Auf meinen Bericht vom 23.8.1996 (No. 275) wurde ich mehrfach darauf­hin angespro­chen, daß es nicht sein könne, daß, wie von mir festge­stellt, das Gebäu­de »Heiden­hei­mer­stra­ße 56« (»Langgass 56«) das Wiedenhöfer’sche Stamm­haus und damit das Geburts­haus des Matthi­as Wieden­hö­fer (Flurschütz durch Gemein­de­rats­be­schluß vom 17. 2. 1810 und »Bilzhan­nes) ist, weil in der Urnum­mern­kar­te von 1830 im Haus 56 ein »Feil Joseph« als »Inwoh­ner« geschrie­ben steht.

Der Grund für diesen schein­ba­ren Wider­spruch besteht darin, daß die Zweif­ler unberück­sich­tigt lassen, daß der Bericht der Wieden­hö­fer-Nachfahrn fast 100 Jahre nach der Urkar­ten-Numme­rie­rung von 1830, nämlich während des III. Reichs spielt, und die Gebäu­de­num­mern sich zwischen­zeit­lich mehrfach verän­dert haben. Herr Hersa­cher vom Staat­li­chen Vermes­sungs­amt in Aalen war so freund­lich, uns die Jahre zu benen­nen, in welchen Verän­de­run­gen der Urnum­mern vorge­nom­men wurden.

Ein großer Teil der Verän­de­run­gen geht aus dem Besitz­ka­tas­ter von 1830 hervor, in welchem für das Gebäu­de No. 7 folgen­de späte­re Numme­rie­run­gen nachge­tra­gen sind: No. 8, No. 10 und Heiden­hei­mer Straße No. 56.

Die Durch­num­me­rie­rung in der Urnum­mern­kar­te begann am Ortsaus­gang Richtung Königs­bronn auf der rechten Straßen­sei­te mit 1, verlief unter Einbe­zie­hung rückwär­tig gelege­ner Gebäu­de durch­ge­hend bis zum Ortsaus­gang Richtung Unter­ko­chen, sprang dort auf die andere Straßen­sei­te um und zählte dort wieder Richtung Königs­bronn durch bis 130.

Dies war die Numme­rie­rungs­pra­xis, wie sie in allen Straßen­dör­fern üblich war.
Von wann bis wann galten nun die verschie­de­nen Nummerierungen?

1) Die Urnum­me­rie­rung galt ab 1830.
1830 steht das 1762 errich­te­te Wiedenhöfer’sche Haus als Gebäu­de No. 7 geschrie­ben. Zu dieser Zeit sind diesem Gebäu­de zuzuwei­sen:
a) Wieden­hö­fer Martin, Weber (?)(s.h.)
b) Wieden­hö­fer Jakob (Johann Jakob), Weber
c) einige Zeit nach 1830, auf jeden Fall vor 1840 nachge­tra­gen: »neu Matth. Wiedenhöfer«

Matthi­as Wieden­hö­fer, Flurschütz und »Bilzhan­nes«, lebte von 1780 bis 1840. Daraus kann geschlos­sen werden, daß der Flurschütz, der noch 1830 eine »Dienst­woh­nung« im Rathaus, damals Gebäu­de 26, bewohn­te, vor seinem Tod ins Wiedenhöfer’sche Stamm­haus Gebäu­de No. 7 zurück-um-gezogen ist. Da er an »Brech­ruhr und Nerven­schlag« starb, kann angenom­men werden, daß er das Amt des Flurschüt­zen nicht bis zu seinem Tod ausge­übt hat, da er sonst bis zu seinem Tod die »Dienst­woh­nung« im Rathaus bewohnt hätte.

2) Die Zweit­num­me­rie­rung
Wann sich die Gebäu­de­num­me­rie­rung von No. 7 auf No. 8 verän­der­te, ist bislang nicht nachweis­bar, jedoch auch nicht von beson­de­rem Inter­es­se. Fest steht, daß die Umnum­me­rie­rung zwischen 1830 und 1875 statt­ge­fun­den hat, 1875 wird die Gebäu­de­num­mer bereits auf No. 10 umgeändert.

3) Die Dritt­num­me­rie­rung
Sie galt von 1875 bis 1941.
Sie zählte die Gebäu­de noch immer nach dem Prinzip der Durch­num­me­rie­rung der Gebäu­de auf der Urnum­mern­kar­te von 1830, aber bezog erneut die inzwi­schen entstan­de­nen Neubau­ten mit in die fortlau­fen­de Numme­rie­rung ein. Das Wiedenhöfer’sche Haus erhielt 1875 die Gebäu­de­num­mer No. 10.

4) Die »straßen­wei­se Numme­rie­rung«
Die »straßen­wei­se Numme­rie­rung« wurde 1941 einge­führt. Im Zuge dieser Änderung erhielt das Gebäu­de No. 10 jetzt die neue Bezeich­nung »Heiden­hei­mer Straße 56«. Da für die Heiden­hei­mer Straße noch lange Zeit die alte Bezeich­nung »Langgass« benützt wurde, (Aalener Straße = Kirch­gass), lief das Gebäu­de auch unter der Bezeich­nung »Langgass 56«.

In den Unter­la­gen der Gebäu­de­brand­ver­si­che­rung von 1942 wird das Wiedenhöfer’sche Gebäu­de, 1942 Wannen­wetsch, als »Heiden­hei­mer Straße, Gebäu­de 56, bisher 10« geführt.

5) Erwei­te­rung des Straßen­net­zes nach dem 2. Weltkrieg

Sukzes­si­ve wurden nach dem 2. Weltkrieg durch eine gewal­ti­ge Bautä­tig­keit zusätz­li­che Straßen­na­men notwen­dig. So wurde die ursprüng­lich zum »Hinter­land« der Heiden­hei­mer Straße rechts und links der recht­wink­lig von ihr abzwei­gen­den Gasse, also die Richtung Firma Carl Zeiss führen­de Verbin­dung zum »Jäger­gäss­le«, im Jahr 1962 in »Hasen­gäss­le« umbenannt. In dieser 5. Änderung erhielt das alte Wiedenhöfer’sche Haus nun die Bezeich­nung »Hasen­gäß­le 6«.

Inter­es­sant ist, daß das Gebäu­de »Hasen­gäß­le 6« in einer Bauge­neh­mi­gung aus dem Jahr 1953 mit der Bezeich­nung »Gebäu­de 56, Hasen­gäß­le«, geschrie­ben steht, was besagt, daß die Bezeich­nung »Hasen­gäß­le« bereits 9 Jahre vor der offizi­el­len Einfüh­rung dieses Straßen­na­mens verwen­det wurde.

Es ergibt sich also, daß für das Wiedenhöfer’sche Haus (heute Grupp) seit 1830 fünf verschie­de­ne Numme­rie­run­gen gegol­ten haben:

1) von 1830 bis ? : Gebäu­de No. 7
2) von ? bis 1875: Gebäu­de No. 8
3) von 1875 bis 1941: Gebäu­de No. 10
4) von 1941 bis 1962: Gebäu­de Heiden­hei­mer Straße 56 (Langgass 56)
5) ab 1962: Gebäu­de Hasen­gäß­le 6
Zwischen 1941 und 1962 ist eine 6. Bezeich­nung, Hasen­gäß­le 56, belegbar.

Es darf also vermerkt werden, daß kein Wider­spruch darin besteht, wenn unsere Infor­man­tin, Frau Luitgard Hügle geb. Grupp (Itali­en), und ich feststel­len, daß das Wiedenhöfer’sche Haus im 2. Weltkrieg die Gebäu­de­num­mer »Heiden­hei­mer­stra­ße 56« hatte und laut Urnum­mern­kar­te von 1830 im Gebäu­de No. 56 ein »Feil Joseph« gewohnt hat: Es handelt sich, wie bewie­sen wurde, um 2 völlig verschie­de­ne Gebäu­de. Das Gebäu­de No. 56 der Urnum­mern­kar­te von 1830 liegt im Katzen­bach. Es wäre ja auch höchst verwun­der­lich, wenn Frau Luitgard Hügle, deren Urgroß­mutter mit Mädchen­na­men Maria Magda­le­na Wieden­hö­fer hieß und den aus Zang stammen­den Bäcker­meis­ter David Wannen­wetsch gehei­ra­tet hat, sich nicht der Hausnum­mer ihrer Oberko­che­ner Heimat erinnern würde: Heiden­hei­mer Straße 56. David Wannen­wetsch heira­te­te in das Wiedenhöfer’sche Haus hinein. Dieses Haus nannte man auch das »Weber­haus«. weil die Wieden­hö­fers allesamt den Beruf des Webers ausüb­ten, selbst der »Bilzhan­nes«, Matthi­as Wieden­hö­fer, hatte, ehe er Flurschütz (Flurer, Fluer) wurde, den Beruf des Webers ausge­übt oder zumin­dest erlernt. Wir entsin­nen uns: Im Jahr der »König­li­chen Jagd«, 1810, war der »Bilzhan­nes« erst 30 Jahre alt. In der Urnum­mern­kar­te von 1830 werden noch weite­re Wieden­hö­fers als Hausbe­sit­zer ausgewiesen:

Gebäu­de No. 7: Wieden­hö­fer Martin (?*), (Johann) Jakob, neu Matthi­as
Gebäu­de No. 26: Wieden­hö­fer Matthi­as
Gebäu­de No. 47: Wieden­hö­fer Melchi­or (Bruder von Matthi­as)
Gebäu­de No. 74A: Wieden­hö­fer (Johann) Jakob
(?*) der Name Wieden­hö­fer Martin konnte bislang weder im Geburts­re­gis­ter noch in den Tauf‑, Ehe- oder Sterbe­bü­chern aufge­fun­den werden. Es ist nicht auszu­schlie­ßen, daß es sich hier um einen Eintra­gungs­irr­tum handelt, und daß als Besit­zer statt »Martin« »Matthi­as« stehen müßte.

Dieses Rätsel ist bis heute ungelöst. Fest steht, daß Matthi­as Wieden­hö­fer (Bilzhan­nes) dieses Gebäu­de zwischen 1830 und 1840 wiederbezog.

Die Gebäu­de­brand­ver­si­che­rung von 1942 erfaß­te sämtli­che damals bestehen­den Oberko­che­ner Gebäu­de auch alters­mä­ßig. Beim Wiedenhöfer’schen Haus finden sich für Wohnhaus und Wohnhaus­an­bau die Alters­an­ga­ben ca. 180 Jahre und ca. 100 Jahre. Das heißt, daß der ältere Teil im Jahr 1762, der neuere Teil 1842 erbaut wurde — ungefähr. (Meist sind die Gebäu­de älter als seiner­zeit angege­ben). Das Jahr 1762 bedeu­tet, daß das Wiedenhöfer’sche Weber­haus bereits stand, als der Vater des Bilzhan­nes, von Essin­gen kommend, im Jahre 1779 in dieses Haus einhei­ra­te­te. Die Eltern des Bilzhan­nes hießen Johann Georg Wieden­hö­fer und Katha­ri­na Wieden­hö­fer geb. Merz (Merzin).

Unzutref­fend sind die Angaben von Kuno Gold im Heimat­buch auf Seite 364, wo er schreibt, daß der Name Wieden­hö­fer mit der Heirat von Johann Georg Wieden­hö­fer im Jahr 1779 zum ersten Mal in Oberko­chen auftaucht. Im »Todten­buch« der ev. Kirchen­ge­mein­de entdeck­te ich den 1726 gebore­nen »Balthas Wieden­hö­fer«, der 1768 »an der Colic« starb. Er hatte 3 Jahre zuvor, 1765, in Oberko­chen eine Maria Regina Wiedmann gehei­ra­tet. Eine Verwand­schaft zu den späte­ren Oberko­cher Wieden­hö­fern läßt sich über die Oberko­che­ner Bücher bislang nicht, wahrschein­lich aber über die Essin­ger Bücher feststellen.

Ferner konnte ich außer den beiden von Kuno Gold genann­ten Wieden­hö­fern, die nach den USA auswan­der­ten, 3 weite­re Träger des Namens Wieden­hö­fer feststel­len, die alle im Lauf der 2. Hälfte des 19. Jahrhun­derts in die USA auswanderten.

Da keine männli­chen Träger des Namens Wieden­hö­fer in Oberko­chen blieben, starb der Name Ende des 19. Jahrhun­derts aus und somit auch die direk­te Verbin­dung zum »Bilzhan­nes«. Zum »Verges­sen« trug auch bei, daß der »Bilzhan­nes« Matthi­as Wieden­hö­fer zwar verhei­ra­tet war, die Ehe jedoch kinder­los blieb. Erst im letzten Jahr konnte die Verbin­dung über die Maria Magda­le­na Wieden­hö­fer wieder­her­ge­stellt werden.

Das Wiedenhöfer’sche Stamm­haus aber ist das Gebäu­de, daß 1830 als Gebäu­de No. 7 »auf dem Kies« ausge­wie­sen ist, und das zu diesem Zeitpunkt schon 68 Jahre stand.

Die »Dinge« liegen also nicht ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht — und deshalb: Herzli­chen Dank an Herrn Hersa­cher vom Staat­li­chen Vermes­sungs­amt Aalen für eine Nachhil­fe­stun­de in Sachen »Oberko­che­ner Hausnummern«.

Dietrich Bantel

Oberkochen

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