Seit belegt ist, daß der »Bilzhan­nes« Matthi­as Wieden­hö­fer hieß, wird mir keine Frage so häufig gestellt wie die: Wie kommt es, daß der »Bilzhan­nes« »Matthi­as« und nicht »Hannes« oder »Johan­nes« hieß?

Erst seit 1989 wissen wir, daß der »Bilzhan­nes« keine Sagen­ge­stalt ist, sondern wirklich gelebt hat und zudem ein urkund­lich nachweis­ba­rer Oberko­che­ner Bürger ist. Leider heißt er nicht »Hannes« mit Vorna­men. Der Frage, wie das kommt, bin ich schon in den BuG-Berich­ten 82 und 83 im Septem­ber 1989 nachge­gan­gen. Inzwi­schen haben sich weite­re Bewei­se gefun­den, die die damali­ge Erklä­rung untermauern.

Zur Vorge­schich­te:
Zu Beginn des 19. Jahrhun­derts fanden im Albuch fast alljähr­lich könig­li­che Jagden statt. König Fried­rich von Württem­berg regier­te von 1806 bis 1816 — die Jagden sind bis 1814/15 belegt. Die Jagd, die den »Bilzhan­nes« aus Oberko­chen berühmt gemacht hat, fand im Winter des Jahres 1810/11 statt, und zwar noch 1810. Die Jahres­zahl 1810 ist in der Sage vom »Bilzhan­nes« genannt und geschicht­lich belegbar.

Beleg­bar ist ferner, daß zu den könig­li­chen Jagden, die schon monate­lang vorher organi­siert werden mußten, die Flurschüt­zen des ganzen Albuchs und der Umgebung als Treiber hinzu­ge­zo­gen wurden, schon weil sie mit den örtli­chen Gegeben­hei­ten vertraut waren.
Es stellt sich also die Frage: »Wer war im Jahr 1810 Flurschütz in Oberkochen«?

Antwort: Es gab derer zwei.

Zum Zeitpunkt, als die könig­li­che Jagd im Novem­ber des Jahres 1810 längst festge­legt war, ist der katho­li­sche Oberko­che­ner Bürger »Johan­nes Maier« genannt. Aus dem katho­li­schen Famili­en­re­gis­ter geht hervor, daß »Johan­nes Maier« am 9. August 1770 in Unter-Urbach geboren wurde und am 26. Juli 1796 heira­te­te. Von entschei­den­der Bedeu­tung ist der Sterbe­tag des »Johan­nes Maier«.

Der Sterbe­ein­trag lautet:
»Johan­nes Maier II, Bürger, Schuh­ma­cher und Waldstrei­fer, gestor­ben am 6. August 1810 im Alter von 40 Jahren weniger 2 Tage an der Dörr- und Lungensucht.«

Oberkochen

Offen­bar sah sich der Oberko­che­ner Gemein­de­rat durch die genann­te Krank­heit des Bilzhan­nes-Vorgän­gers »(Jo)-Hannes Maier« schon vor dessen Tod veran­laßt, für die im Novem­ber 1810 bevor­ste­hen­de könig­li­che Jagd »prophy­lak­tisch einen voll einsatz­fä­hi­gen Waldstrei­fer, oder, wie es dann hieß, »Flurer«, zu bestel­len. Ein Treiber, der an »Dörr- und Lungen­sucht« litt, konnte seiner Aufga­be nicht gerecht werden. Deshalb wurde der Nachfol­ger vom »Hannes« bereits am 17. Febru­ar 1810 durch Gemein­de­rats­be­schluß bestimmt. Auszu­schlie­ßen ist nicht, daß der Name des Waldstrei­fers »Hannes« aus der Oberko­che­ner Bilz in den könig­li­chen Akten weiter­ge­führt und nicht durch den Namen Matthi­as Wieden­hö­fer ersetzt wurde, weil der kurzfris­ti­ge Wechsel nicht bis nach Stutt­gart durch­ge­drun­gen war.

In § 27 des Proto­kolls zu dieser Sitzung vom 17. Febru­ar 1810 heißt es: »Mattes Wieden­hö­fer, Bürger und Weber allhier, wird als Gemein­de-Flurer auf Wohlver­hal­ten, gegen eine jährli­che Beloh­nung von dreißig Gulden, aufgestellt .…«

Oberkochen

Mattes (auch Mathi­as, Matthi­as, Matthä­us u. a.) Wieden­hö­fer (auch Widen­hö­fer) ist am 25. Juni 1780 als Sohn des Johann Georg Wieden­hö­fer in Oberko­chen geboren. Als er vom Gemein­de­rat zum Flurer bestellt wurde, war er also gerade 30 Jahre alt und wohl keines­wegs eine fürch­ter­li­che und schreck­erre­gen­de Erscheinung.

Wir schlie­ßen nun, daß der Name seines Vorgän­gers, (Jo)-Hannes Maier, den man mit Sicher­heit auch schon »Bilzhan­nes« nannte, auf Matthi­as Wieden­hö­fer übertra­gen wurde. »Bilzhan­nes war somit zu einer Art Berufs­be­zeich­nung für den Hüter des Gemein­de­wal­des in der Bilz geworden.

Einen weite­ren Beweis dafür, daß Matthi­as Wieden­hö­fer der »Bilzhan­nes« ist, liefert der Primär­ka­tas­ter von 1830, der den Flurschütz Mathä­us Wieden­hö­fer als Besit­zer des Grund­stücks ausweist, das westlich an das Bilzhaus angrenzt.

Oberkochen

Erstaun­lich, ja unver­ständ­lich ist, daß das Bilzhaus, dessen Grund­mau­ern der Heimat­ver­ein unter meiner Leitung und nach Anwei­sun­gen des Landes­denk­mal­am­tes in den Jahren 1989, 1990 und 1996 freige­legt hat, und das immer­hin die statt­li­chen Abmes­sun­gen von 17,30 m auf 12,70 m aufweist, anläß­lich der ersten Landes­ver­mes­sung im Jahr 1830 nicht in die Urkar­te aufge­nom­men wurde, denn das Gebäu­de wurde bis zu diesem Zeitpunkt, wenn auch im Zerfall befind­lich. (es stammt aus dem 17. Jahrhun­dert und war von öster­rei­chi­schen Einwan­de­rern nach dem 30jährigen Krieg erbaut worden), noch spora­disch benützt. Matthi­as Wieden­hö­fer war 1830 50 Jahre alt und starb 1840 kinder­los. Er war ein sehr begehr­ter Taufge­vat­ter, und, daß es ihn im Alter immer wieder in die Bilz, »seinen« abgele­ge­nen Wald, gezogen hat, ist leicht nachzu­voll­zie­hen. Es began­nen sich Anekdo­ten um ihn zu ranken, ihn, der in der Bilz vom König höchst­per­sön­lich besucht worden war, und ihn, dem der König fürs Bilzhaus einen neuen gußei­ser­nen Ofen aus Königs­bronn spendiert hatte — aus ihm wurde nun der unheim­li­che Kinder­schreck und der Waldmensch, der den Teufel beschwor. Wenn es ihm danach war, dann übernach­te­te er in dem alten zerfal­len­den Bilzhaus, wenngleich er als Flurer eine Wohnung im Rathaus zur Verfü­gung hatte und irgend­wann zwischen 1830 und 40 nachweis­lich ins väter­li­che Haus ins Hasen­gäß­le zurück-umgezo­gen ist.

Ihn umgab die Glorie des Königs­be­suchs bis zu seinem Tod — und, daß er öfters einen über den Durst getrun­ken hat, berich­tet die Sage sicher nicht ganz aus dem hohlen Bauch heraus.

Im evange­li­schen Todten­buch ist vermerkt, daß Matthi­as Wieden­hö­fer, auf den der Name seines Vorgän­gers überge­gan­gen war, und der zum eigent­li­chen »Bilzhan­nes« gewor­den war, 1840 starb, im Alter von »60 Jahren, 1 Monat und 16 Tag an Brech­ruhr und Nerven­schlag«. Vielleicht hat er nach dem Brannt­wein ein verdor­be­nes Wasser aus der »Bilzhül­be« erwischt.

Dietrich Bantel

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte