Die beiden voraus­ge­hen­den Berich­te zum Thema schil­der­ten, wie staat­li­che und kommu­na­le Stellen, vor allem aber die Hafner selbst sich im Jahre 1879 bemüh­ten, das durch die einset­zen­de Indus­tria­li­sie­rung gefähr­de­te Töpfer­hand­werk in Oberko­chen lebens­fä­hig zu erhal­ten. Machen wir nun einen zeitli­chen Sprung in das Jahr 1901 und folgen einem Bericht der Aalener »Kocher-Zeitung« vom 13. März 1901, der sich mit dem Zustand des Oberko­che­ner Töpfer­hand­werks befaßt.

1901: Bestands­auf­nah­me
»Es sind z. Zt in Oberko­chen 18 selbstän­di­ge Hafner­meis­ter tätig, aber in letzter Zeit sind mehre­re Hafne­rei­en einge­gan­gen«, so lautet der Kernsatz einer Erhebung, die Lehrer Schnei­der im Jahre 1901 für die katho­li­sche Handwer­ker­ver­ei­ni­gung durch­ge­führt hatte. Weiter ist dort zu lesen: »Durch­schnitt­lich sind 20 Gesel­len beschäf­tigt, Frauen und Töchter, die mithel­fen, darf man mit ca. 40 rechnen, Kinder, welche zum Austra­gen, Einpa­cken, Glasur­ma­chen und Erdeher­rich­ten nach der Schule verwen­det werden, ca. 54«. Werden Pferde­be­sit­zer hinzu gerech­net, »die durch den Fuhrlohn das Jahr über ein von den Hafnern schönes Stück Geld verdie­nen«, so leben im Jahre 1901 immer­hin rund 150 Oberko­che­ner weitge­hend von der Hafnerei.

Hohe Kosten
Jeder Hafner­meis­ter verar­bei­tet im Durch­schnitt jährlich 700 Ztr. Toner­de, also müssen pro Jahr etwa 13.000 Ztr. Erde in nahezu endlo­sen Fuhren angelie­fert werden. Der württem­ber­gi­sche Staats­wald birgt auf dem nur 3 Kilome­ter entfern­ten Zahnberg »vorzüg­li­che Toner­de, die aber aus teils bis zu 45 Meter tiefen Schäch­ten gegra­ben wird« (über das Gruben­un­glück auf dem Zahnberg im Jahre 1844 berich­tet der BuG-Bericht 157/1992). Im fürst­li­chen Bereich des »Zeller­hau« liegt zwischen Roten­sol und Ochsen­berg ein zweites Abbau­ge­biet für Toner­de. Doch ist dieses etwa 15 Kilome­ter vom Ort entfernt und der Trans­port des Rohma­te­ri­als von dort ist nur in einer Tages­fahrt zu bewerkstelligen.

Der Holzbe­darf pro Betrieb beläuft sich auf rund 100 Raumme­ter Buchen- oder Birken­holz. Zwar liefert der eigene Wald einiges Holz, aber »ein großer Teil des benötig­ten Brenn­stoffs wird aus den Waldun­gen des Fürsten von Thurn und Taxis angefah­ren, insge­samt gehen also jährlich 1800 Raumme­ter Holz in Flammen auf«. Für Glasu­ren werden außer­dem jährlich noch etwa 500 Zentner der entspre­chen­den Stoffe benötigt, welche zum Teil von weit entfernt bezogen wurden (das Rhein­land und Schle­si­en, ja sogar Spani­en werden als Liefer­län­der genannt). Der Umsatz pro Hafner­be­trieb beträgt etwa 4000 Mark im Jahr.

Bleifrei!
Schon als im Jahre 1879 Gewer­be­ver­ein und Zeichen­schu­le gegrün­det wurden, spiel­te das Problem der Glasur eine entschei­den­de Rolle: »Diese wäre sehr wohl bleifrei zu beschaf­fen, aber sehr kostspie­lig«, weshalb man mit anderen Metho­den experi­men­tier­te, die aber nicht das erwünsch­te Ergeb­nis brach­ten. Im Novem­ber 1892 mußte sogar laut Zeitungs­be­richt »eine Partie Hafner­ge­schirr Oberko­che­ner Ursprungs von gerichts­we­gen vernich­tet werden«, weil die Töpfe nicht den Vorschrif­ten des damals neu in Kraft getre­te­nen »Bleige­set­zes« entspra­chen, wodurch »beim Publi­kum Mißtrau­en gegen Oberko­che­ner Töpfer­ge­schir­re wachge­ru­fen und dadurch die Inter­es­sen der Oberko­che­ner Hafner­be­trie­be in hohem Grade geschä­digt wurden«.

Knack­punkt ist der Hausier­han­del
Die Glasur­fra­ge beleuch­tet nur eine Seite des Existenz­kamp­fes der Oberko­che­ner Hafner. Zwar stell­ten die in Oberko­chen neu gegrün­de­ten Indus­trie­be­trie­be, die sich ja anderen Branchen verschrie­ben hatten, keine direk­te Konkur­renz für die Hafne­rei­en dar. Aber in anderen Gegen­den des Landes kam die indus­tri­el­le Ferti­gung von Geschirr in Gang bei Preisen, mit denen die Oberko­che­ner nicht konkur­rie­ren konnten. Wesent­li­cher Hinter­grund der Schwie­rig­kei­ten des Oberko­che­ner Töpfe­r­ei­we­sens lag aber in dessen Haupt­ver­triebs­sys­tem, dem Hausierhandel.

Um die Jahrhun­dert­wen­de hatte eine »Agita­ti­on gegen den Hausier­han­del durch den mittle­ren Handels- und Gewer­be­stand« einge­setzt, die sich massiv gegen den »grassie­ren­den Geschäfts­schwin­del des Hausier­han­dels« wandte. Vor allem im Bereich des Woll- und Tuchhan­dels waren »schwin­del­haf­te Ausver­käu­fe, Wander­la­ger, Abzah­lungs­ge­schäf­te, fingier­te Auktio­nen soliden Handels­trei­ben­den« ein Dorn im Auge, denn »unter dieser Schund­in­dus­trie leidet das ganze deutsche Reich, und der Kampf des Gewer­be- und Handels­stan­des gegen sie muß ganz energisch geführt werden«. Sicher­lich teilwei­se zurecht. Aber die Bekämp­fung des Wildwuch­ses beim Hausier­han­del der anderen Branchen traf auch den ehrli­chen Oberko­che­ner Töpfe­rei­han­del ins Mark.

»Aus« durch Rohstoff­man­gel
Den entschei­den­den Stoß zum endgül­ti­gen Nieder­gang versetz­te aber dem tradi­ti­ons­rei­chen Handwerks­zweig der Rohstoff­man­gel. »Das Zahnberg­ge­biet, in welchem schon seit Jahrhun­der­ten gegra­ben wurde, ist jetzt vollstän­dig ausge­beu­tet«, so wird 1901 geklagt. Aber auch »im Zeller­hau ist nur noch so wenig Materi­al vorhan­den, daß jeweils nur ein Hafner bedient werden kann und die anderen (17 waren es noch) zurück­ste­hen müssen«.

Zwar »enthielt der fürst­li­che Hahnen­gar­ten bei Roten­sol vorzüg­li­che Erde«, aber da hatte der dorti­ge Ziege­lei­be­sit­zer die Hand darauf und er gab nur gerin­ge Mengen an fremde Hafner ab. Als die Situa­ti­on immer bedroh­li­cher wurde, wandten sich die Oberko­che­ner Hafner direkt an den Fürsten, jedoch ohne Resonanz. Darauf­hin »versuch­te eine Delega­ti­on eine Audienz bei Se. Durch­laucht zu erlan­gen«, — wieder­um vergeb­lich. Als nächs­ten Schritt setzten die Oberko­che­ner Hafner eine Bittschrift auf, die von allen Meistern unter­zeich­net wurde, um »die Erlaub­nis zur Ausbeu­tung der Hafner­er­de zu erwir­ken«. Doch die Oberko­che­ner fanden abermals kein Entge­gen­kom­men und sie mußten die bitte­re Pille schlu­cken: »Der Bedarf für die Oberko­che­ner Hafner kann nicht mehr gedeckt werden, der blühen­de Indus­trie­zweig ist in Gefahr, zugrun­de zu gehen«.

Und so war es dann auch, im Laufe der Zeit gab ein Hafner­be­trieb nach dem anderen auf und die sogenann­ten »Heiden­hei­mer Kochge­schir­re« (man hätte natür­lich auch »Oberko­che­ner« sagen können) verschwan­den vom Markt. Stein­gut und Porzel­lan, Email und Alumi­ni­um liefen irdenem Geschirr den Rang ab. Und bei Beginn des Zweiten Weltkriegs gab es (wie Alfons Mager schrieb) »ledig­lich noch zwei Hafner in Oberko­chen, die aber fast nur noch den Winter über in ihrem Handwerk tätig waren«.

Volkmar Schrenk

Oberkochen

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