Bruch­stü­cke von 2 römischen Reibe­scha­len
In der 2. Tisch­vi­tri­ne im Raum 2 des Heimat­mu­se­ums liegen Teile zweier verschie­de­ner römischer Reibe­scha­len, die 1971 von Schülern anläß­lich der Ausgra­bung des »Römer­kel­lers« gebor­gen wurden.

Herr Frank Ditte­wig, der im letzten Jahr den Gesamt­be­stand von über 1000 Keramik­scher­ben­fun­den vom Römer­kel­ler im Rahmen einer wissen­schaft­li­chen Unter­su­chung für die Univer­si­tät Mainz sichte­te, überließ uns einen Artikel seines Kolle­gen Andre­as Vogel, der ausführ­lich Auskunft zu diesen außer­ge­wöhn­li­chen Scher­ben aus dem Römer­kel­ler gibt.

Die oberen Schalen­rand­stü­cke sind im einen Fall aus 3, im anderen aus 4 Teilbruch­stü­cken, die an verschie­de­nen Orten gefun­den wurden, zusam­men­ge­setzt. Die Schalen konnten, was häufig selbst von Fachleu­ten bezwei­felt wird, zur Herstel­lung von Joghurt und Kefir verwen­det werden.

Im folgen­den bringen wir einige für Oberko­chen inter­es­san­te Ausschnit­te aus dieser Abhand­lung, in welcher der Verfas­ser versucht hat, Joghurt und Kefir in »antiker Manier« herzustellen.

Dietrich Bantel

Offen­bar waren die Römer noch nicht so weit wie wir heute: Milch wurde deshalb als Getränk überhaupt nicht­ge­schätzt, ledig­lich Milch­pro­duk­te wie Käse, Dick- oder Sauer­milch, Joghurt oder Kefir wurden in der Küche verwandt. In diesen Produk­ten ist der Milch­zu­cker bereits aufge­spal­ten und somit bekömmlich.

Oberkochen

Wie nun wurde in der Römer­zeit Milch weiterverarbeitet?

Der römische Agrar­schrift­stel­ler Columel­la beschreibt als Beispiel die Herstel­lung von Ziegen­kä­se in einem »Muster­land­gut« (r. r. 7, 8). Die frische Milch wird leicht erwärmt und in Eimern mit Lab (coagu­lum) zum Gerin­nen gebracht. Die ferti­ge Masse wird in Körbe gefüllt und durch teilwei­se mehrfa­ches Pressen von der Molke getrennt. Die ferti­gen Laibe werden nun gesal­zen und auf Brettern getrock­net, nach einiger Zeit erneut gepreßt und abschlie­ßend gewaschen. Zur besse­ren Konser­vie­rung räucher­te man die Käse bisweilen.

Wir verwand­ten für die Käseher­stel­lung eine Reibscha­le (mortari­um), ein sehr dickwan­di­ges Grobge­fäß mit einem Kragen­rand, einem Ausguß und mit einem vor dem Brand auf dem Boden aufge­tra­ge­nen Bewurf aus Quarz­bröck­chen. In der Fachli­te­ra­tur ist der Zusam­men­hang von Reibscha­le und Käsepro­duk­ti­on umstrit­ten. Antike Quellen nennen nur die Reibe­funk­ti­on zur Vorbe­rei­tung des Essens in der Küche und bei Tisch. Aus der Rezept­samm­lung des römischen Gourmets Apici­us wurde mit letzter Sicher­heit auf den Haupt­zweck der Gefäße geschlos­sen, der »vor allem im Anrei­ben von pikan­ten Würzso­ßen« (4) bestand. Diese Verwen­dung als ein Haupt­zweck dieser Keramik­grup­pe möchten wir nicht leugnen. Die Annah­me römisch-mediter­ra­ner Speise­sit­ten im nordal­pi­nen Raum ist sicher­lich ein wichti­ges Zeichen für die Bildung einer provin­zi­al­rö­mi­schen Kultur.

1.) Die frische Milch wird in der Reibschüs­sel stehen gelas­sen, bis sich der Rahm absetzt, aus dem Butter herge­stellt werden kann (die aller­dings bei den Römern meist nur für medizi­ni­sche Zwecke gebraucht wurde).

2a.) Wird jetzt der Milch ein Sauer­milch­pro­dukt (z. B. Joghurt, Kefir oder Sauer­milch) zugege­ben, so entsteht bei Zimmer­tem­pe­ra­tur in ca. 12 Stunden Quark, aus dem Käse (Quargel, Handkäs) erzeugt werden kann. Die Säuerung der Milch konnte im Mittel­meer­raum auch durch Hinzu­fü­gen von Feigen­saft oder Feigen­blät­tern beschleu­nigt werden.

2b.) Gibt man aber Lab (coagu­lum) zu, das aus dem Magen von Kälbern und dem Labkraut gewon­nen wird, so wird die Milch nach ca. 8 Stunden fest.

3.) Die festge­wor­de­ne Milch wird mit einem Messer kreuz­wei­se einge­schnit­ten, damit sich die Molke von dem Frisch­kä­se trennt.

4.) Die Molke wird nun abgegos­sen, die festen Bestand­tei­le werden in ein Leinen­tuch gegeben, das entwe­der in Körben ausge­preßt werden kann oder durch Aufhän­gen langsam von der Molke getrennt wird. Das Endpro­dukt ist Frisch­kä­se, der je nach Trock­nungs­grad die Konsis­tenz von Hütten­kä­se bis hin zu festen Fladen haben kann.

5a.) Der Frisch­kä­se wird wieder in die Reibschüs­sel gegeben und unter Zugabe von Knoblauch und Kräutern zu moretum verar­bei­tet (s. u.) und sofort verzehrt.

5b.) Zur kurzfris­ti­gen Konser­vie­rung (ca. 2 — 3 Monate) wird der Frisch­kä­se zu Kugeln geformt und in Salzla­ke oder Oliven­öl eingelegt.

5c.) Sollte auf länge­re Zeit konser­viert werden, so wurde Salz zugege­ben und der Käse zu Laiben geformt. Kühl gelagert, entsteht Hartkä­se. Aber auch die Konser­vie­rung durch Rauch im Rauch­fang über dem Herd war gebräuchlich.

6.) Selbst der Hartkä­se wurde zum Genuß meist wieder gerie­ben und mit Gewür­zen und Kräutern versetzt.

Ergeb­nis des Versuchs
Der Vorteil der Reibschüs­sel besteht nun darin, daß die in den Boden einge­brann­ten Quarz­par­ti­kel die Käsebak­te­ri­en aus dem Lab nach dem Abgie­ßen der Molke zurück­hal­ten. Läßt man ein wenig Molke in der Schüs­sel zurück, so wird der Vorgang der Verkä­sung mit der nächs­ten Frisch­milch­fül­lung erneut in Gang gesetzt.

Aus den prakti­schen Überle­gun­gen heraus wäre also die Käseher­stel­lung in Reibschüs­seln durch­aus ein mögli­cher Verwen­dungs­zweck, der dem ursprüng­li­chen, dem Zerrei­ben von Kräutern/Gemüse/Käse/sonstiger Nahrung nicht wider­spre­chen würde. Wäre es nicht denkbar, daß die Provin­zia­len neben den Vorzü­gen von feinge­würz­ter Nahrung auch eine andere Möglich­keit der Verwen­dung von Reibschüs­seln erkann­ten, der so südlich der Alpen bis zum Beginn des 2. Jahrhun­derts nicht gebräuch­lich war? Hierin könnte die Erklä­rung liegen, warum antike Schrift­stel­ler keinen anderen Zweck der Gefäße als das Reiben und Zersto­ßen erwähnen.

Oberkochen

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte