Mit Datum vom 29. Mai 1998 übersand­te ich Herrn Dr. Rüdiger Krause vom Landes­denk­mal­amt in Stutt­gart die heute abgebil­de­te kleine irdene Schale (ca. 13 cm im Durch­mes­ser und ca. 5 cm hoch) und das nachfol­gend auszugs­wei­se veröf­fent­lich­te Schreiben:

»Heute übergab mir Herr Günter Kempf, Oberko­chen, die beilie­gen­de ungla­sier­te wohl von Hand aufge­bau­te kleine Schale, die er Ende März bei Umbau­ar­bei­ten in seinem Haus, Aalener Straße 7, gefun­den hat.

Oberkochen

In der anlie­gen­den Skizze habe ich Ihnen die Fundsi­tua­ti­on beschrie­ben, die noch weite­rer Erklä­rung bedarf.

Das Gebäu­de, um das ich mich schon zu einem frühe­ren Zeitpunkt geküm­mert habe, ist nur bis 1812 (lt. Gebäu­de­brand­ver­si­che­rung 1942) nachweis­bar. (Die Alters­an­ga­ben der GBV werden in Oko. stets bezwei­felt, da man die Gebäu­de bei der Befra­gung aus versi­che­rungs­preis­li­chen Gründen immer »jünger gemacht« habe, als sie eigent­lich waren). Offen­bar ist es damals, zumin­dest teilwei­se, anstel­le eines älteren Gebäu­des neu errich­tet worden, denn in dem Gebäu­de gibt es in dem fett markier­ten Teil einen uralten Keller, der von der GBV leider nicht aufge­nom­men wurde. Laut mündl. Überlie­fe­rung soll das Gebäu­de einmal ein »Brauhaus« gewesen sein.

Der fett gezeich­ne­te Gebäu­de­teil wurde, lt. Angaben von Herrn Kempf, mit Sicher­heit vor 1812 (Kempf: vor über 200 Jahren) erstma­lig überbaut, und zwar nicht-unter­kel­lert.

Diesen nicht-unter­kel­ler­ten, mit fetter Linie gezeich­ne­ten, alten Teil hat Herr Kempf ab März 1997 umgebaut und neu einge­rich­tet. Die Arbei­ten sind noch nicht abgeschlos­sen. Hierzu wurde der alte Fußbo­den bis auf das gewach­se­ne Gelän­de entfernt, wobei ca. 15 cm (+/-5 cm) ausge­ho­ben wurden, um einen neuen, isolier­ten Fußbo­den einbrin­gen zu können.

Hierbei stieß Herr Kempf an der markier­ten Stelle auf das kleine Schäl­chen, das ich Ihnen heute übersen­de. Der Fund stammt aus einem Boden, der also mit großer Sicher­heit bis heute nicht gestört war: es wurde aus dem dort anste­hen­den lettig-tonigen Origi­nal­grund gebor­gen. Das Gefäß war auch mit diesem Materi­al restlos angefüllt und lag so länge­re Zeit herum, bis es von Frau Kempf geleert und gerei­nigt wurde. Eine kleine »Verlet­zung« scheint neu, eine älteren Datums. Leider scheint der Fund aus dem Zusam­men­hang gerissen.

Oberkochen

Meine Frage, ob weite­re Scher­ben o.a. gefun­den worden seien, beant­wor­te­te Herr Kempf mit der Feststel­lung, daß nur kleine grün glasier­te Scher­ben­fun­de zutage gekom­men seien. Ware wie die beschrie­be­ne findet man in Oberko­chen überall — es gab hier vor 200 Jahren 30 Häfner.

Da der Fundort genau­so wie der des bandke­ra­mi­schen Hammers (1953 Skizze Zürn v. 1954) auf einer Anhöhe liegt, die »Bühl« heißt (Bühel, Elle« Buckel), geht mein Tip in ziemlich frühe Zeit, die ich kaum zu nennen wage — ich lasse mich gerne von Ihnen überra­schen. Da das Gefäß eine recht wacke­li­ge Stand­flä­che hat, kann es wohl kaum ein »Gebrauchs­schäl­chen« gewesen sein.

Darf ich um baldi­ge Rücksen­dung bitten, wenn möglich mit halbwegs ausführ­li­chem Kommen­tar, so daß wir’s bis zum 23.6. zur Museums­er­öff­nung wieder in Oberko­chen haben.

Herr Kempf wäre, wie er mir sagte, bereit, eine Nachun­ter­su­chung zuzulas­sen, er ist sich aber relativ sicher, daß da »nichts mehr drin« ist. Der neue Boden sieht so aus: Auf die neu ausge­ho­be­ne Fläche kam eine Kiesschüt­tung, darüber eine Isolier­fo­lie und darüber ein Gipsfa­ser-Estrich, worüber das Parkett gelegt wird. Beton wurde nicht verwendet.

Im übrigen bin ich der Meinung, daß das Kempf­se­he Haus schon allein aufgrund der Tatsa­che, daß es gegen­über der kath. Kirche steht, die früher eine St. Peter-Kirche war, und erst ab Mitte des 18. Jahrund­erts eine St. Peter und Paul-Kirche ist, mit zu den ältes­ten Siedlungs­plät­zen in Oberko­chen gehört. Die Kirche hat noch heute einen Turm-Sockel mit 2 m Wandstär­ke, der ins 13. Jh., romanisch, datiert wird. Die gewal­ti­ge romani­sche Kirche auf dem »Bühl« mag noch die logische späte Folge des großen alaman­ni­schen Dorfs gewesen sein, dessen Fried­hof, hangwärts gelegen, außer­halb des Dorfs, Herr Dr. Stork 1980 auf »bis zu 1000 Gräber« hochge­rech­net hat. Nur so sehe ich eine Verbin­dung in die Geschich­te, denn das späte­re kleine Dorf hätte keine solch gewal­ti­ge Kirche benötigt.«

Mit Datum vom 9.6.97 erhielt ich bereits die Antwort von Herrn Dr. Krause und wenige Tage später, recht­zei­tig zur Museums­er­öff­nung das Schäl­chen. Herr Krause bestä­tig­te meine Vermu­tun­gen und schrieb, hier ebenfalls auszugs­wei­se veröffentlicht:

»Vielen Dank für Ihre Sendung. Das Gefäß ist Gott sei Dank wohlbe­hal­ten hier in Stutt­gart angelangt. Es handelt sich um einen kleinen hallstatt­zeit­li­chen Napf (wohl Stufe Hallstatt C), wie er typisch für die entspre­chen­den hallstatt­zeit­li­chen Grabfun­de der Ostalb ist. Insofern würde ich bei der Fundstel­le eigent­lich darauf tippen, daß es sich um einen zerstör­ten und verschleif­ten Grabfund handelt. Ich würde das Gefäß gerne zeich­nen lassen, bin mir jedoch im Moment nicht sicher, wie lange dies dauern wird. Gegebe­nen­falls bringe ich es Ihnen vorher zur Eröff­nung Ihres Museums zurück.«

Hallstatt C wird nach den neues­ten Forschun­gen in die Zeit von 750 — 600 v. Chr. datiert, so daß das Schäl­chen (der Napf) ungefähr 2700 Jahre alt ist. Aus dieser Zeit gibt es bislang noch keine Funde auf unserer Gemar­kung, so daß der neuer­li­che Fund mit der Alters­an­ga­be »zwischen 750 und 600 v. Chr.« in eine geschichts­lo­se Lücke zwischen ca. 1200 und ca. 300 v. Chr. fällt: Das Brand­grab in der Kelten­stra­ße (1956) stammt aus der Urnen­feld­erkul­tur, also Hallstatt A/B, und ist fast 500 Jahre älter, die la-Täne-zeitli­chen Funde vom Weilfeld (1971) und von der Kocher­quel­le (1995) stammen aus der unmit­tel­ba­ren vorrö­mi­schen Zeit und sind etwa 500 Jahre jünger.

Für die weite­re Aufde­ckung der Ortsge­schich­te erscheint mir von beson­de­rer Bedeu­tung, daß der Fund einen ersten Beleg dafür liefert, daß der »Bühl« ein sehr alter, mögli­cher­wei­se schon vorchrist­li­cher Siedlungs­platz auf unserer heuti­gen Gemar­kung war. Dafür spricht vor allem der talab­wärts befind­li­che »Buckel« im Tal (Bühl, Bühel, Bichel), der sich im Gegen­satz zum talauf­wärts gelege­nen sumpfi­gen »Kies« zur Besied­lung gerade­zu anbot. Auf diesem Buckel wurde wohl auch im 9. Jahrhun­dert die ältes­te örtli­che Kirche in Stein errich­tet, mögli­cher­wei­se ein vorro­ma­ni­scher (karolin­gi­scher?) Bau im unmit­tel­ba­ren Anschluß an die Verle­gung des Fried­hofs hierher zur neuen Kirche. Der Fried­hof der alaman­ni­schen Zeit befin­det sich bekannt­lich zwischen Frühling­s­tra­ße und Hasen­gäss­le und ist im 6. und 7. nachchrist­li­chen Jahrhun­dert entstan­den. In diese Zeit fällt die Chris­tia­ni­sie­rung von Ur-Oberko­chen. Topogra­phisch ist keines­falls auszu­schlie­ßen, daß sich auch das alaman­ni­sche Dorf, von dem wir bislang noch gar nichts wissen, hier auf dieser Anhöhe des »Bühl« befun­den hat. Bei Bauar­bei­ten ist hier aus diesem Grund größte Wachsam­keit geboten.

Dietrich Bantel

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