Nachdem es uns trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen ist, der Stadt eines der alten Gemeindewappen »abzuschwätzen«, die bis 1968 zur Stadterhebung an öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen angebracht waren, kamen wir zu folgendem Kompromiß: Die Stadt stellte uns eines dieser Wappen (Gemeindeverwaltung) zur Verfügung und Herr Stelzenmüller fertigte uns ein so hervorragendes Repro, daß dieses in der »Gemeinde-Stadtvitrine« im Heimatmuseum, nachdem es aufgezogen und an den Ecken abgerundet wurde, von noch niemandem als »Repro« erkannt worden ist. Nun ist beiden Teilen geholfen — die Sammlung der Stadt blieb vollständig und der Heimatverein hat eine originalgetreue Replik, die, wie das Original, einen Wischer der dunkelroten Farbe zeigt, in der das Rathaus zuletzt gestrichen war, und der durch Unachtsamkeit auf dieses Schild kam.
Unsere Ablichtung zeigt das Schild »Gemeindewaage«. Eine Waage befand sich früher am »Ochsen« in der Katzenbachstraße. Bis in die sechziger Jahre war die Gemeindewaage am Ortsausgang etwa an der Stelle in Funktion, wo sich heute der »Kiesbrunnen« in der Heidenheimer Straße befindet. Das Wappen wurde bei seiner Einführung im Jahr 1927 vom Landesdenkmalamt folgendermaßen beschrieben »Im oberen Feld ruht auf goldenem Untergrund eine fünfzinkige Hirschstange in Naturfarbe. Im unteren größeren Teil steht in der Mitte auf silbernem Untergrund eine markige Buche mit Bucheln (Blätter grün, Stamm braungrau, Früchte naturfarben). Links und rechts von der Buche steht je eine Pflugschar in blauer Farbe«, was J. Mahler so deutete: »Die Pflugscharen zeigen bäuerliche Abstammung und Arbeit auf. Die Buche mit ihren Früchten weist auf unsere herrlichen Buchenwälder sowie auf die Waldarbeit und deren Nutzen hin. Die Hirschstange verkörpert das uralte Hoheitszeichen Württembergs: Herrschaft, Arbeit, Landschaft und Heimat kommen im Wappen sehr schön zum Ausdruck«.
Den folgenden Artikel zum alten Gemeindewappen verfaßte Volkmar Schrenk.
Dietrich Bantel
Das alte Oberkochener Wappen
Im Oberkochener Heimatbuch schreibt Dietrich Bantel auf Seite 236 zum Oberkochener Wappen: »Inzwischen ist unser Stadtwappen so bekannt und vertraut geworden, daß viele Bürger seinen Vorgänger, noch viel weniger dessen Vorläufer, schon gar nicht mehr kennen.« Diesem Umstand kann heute ein wenig abgeholfen werden, da mir kürzlich ein Bericht der Aalener »Kocherzeitung« aus dem Jahr 1927 in die Hand kam, der ausführlich schildert, wie es damals zum Vorläufer des heutigen Stadtwappens gekommen war.
Der Heimatverein Oberkochen führt übrigens das alte und das neue Wappen mit Genehmigung der Stadt in seinem Briefkopf.

Wappen vor 1927
»Bis jetzt werden teilweise die Pflugschar, auch der Kocherursprung und oft drei Räder als Oberkochener Wappen angesehen«, stellte Schultheiß Frank im Jahr 1927 fest. Zwar war am Marienaltar der alten katholischen Kirche, die im Jahr 1900 durch die jetzige Kirche ersetzt wurde, das Wappen der Grafen von Dillingen angebracht und am Antoniusaltar soll sich das Wappen der Ritter von Kochen befunden haben. Jedoch galten diese Wappen nicht dem Ort, sondern sie standen für die verschiedenen Herrschaften. Entsprechendes gilt für Zeichen an Grenzsteinen in den Wäldern rings um Oberkochen, wie die Mitra des Fürstpropstes von Ellwangen, wie der Abtstab der Fürsten von Thurn und Taxis oder die drei Hirschgeweihstangen der Württemberger, um nur einige zu nennen (s. Heimatbuch S. 260 u. folg.: Karl Schurr »Grenzsteine — Zeugen der Vergangenheit«.) Oft zeigt die Oberkochener Seite der Grenzsteine eine Pflugschar als Zeichen bäuerlichen Waldbesitzes in der Realgenossenschaft. Auch die ersten Oberkochener Ehrenbürgerbriefe sind mit einer Pflugschar verziert, aber »Wappen« im heraldischen Sinn war die Pflugschar für Oberkochen keinesfalls.
Heimatpfleger J. Mahler
Mitte der zwanziger Jahre besaß Oberkochen im pensionierten Oberpostinspektor J. Mahler einen rührigen Heimatpfleger, der sich stark engagierte. Von seiner Gründung eines VHO (= Verein für Heimatpflege Oberkochen) war vor einiger Zeit schon die Rede. Mahler war Autor zahlreicher heimatkundlicher Artikel wie z. B. über die Pflanzenwelt, über »die Bauerntracht im Tal des Schwarzen Kochers« (wir kommen später darauf zurück), oder über »die beiden Oberkochener Banngebiete — den Volkmarsberg und den Kocherursprung (veröffentlicht im »Spion von Aalen«. 1929). Er war es auch, der im Jahr 1927 den Anstoß zum Oberkochener Ortswappen gab. Seine Mitstreiter waren der damalige Schultheiß Frank und der schon im 75. Lebensjahr stehende frühere Gemeindepfleger Balle.
Bürgerversammlung
Bemerkenswerterweise wollte man das neue Ortswappen den Bürgern nicht einfach überstülpen, nein, sie sollten mitreden und mitentscheiden. »Um für unseren Marktflecken ein Wappen festzulegen, beräumte Schultheiß Frank auf 16. Januar 1927 eine allgemeine Bürgerversammlung an«. Das Interesse der Bürger an der Wappenfrage war groß, sie füllten den »Grünen-Baum-Saal« bis zum letzten Platz; allein »80 Mann stellte der Chor des Sängerbundes, der unter Lehrer Mayer stimmungsvolle Lieder vortrug«.
Hauptakteur war J. Mahler, der zunächst über Wappen berichtete, die in der Umgebung gebräuchlich waren. Dann legte er der Versammlung zwei vom Landesdenkmalamt gefertigte Entwürfe vor mit den Worten: »Oberkochen steht heute im Begriff, sich ein Wappen zuzulegen. Vielleicht stehen wir bis jetzt als erstes Dorf da, welches diesen Schritt unternimmt. Oberkochen setzt sich heute einen hervorragenden Markstein in seiner Heimatgeschichte, nun, liebe Landsleute, wählt eines der beiden sehr schonen Wappen«.
Bürgerentscheid
Nun lag die Qual der Wahl bei den Bürgern. Einige wollten neben die Pflugschar auch Bohrer als Oberkochener Wahrzeichen setzen, heftige Dispute ergaben sich um die drei Räder der Herren von Unterkochen, und da man sich nach über hundert Jahren durchaus als gute Württemberger verstand, sollten auch die württembergischen Farben irgendwo im Wappen vorkommen. Schließlich neigte sich die Gunst der Bürger doch einem Entwurf zu, an dem ein kleines Zettelchen steckte. »Vorschlag Mahler« stand darauf, und als nach der Pause — die Versammlung war für eine halbe Stunde unterbrochen worden, um die erhitzten Gemüter wieder abkühlen zu lassen — Gemeindepfleger a. D. Balle das Wort ergriff und »mit jugendlicher Frische und großer Begeisterung feststellte« ich stimme für den Vorschlag Mahler«, war die Entscheidung gefallen. Der Entwurf Mahlers (s. Abbildung) wurde einstimmig angenommen, worauf ein Beifallssturm den Saal durchbrauste«. Alles erhob sich von den Sitzen und J. Mahler rief den Bürgern zu: »Oberkochen hat nun ein Wappen, das wohl zu den schönsten und sinnigsten im Schwabenland zählt. Möge unsere Heimat unter diesem Wappen wachsen, blühen und gedeihen, mögen ihr für alle Zeiten schöne, frohe, glückliche und zufriedene Tage beschieden sein«.

Dieser Wunsch ging, wie wir wissen, nur bedingt in Erfüllung: Sechs Jahre später kam Hitler an die Macht, Schultheiß Frank wurde aus dem Amt gedrängt, nach weiteren sechs Jahren begann der Zweite Weltkrieg, wiederum sechs Jahre später war das Dritte Reich zerschlagen und die Nachkriegsentwicklung Oberkochens begann, die schließlich im Juni 1986 der »Jungen Stadt Oberkochen« als neues Stadtwappen »drei goldene Rosen in Blau« bescherte.
Volkmar Schrenk