Eine Sonder­aus­stel­lung im Oberko­che­ner Heimat­mu­se­um im Schil­ler­haus.
Bereits der Titel zeigt, daß ich dem Kitsch nicht den Kampf ansagen werde, im Gegen­teil: Für viele durch­aus intel­li­gen­te Menschen bedeu­tet Kitsch viel mehr als sie mögli­cher­wei­se zugeben, ohne daß er bei ihnen Schaden anrich­tet.
Irgend­wie liebe ich Kitsch. Und ich sammle Kitsch, kleinen, überschaubaren.

Was ist Kitsch?
Der große Duden definiert: »Kitsch, Erschei­nungs­form des Pseudo­künst­le­ri­schen, im weites­ten Sinn, charak­te­ri­siert durch ästhe­tisch unbegrün­de­te, unange­mes­se­ne (forma­le), Bewäl­ti­gung eines (Schein)-Gehalts; die Abgren­zung zum Kunst­werk ist stark vom (zeitbe­ding­ten) Geschmack des Beurtei­lers abhän­gig; allge­mein auch Bezeich­nung für (senti­men­ta­les, epigo­na­les) Machwerk«.

Dieser Defini­ti­on möchte ich eine wesent­lich volks­tüm­li­che­re an die Seite stellen, die ausge­rech­net von meinem sehr honori­gen Kunst­ge­schichts­pro­fes­sor Prof. Dr. Kurt Fegers stammt, der an der Staat­li­chen Akade­mie der Bilden­den Künste in Stutt­gart lehrte, wo ich in einer recht kriti­schen aber noch vorre­vo­lu­tio­nä­ren schönen Zeit studier­te (1954 — 1958). Profes­sor Fegers formu­lier­te: »Kitsch ist, wenn man sich geniert zuzuge­ben, daß es einem gefällt«.

Das Phäno­men »Kitsch« ließ mich seit dieser treff­li­chen Formu­lie­rung nicht mehr los. Die ältes­ten Objek­te meiner Sammlung stammen eben aus dieser Zeit der Fünfzi­ger- und der frühen Sechzi­ger­jah­re. Zu unserer Hochzeit im Jahr 1963 bekamen wir viel Kitsch geschenkt. Erstens war es eine satte Zeit, in der man eigent­lich schon alles hatte, was man brauch­te, und zweitens wußte man, daß ich Kunst­er­zie­her bin, und man wollte uns eben etwas ganz »Beson­de­res« schen­ken. Leute, die es gut meinten, von Kunst aber nichts verstan­den oder verste­hen wollten, wollten etwas Ausge­fal­le­nes schen­ken, was mit Kunst zu tun hat. Das genau war sogar ein wichti­ger Grund für ein Kitsch­ge­schenk. Leider haben wir uns einen Spaß daraus gemacht, die vielen kitschi­gen Vasen im Lauf der Jahre bei Polter­aben­den zu atomi­sie­ren. Das tolls­te Kitsch­ge­schenk habe ich aber 30 Jahre lang auf der Bühne versteckt. Einen sogenann­ten »Weinspen­der«, — ein sehr teures aber ausge­spro­chen nutzlo­ses und unprak­ti­sches Gerät. Mehr wird nicht verra­ten — es befin­det sich jetzt in der Ausstellung.

Im Laufe von fast 40 Jahren habe ich Unter­ab­tei­lun­gen in meiner Sammlung »aufge­baut« — Gebrauchs­kitsch, Reprä­sen­ta­ti­ons­kitsch, Souve­nier­kitsch, Polit­kitsch, Porno­kitsch, Gag- und Spaßkitsch, Verle­gen­heits­ge­schenks­kitsch, und einen sehr heiklen Kitsch, den ich einmal vorsich­tig mit Devotio­nal­kitsch umschrei­be — ein weites, fast noch unerforsch­tes Gebiet, das Religi­on, Glauben und Tod einschließt, heikles deshalb, weil hier tiefe Gefüh­le verletzt werden können.

Eines Tages hatte ich die Idee, daß ich bei meinen Schülern in den letzten Tagen vor den Sommer­fe­ri­en, an geregel­ten Unter­richt war eh meist nicht mehr zu denken, weil viele Schüler aller Klassen noch Beiträ­ge für die damals noch übliche Schluß­fei­er einüb­ten und die Klassen dezimiert waren, ein paar Objek­te aus meiner Sammlung mit in den Unter­richt brach­te und sie zur Diskus­si­on unter dem Motto »Kitsch« stell­te. Diese Diskus­sio­nen werde ich nie verges­sen — und sie brach­ten auch manchen Schülern mehr als manche Stunde Kunst­ge­schichts­un­ter­richt. Der prakti­sche Neben­ef­fekt für mich war, daß jedes­mal ein paar Schüler sagten:

»So Zeug haben wir zuhau­se auch jede Menge«, worauf ich grund­sätz­lich sagte: »Wenn möglich mitbrin­gen und für meine Sammlung stiften«.

So wuchs meine Sammlung automa­tisch weiter und wurde zu einer echten rasser­ei­nen Sammlung von Oberko­che­ner Kitsch-Expona­ten. Einige Schüler stürz­ten sich sogar in Unkos­ten und beschaff­ten mir in ihrer Begeis­te­rung beispiels­wei­se einen Salz- und Pfeffer­streu­er in Form einer liegen­den nackten Frau, deren enorme Busen eben die Salz- und Pfeffer­streu­er sind.

Ich räume an dieser Stelle ein, daß ein paar meiner »schöns­ten« Expona­te aus dem Gebiet »Porno­kitsch« der Zensur von einigen Heimat­ver­eins-Vorstands- und Ausschuß­mit­glie­dern zum Opfer fielen — eine Tatsa­che, die wieder­um zu hinrei­ßen­den Diskus­sio­nen Anlaß geben könnte. So traue­re ich zum Beispiel um einen pikan­ten »Männeken-Piss-Korken­zie­her« — der wieder zu mir nach Hause wandern mußte. Ich will das hier nicht näher beschreiben.

Dennoch laute­te ein Eintrag in das Museum-Besucher­buch am letzten Offenen Sonntag in unserem Museum »Am besten hat mir gefal­len die Kitsch­aus­stel­lung und die Wäsche­klam­mer­samm­lung«.

Dietrich Bantel

Oberkochen

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