Viele Leser unserer heimat­kund­li­chen Serie »Oberko­chen — Geschich­te, Landschaft, Alltag« werden sich an die zahlrei­chen Berich­te erinnern, die wir schon im Zusam­men­hang mit dem Luftan­griff auf den KZ-Häftlings­zug vom 1. April 1945 veröf­fent­licht haben, (Berich­te 177, 178 und 181 im Jahre 1992 im Amtsblatt BuG und den Bericht im Heimatbuch).

Eine offene Frage war, ob verletz­te KZ-Häftlin­ge tatsäch­lich von Oberko­chen nach Aalen ins Kranken­haus trans­por­tiert worden sind.

Nun hat mir Herr Stadt­ar­chi­var Dr. Schurig von der Stadt Aalen einen Beleg verschafft, der auf der einen Seite diese Tatsa­che belegt, anderer­seits aber zahlrei­che wichti­ge Fragen sehr ungenau oder gar nicht beant­wor­tet. Auch Herr Dr. Schurig bezeich­net diese bislang einzig bekann­te schrift­li­che Zeitquel­le als »äußerst mager«. (Hugo Theurer, Aalen im Zweiten Weltkrieg).

Ich habe die fragli­che Passa­ge aus dem nach dem Krieg erschie­ne­nen Bändchen von Hugo Theurer über die Kriegs­er­eig­nis­se in Aalen, die wir hier abdru­cken, Herrn Ernest Gillen, einem ehem. Häftling, der den Trans­port überlebt hat und heute in Howald/Belgien wohnt, dennoch zukom­men lassen.

Er antwor­tet uns und stellt uns wichti­ge Fragen, die immer noch offen sind. Die entschei­den­de Frage lautet: Wer kann bezeu­gen, daß bei dem Luftan­griff Verletz­te mit Wissen der Trans­port­lei­tung ins Lazarett nach Aalen einge­lie­fert worden sind.

Immer­hin ist bewie­sen, daß die Oberko­che­ner, die mir berich­tet haben, daß Verletz­te nach Aalen abtrans­por­tiert wurden, offen­bar recht haben. Herr Gillen ist jedoch nur gehol­fen, wenn wir in der entschei­den­den Frage weiterkommen.

Hier zunächst der Wortlaut des Textes von Hugo Theurer, danach der volle Wortlaut des Briefs von Herrn Ernest Gillen vom 17. Januar 1997:

Ein Trans­port­zug von politi­schen Häftlin­gen wurde zwischen Unter- und Oberko­chen mit Bordwaf­fen beschos­sen und zwei Tote und etliche Verletz­te ins Lazarett nach Aalen einge­lie­fert. Die Toten wurden am Oster­diens­tag auf dem Aalener Fried­hof beigesetzt, ohne daß ihre Namen festge­stellt werden konnten.

Ich danke Ihnen ebenfalls für Ihre Wünsche und beson­ders für Ihre Bemühun­gen Klarheit über die Frage von der Überstel­lung von verletz­ten Häftlin­gen in ein Lazarett in Aalen zu schaffen.

Oberkochen

Erlau­ben Sie mir, daß ich noch folgen­de Bemer­kun­gen u.a. zu den Angaben von Herrn Hugo Theurer in seinem Beitra­ge »Aalen im 2. Weltkrieg« mache. Diesel­ben sind mir etwas ungenau. Herr Theurer spricht von einem Angriff zwischen Unter- und Oberko­chen, während der Angriff ohne Zweifel im Bahnhof Oberko­chen statt­fand. Er gibt nicht an, wann die beiden weite­ren Toten — laut amtli­chen Unter­la­gen starben in Oberko­chen 8 Leute und 8 Leute wurden auch dort beerdigt — und auch die Verletz­ten nach Aalen kamen. Handelt es sich bei den Aalener Häftlin­gen gegebe­nen­falls um solche, die geflüch­tet waren und erst nach der Abfahrt des Zuges aufge­fun­den wurden und wovon mögli­cher­wei­se 2 starben? Kamen diese Häftlin­ge überhaupt aus Oberko­chen? Können sie sich zu anderen Häftlings­trans­por­ten gehört haben, die um die selbe Zeit angegrif­fen wurden und bei denen es Tote und Verletz­te gab?

Meine Beden­ken über eine Überstel­lung von Verletz­ten Häftlin­gen in ein Lazarett bezie­hen sich selbst­ver­ständ­lich nur auf solche Häftlin­ge, die von der Trans­port­lei­tung wissent­lich in Oberko­chen zurück­ge­las­sen und von dort in ein Lazarett einge­lie­fert wurden. Daß Häftlin­ge, die geflüch­tet waren oder aus irgend einem Grunde erst nach der Abfahrt des Zuges entdeckt wurden, nicht nach Dachau weiter­ge­lei­tet wurden und daß sie in ein Lazarett einge­lie­fert wurden, fand und finde ich, damals wie heute, durch­aus normal. Wenn hinge­gen verletz­te Häftlin­ge von der Trans­port­lei­tung absicht­lich in Oberko­chen zurück­ge­las­sen worden wären, wäre dies bestimmt gegen jede SS-Vorschrift gewesen. Daß die Trans­port­lei­tung so gehan­delt hätte, kann ich eben nicht glauben, es sei denn ich hätte hierzu viel handfes­te Bewei­se. In diesem Falle verdien­ten die Verant­wort­li­chen noch nachträg­lich sogar unseren Dank, und ich würde mich bestimmt nicht daran vorbei­drü­cken.
Mit freund­li­chen Grüßen
Gillen

Wir veröf­fent­li­chen eine von Herrn Ernest Gillen vor langer Zeit gefer­tig­te Erinne­rungs­skiz­ze — die als wichtigs­tes Fakt zeigt, daß — sollte die Zahl der Wagen zutref­fen — im Bereich der zweiten Hälfte des Zugs »aufge­sta­pel­te Eisen­blech­rol­len« lagen, und zwar auf der Seite gegen den Ort bei »Häusern und Gärten«. Hier sind mit an Sicher­heit grenzen­der Wahrschein­lich­keit die Kaltband­rol­len der Firma »Röchling-Kaltwalz­werk« gemeint.

Wie von den Oberko­che­ner Zeitzeu­gen beschrie­ben, zeigt Herr Gillen ebenfalls, daß die KZ-Häftlin­ge und Wachpos­ten nach beiden Seiten aus dem Zug sprangen.

Dietrich Bantel

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