Junkers, Heinkel und Messerschmitt sollten in Gemeinschaftsarbeit die Zelle entwickeln. Für die Arbeiten standen bisher noch nicht dagewesene Vollmachten zur Verfügung.
Keßler und seine Mitarbeiter konnten praktisch sofort und unverzüglich jedes beliebige Werk stillegen und für ihre Zwecke umschalten. Die Arbeit war so recht Prof. Heinkel auf den Leib geschrieben. Er, der sich so oft zu kurz gekommen wähnte, wahrte kaum die Form der Zusammenarbeit mit den anderen Firmen. Mit seinem Chefkonstrukteur Günter konstruierte er im »Heinkeltempo« drauflos, zauberte eine lächerlich einfache Zelle mit 4,62 m Spannweite und pflanzte das Triebwerk — wie bei der V 1 — einfach oben auf den Rumpf. Am 2. Dezember 1944 lud er per Fernschreiben die RLM- und Speer-Leute, Generalstab usw. zur Flugvorführung der ersten Maschine für den 10. Dezember nach Wiener Neustadt ein.

Dieses Tempo hat es seither nicht wieder gegeben. Die Amerikaner sprechen heute noch mit hochgezogenen Augenbrauen und erhobenem Zeigefinger bewundernd von dieser Leistung. Normalerweise dauert die Entwicklung eines neuen Flugzeugmusters vier bis sechs Jahre. Die Vorführung begann mit zweistündiger Verspätung. Die Berliner und Rechliner Leute hatten sich mit einer langsamen Si-204 nach Neustadt schleichen müssen und waren unterwegs wegen der starken Feindflugtätigkeit viermal runtergegangen.
Die He-162 sah aus wie ein Westentaschenflugzeug, konnte jedoch 4 Bordkanonen aufnehmen, flog 900 km/h und stieg auf 11 km. Als die Maschine zum Start rollte, wurde Heinkel plötzlich unruhig und begann zu schimpfen. Sein bester Pilot, Ingenieur Pilot Peter, hatte sich trotz seines ausdrücklichen Verbots in die Maschine gesetzt und startete. Wie eine tollwütige Hummel pfiff die Maschine über den Platz, drehte eine Runde, und im zweiten Anflug — zerplatzte sie.
Es war der einzige Unfall, der sich mit der He-162 ereignete. Bis Kriegsende wurden 132 Stück fertiggestellt. An der Front ist sie jedoch praktisch nicht mehr in Erscheinung getreten.
Auch diese so glänzende technische Leistung teilte das Schicksal all der anderen Strahlprojekte, die hoffnungsvoll begonnen, technisch durchweg — man kann ruhig sagen — genial gelöst wurden, deren Bedeutung jedoch die politische Führung nicht erkannt und die den Siegermächten als Erbe in die Hände fielen.
Da war zum Beispiel das HeS-011 mit 1300 kgp Standschub. Es sollte das 004 in der Serie ablösen und wäre bei Erscheinen der ersten gegnerischen Strahltriebwerke diesen zweifellos überlegen gewesen. Der Diagonalverdichter sollte die Vorzüge des Radialverdichters (besserer Wirkungsgrad) mit der geringeren Höhe des Axialverdichters verbinden. Dr. von Ohain, Dir. Wolff, Dr. Bentele und ihre Mitarbeiter schafften es auch. Natürlich brauchte die neue Verdichterforrn eine etwas längere Entwicklungszeit.
Als die amerikanischen Experten dieses Triebwerk im Juni 1945 im Verlagerungsbetrieb Oberkochen aufstöberten, waren sie so begeistert von ihm, daß sie sich drei Wochen lang nicht beruhigen konnten. Sie holten Oberst Lindbergh (den Ozeanflieger), der als Privatmann mit Sonderauftrag unterwegs war, herbei, und dieser veranlaßte, daß die ersten zehn Triebwerke der O‑Serie in Oberkochen fertiggebaut wurden. Die in alle Winde zerstreute Heinkelmannschaft wurde unter ziemlichen Schwierigkeiten — zum Teil heimlich aus der russischen Besatzungszone — zusammengeholt. Die Triebwerke und der größte Teil der Mannschaft schwammen dann auf einem amerikanischen Zerstörer nach den USA.
Das Heinkel-Triebwerk war das beste in Deutschland fertiggestellte Triebwerk. Es wurde zur maßgeblichen Grundlage für die Nachkriegsentwicklung in den USA. Seine »Beerdigung« war phantastischer und romantischer, als sie je ein Filmregisseur oder Märchendichter hätte ausdenken können. Sein Grabmal ist eine schneeweiß glitzernde Höhle in 250 Meter Tiefe, in Form einer Halbkugel von 50 Metern Durchmesser in den Salzberg gehauen, angestrahlt von einem zentralen, mächtigen Scheinwerfer — ein Mausoleum der Technik. Es befindet sich in Oberkochen, dort, wo heute die Zeiss Werke sind.
Der Name des Verfassers des Berichts ist leider an keiner Stelle des Hefts genannt. Herr Drummer wird bemüht sein, ihn, sowie möglicherweise weitere Details, ausfindig zu machen.
Fest steht, daß sich der hypothetisch im letzten Abschnitt des Berichts bemühte Märchendichter nicht nicht, sondern in der Tat zugeschlagen hat: In Oberkochen gibt es bis jetzt noch keine schneeweiß glitzernde Höhle in 250 m Tiefe in Form einer Halbkugel, und bis jetzt leider auch noch kein darin von einem mächtigen Scheinwerfer angestrahltes Grabmal für das Minidüsenjägerprojekt — und viel leiderer auch keinen Salzberg. (Ein schwäbischer Insider würde mit Recht fragen: Wie kommt der Spinat aufs Dach?)
Gemeint sein kann mit diesem phantastischen unterirdischen Grabmonument höchstens die 1957, 12 Jahre nach Kriegsende, schon weitgehend in Vergessenheit geratene und eingangs unseres Berichts erwähnte in den Fels geschlagene, jedoch unvollendet gebliebene Fertigungsanlage zur Herstellung von Flugzeugteilen, die zuletzt als spärlich beleuchteter Luftschutzkeller und Sanitätsraum gedient hat. Was fertig geworden ist, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließlich von Kriegsgefangenen, wahrscheinlich russischen, gebaut worden, die in Baracken gewohnt haben, die von den ersten Ankömmlingen der Firma Carl Zeiss/Jena, die sich in dem demontierten Rüstungsbetrieb niederließ, bewohnt wurden. Möglicherweise hat der Verfasser des Artikels Oberkochen nie besucht; auch kann nicht ausgeschlossen werden, daß er in diesem Fall Oberkochen mit dem Salzbergwerk Kochendorf in einen Topf geworfen hat…
Wir vom Heimatverein sind jedenfalls derzeit dabei, Näheres über diesen Stollen herauszufinden und bitten alle älteren Mitbürger, die irgendwelche Aussagen zum Bau und der Nutzung des Stollens etwas wissen, uns dies mitzuteilen. Wir kommen gerne zu einem Gespräch vorbei. Interessiert wären wir vor allem, mit dem unbekannt gebliebenen Oberkochener, der am letzten Sonntag, 1.2.1998, das Museum besuchte und Herrn Riegel, der die Führung machte, auf den Stollen hin angesprochen hat, in Kontakt zu kommen.
Da das Ende des über 40 Jahre alten »Hobby«-Artikels aus dem Bereich von 1001-Nacht stammt, sehen wir nüchtern, daß auch dem Rest des Artikels wohl mit gewisser Skepsis zu begegnen ist. Deshalb bitten wir Alt-Oberkochener, die irgend etwas von dem erwähnten Besuch von Charles A. Lindbergh in Oberkochen wissen, uns dies mitzuteilen.
Dietrich Bantel