Auf den Seiten 449 — 451 (2. Aufla­ge 453 — 455) im Heimat­buch beschrei­ben die beiden Schul­meis­ter Karl Günter (gest. 1934) und Alfons Mager (gest. 1946) unter anderem ausführ­lich die Sitten und Bräuche anläß­lich von Verlo­bung und Hochzeit.

Frau Erika Wolpers, geb. Edel, machte uns darauf aufmerk­sam, daß diese eigent­lich als offizi­ell und vollstän­dig angese­he­ne Beschrei­bung einen empfind­li­chen Mangel aufweist — nämlich das Nicht­er­wäh­nen des sogenann­ten »Horxet­lä­ders« d.h., der Person, die im Auftrag des Hochzeits­paars zu dessen Hochzeit im Ort in vielen Häusern vorsprach und namens des Paars zur Hochzeit einge­la­den hat. Die Perso­nen, die zusag­ten, wurden von ihm in eine Liste aufge­nom­men. »Hochzeits­ein­la­der« wäre eine mögli­che Überset­zung des ostalb-schwä­bi­schen Worts »Horxet­lä­der«.

Freund­li­cher­wei­se besorg­te uns Frau Wolpers über ihre Schwä­ge­rin, Frau Ida Edel, die »Horxetläder«-Informationen, die für den Heimat­ver­ein und für alle heimat­kund­lich inter­es­san­ten Oberko­che­ner von großem Inter­es­se sind. Die »Alten« können hier sicher­lich noch ein Wörtchen mitreden.

Unsere Infor­man­tin, Frau Edel — ihr verstor­be­ner Ehemann Alfred Edel ist in Oberko­chen wohlbe­kannt — ist die Tochter des Ehepaars Karl Elmer, Sperber­stra­ße 26 (geboren am 22. Mai 1901 in Oberko­chen, gestor­ben am 23. August 1978 in Oberko­chen) und Maria Elmer, geb. Grupp (geb. am 4. Mai 1905 in Ebnat, über 90-jährig gestor­ben am 28. 12. 1995 in Oberko­chen). Frau Maria Elmer hatte, wie wir erst jetzt erfah­ren, immer vermißt, daß sie einmal vom Heimat­ver­ein über die inter­es­san­te Tätig­keit Ihres Mannes Karl Elmer, den letzten Oberko­che­ner »Horxet­lä­der«, der im Haupt­be­ruf Bohrer­ma­cher bei Bäuerle war, befragt wurde.

Umso dankba­rer sind wir, daß wir nun über Frau Wolpers von Frau Ida Edel die nachfol­gen­den Infor­ma­tio­nen erhielten:

Karl Elmer hat die »Horxet­lä­der«-Tätig­keit schon als noch lediger Mann ausge­übt, also bereits vor seiner Hochzeit im Jahre 1928. Uns liegt die Hochzeits­gäs­te­lis­te, unter­zeich­net von Karl Elmer am 21.11.1924, für Joh. Neuhäu­ser vor, die 47 Gäste umfaßt, dann die Liste für Alois Weber vom 22.4.1925 mit 13 Gästen, die für Paul Tritt­ler vom 9.5.1927 mit 73 Gästen. Da sie sich am besten abbil­den läßt, veröf­fent­li­chen wir die Hochzeits­gäs­te­lis­te von Alois Weber (Abbil­dung).

Oberkochen

Karl Elmer hatte das Amt von seinem Vater Joseph Elmer, Mühlstra­ße 22, übernom­men, der es auch jahre­lang ausübte.

Daß, wie von Karl Günter und von Alfons Mager im Heimat­buch beschrie­ben, Kinder zur Hochzeit einge­la­den haben, muß weit vor der Zeit von Joseph und Karl Elmer gewesen sein. Frau Edel und Frau Wolpers wundern sich, daß in den zehn Jahren seit der Gründung des Heimat­ver­eins niemand von den Altober­ko­che­nern vom »Horxet­lä­der« berich­tet hat.

Zum Zeichen, daß er als »Horxet­lä­der« auftrat, hatte dieser ein Sträuß­chen am Hut aufge­steckt und ging von Haus zu Haus mit den Worten:

»Ihr seid herzlich einge­la­den zur Hochzeit von … (Name des Braut­paars). Die Hochzeit findet am … statt (Nennung von Tag und Uhrzeit des Kirch­gangs und Name des Festlo­kals). Nun fragte er die Leute, bei denen er vorsprach, ob sie zum Kirch­gang und zum Hochzeits­fest kommen werden. Eine Zusage wurde verbind­lich in einem Heft festge­hal­ten (siehe Abbildung).

Sein Rundgang in Oberko­chen dauer­te, je nach dem, bis zu 5 Abende. Einige Tage vor der Hochzeit traf er sich mit den Braut­leu­ten und deren engsten Verwand­ten im Hochzeits­lo­kal, um Namen und Anzahl der teilneh­men­den Perso­nen zu nennen.

Daran anschlie­ßend gab es für den »Horxet­lä­der« und die anwesen­den Verwand­ten ein Bratwurst­es­sen, das gerne angenom­men wurde.

Auch bekam er für seine Tätig­keit einen »Lohn«; es war ein kleiner Neben­ver­dienst, der ihm aller­dings keinen großen zusätz­li­chen Reich­tum brach­te. Aber es hat ihm Spaß gemacht, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Seine letzte Einla­dung war im Januar 1952 für die Hochzeit des Eugen Weber und Braut (bei der alten ev. Kirche, heute Stadt­bi­blio­thek). So sein Aufschrieb.

Da der Ort immer größer wurde, hat Karl Elmer seine Tätig­keit als »Horxet­lä­der« aufgegeben.

Oberkochen

Dieser Bericht ist ein hervor­ra­gen­des Beispiel dafür, daß die Kennt­nis von alten Sitten und Bräuchen schnell verlo­ren geht, wenn sie nicht zu Papier gebracht wird. Deshalb unsere herzli­che Bitte an unsere Leser, uns vom alten Oberko­chen zu berich­ten, wo wir es noch nicht getan haben — es gibt noch tausend Dinge — und uns Mittei­lung zu machen, wenn wir falsch oder unvoll­stän­dig berichten.

Dietrich Bantel

Anmer­kung HVO:
Die Schreib­wei­se »Horxet­lä­der« stammt von unseren beiden Infor­man­tin­nen, Frau Ida Edel und Frau Erika Wolpers. In Oberko­chen wird das Wort auch in der Schreib­wei­se »Hoakset­lä­der« ausgesprochen.

Nachtrag zu Bericht 304:
Der »Hoaxet­lä­der« (Hochzeits­la­der)

Einer Reihe von Lesern ist unsere Anmer­kung am Ende des Artikels entgan­gen. Wir haben dort festge­stellt, daß das Ostalb-Dialekt-Wort für »Hochzeits­la­der« in Oberko­chen in der Schreib­wei­se Hoaxset­lä­der (oder Hoakset­lä­der) ausge­spro­chen wurde, — die Altober­ko­che­ner, die sich dieser­halb mit mir in Verbin­dung setzten, kennen die Ausspra­che »Horxet­lä­der« nicht. Aus diesem Grund haben wir im Titel dieses Nachtrags die in Oberko­chen gebräuch­li­che phone­ti­sche Umschrift verwendet.

Außer­dem wurde kriti­siert: »En ganz Obrkocha hot nermad gsagt: ‘Ihr seid herzlich einge­la­den’«. Das häbe gehei­ßen: ‘Mr isch eiglada.’

Das sind die Feinhei­ten, die Wahlober­ko­che­nern noch heute entgehen.

Eine weite­re »Altober­ko­che­ner Quelle« erinner­te sich, daß Karl Elmer in späte­ren Jahren »Platz­an­wei­ser« in der katho­li­schen Kirche war. Kommen­tar: »Daomals hot mr no et henta romsch­tan­da dürfa während dr Kirch, — dao isch dr alt Elmer komma an hot oos Kendr neibug­siert en d’Bänk.« Es war auch die Rede davon, daß das »Hinein­bug­sie­ren zu »Gegen­re­ak­tio­nen« geführt habe.

Dietrich Bantel

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