Vielen Alt-Oberko­che­nern ist Karl Lense ein Begriff. Sein Name verbin­det sich mit der Hochzeit des Skilang­laufs in Oberko­chen — Ja, man sprach damals in den dreißi­ger Jahren von Oberko­chen als einer »Hochburg des nordi­schen Skisports« mit dem Schwer­ge­wicht auf dem Langlauf und dem Skispringen.

Karl Lense wurde am 12.3.1911 geboren und fiel im 2. Weltkrieg am 3.12.1943 als Gefrei­ter bei Monte Panta­no in Itali­en. Er wohnte in dem als »Pflug­gäß­le« bekann­ten Neben­sträß­le vis-a-vis des »Pflug« im Katzen­bach, wo auch das Foto entstand. Dort hinten sieht’s heute noch fast so aus wie damals vor über 60 Jahren.

Oberkochen

Als erster Träger des Namens Lense kam Karl Lenses Großva­ter Johann Lense 1879 von Iggen­hau­sen, im damali­gen Oberamt Neres­heim gelegen, nach Oberko­chen. Er war Hafner­ge­sel­le und heira­te­te in diesem Jahr die Vikto­ria Dammba­cher aus Ebnat. Die Hochzeit fand in Oberko­chen statt, wo sich das junge Paar dann auch niederließ.

Hans Gold/Lenzhalde, dem wir das nette Foto von Karl Lense, wie er mit seiner von Profes­sor Fritz Nuss geschaf­fe­nen Gipsbüs­te aus dem Fenster seines Hauses im Pflug­gäß­le heraus­schaut, verdan­ken, wußte, daß Karl Lense bei Gebr. Leitz Dreher gelernt und später bei der Firma Fritz Leitz (1945÷46 demon­tiert) gearbei­tet hat.

Willi­bald Grupp, selbst ein hervor­ra­gen­der Langläu­fer — man sieht ihn noch heute mit seinen über 80 Jahren mit zügigem langem Schritt auf der Loipe — berich­te­te, daß bei seinem Bruder Clemens Grupp, einem hervor­ra­gen­den Skisprin­ger jener Jahre, der auch zu den Siegern von 1933 in Freuden­stadt zählte, in dessen Schrei­ne­rei im Schrei­ner­gäß­le, dem Stamm­haus der Skifa­mi­lie Grupp, »super­leich­te« Langlauf­s­kier spezi­ell für die Oberko­che­ner Langläu­fer angefer­tigt wurden. Nicht ohne Stolz erzähl­te Willi­bald Grupp in diesem Sommer, daß sie, Karl Lense und er, so ungefähr gleich gut waren im Langlauf. So hin und wieder habe er den Lense sogar »versägt«: »… s’ hat oim schon guat doa, wenn mr’n wegbraocht hat, den Lense — so hälen­ga isch’s oim halt doch a gwisse Gnugduong gwä«.

Lense war von der Schule weg »saugut« im Langlauf, aber richtig aufge­fal­len ist er erst, als er aktiv in der Skiab­tei­lung des SAV wurde. Robert Wolff erinnert sich, daß die Skier des Karl Lense jahre­lang bei ihnen auf der Bühne gelegen haben; irgend­wann habe man sie anläß­lich einer Aktion aus dem Haus gegeben. Er bezeich­ne­te Lense als »leicht aufbrau­send«. Bei einem Blutspen­de­ter­min in Aalen stell­te sich heraus, daß Lense ein doppelt so großes Herz hatte, wie die »norma­len« Gleich­alt­ri­gen: Ein Sportlerherz.

Ende Febru­ar 1933 wurde Karl Lense schlag­ar­tig im ganzen Ländle und weit darüber hinaus berühmt:

Schlag­zel­len in der deutschen Presse:

  • Der zweite Schwa­ben­streich in Freudenstadt
  • Nachdem Max Fischer aus dem Schwa­ben­lan­de Deutscher Ski-Meister gewor­den, konnte sein Lands­mann Karl Lense gestern (27.2.33) den 50-km-Langlauf überra­schend gewinnen.
  • Neue Überra­schung bei den Ski-Meister­schaf­ten: 50-km-Dauer­lauf gewinnt der Schwa­be Lense
  • Ein Anfän­ger gewinnt …
  • Karl Lense / Oberko­chen (Lentze geschrie­ben) Deutscher Schimeis­ter im 50-km-Lauf

Die lokale Aalener Presse brach­te am 1. März 1933 folgen­de Notiz:

Oberko­chen, 1. März. (Sieger-Empfang) Gestern abend 1/2 11 Uhr trafen die Sieger von der Deutschen Schimeis­ter­schaft in Freuden­stadt hier ein. Böller krach­ten und die Musik­ka­pel­le hatte sich am Bahnhof aufge­stellt, umgeben von einer riesi­gen Menschen­men­ge, um den beiden einhei­mi­schen Schnee­schuh-Sport­lern, die bei der großen Konkur­renz in so glänzen­der Weise abgeschnit­ten haben, einen freudi­gen Empfang zu berei­ten. Unter den Anwesen­den bemerk­te man auch Bürger­meis­ter Frank von hier. Nachdem 2 kleine Sport­le­rin­nen der Schnee­lauf-Abtei­lung des Schwäb. Albver­eins ihre Blumen­grü­ße überreicht hatten, ging es unter den Klängen der Kapel­le und unter dem Schein von Fackeln ins Lokal zum »Hirsch«. Dort begrüß­te der Vorstand der hiesi­gen Ortsgrup­pe des Schwäb. Albver­eins, Fabri­kant Fritz Leitz, die beiden Sieger in herzli­chen Worten. Darauf erzähl­te Karl Lentze von seinem 50 Kilome­ter-Lauf, während Clemens Grupp über den Sprung­lauf berich­te­te. Von auswärts waren Vertre­ter der Schnee­schuh-Abtei­lung des VfR Aalen erschie­nen. In deren Namen richte­te Fabrik­di­rek­tor Seyfried anerken­nen­de Worte an die Sieger unter Überrei­chung je eines Geschen­kes. Die Zeit verstrich sehr rasch und den beiden Siegern war auch die Ruhe von ihren anstren­gen­den Leistun­gen zu gönnen, deshalb trenn­te man sich bald. Mit Stolz kann die Gemein­de Oberko­chen und vor allen Dingen die Schnee­lauf-Abtei­lung der Ortsgrup­pe des Schwäb. Albver­eins auf ihre beiden »Zünfti­gen« schau­en, haben sie doch mit ihren Siegen eine große Tat für die auf der Ostalb leben­den Schnee­schuh-Sport­ler vollbracht.

Die beiden im Bericht genann­ten »kleinen Sport­le­rin­nen« waren lt. Skiab­tei­lungs-Proto­koll­buch Inge Illg und Elli Gold. Das Proto­koll verzeich­net sogar ein Gedicht, das die Mädchen beim Empfang Lenses vortrugen:

Grüß Gott, ihr beiden wackren Schwa­ben,
seid uns willkom­men hier im Ort.
Wir freuen uns, daß wir Euch haben -
Den Sieg nahmt ihr den andern fort.
Die Blumen werden Euch zum Gruße darge­bracht.
Ruht Euch nun aus von Eurer Meisterschaft.

Besucher der Skihüt­te kennen das gerahm­te Großpho­to des Karl Lense aus dem Jahr 1933.

Auf großen Umwegen erfuhr der Heimat­ver­ein von einer angeb­lich zu Bruch gegan­ge­nen und wahrschein­lich »entsorg­ten« Gipsbüs­te des Karl Lense, die 1934, ein Jahr nach dem Oberko­che­ner Langlauf­tri­umph von dem heute sehr bekann­ten Bildhau­er Profes­sor Fritz Nuss, dessen Sohn Hans Ulrich Nuss den Oberko­che­ner Bohrer­ma­cher­brun­nen geschaf­fen hat, angefer­tigt worden ist. Glück­li­cher­wei­se konnte die wertvol­le Plastik von uns unver­sehrt aufge­spürt werden.

Eine kleine Abord­nung unseres Vereins fuhr im Juni dieses Jahres mit dem Gipsmo­dell nach Strümpfel­bach, um von dem inzwi­schen 89jährigen Künst­ler, Profes­sor Fritz Nuss, etwas über sein vor 62 Jahren geschaf­fe­nes Werk zu erfahren.

Fritz Nuss erinner­te sich noch hervor­ra­gend an die näheren Umstän­de. Er war persön­lich mit Karl Lense befreun­det und ist mit ihm viel langge­lau­fen. Die Portrait­büs­te war kein Auftrag, sondern ist aus gegen­sei­ti­ger Freund­schaft entstan­den. Herr Nuss hatte 1933 seine Ausbil­dung in Stutt­gart abgeschlos­sen und war zu dieser Zeit bis 1935 freischaf­fen­der Künst­ler in Aalen, um hinter­her eine Assis­ten­ten­stel­le in Stutt­gart anzuneh­men. In Aalen steht so manches Werk von ihm — am bekann­tes­ten ist wohl die »Flöten­spie­le­rin« vor der Stadt­hal­le. Herr Nuss entsann sich, daß er einige Zeit nach der Portrait­büs­te von Lense auch noch einen »Läufer« geschaf­fen hat, für den Lense Modell stand. Dieser Läufer sei als Preis verlie­hen worden, so erinner­te sich Willi­bald Grupp, für den »Karl-Lense-Gedächt­nis­lauf«, der nach dem Krieg viele Jahre lang als 4 x 10-km-Staffel­lauf durch­ge­führt worden ist. Robert Wolff wußte zu berich­ten, daß anläß­lich eines solchen Laufs 3 Rundfunk-Übertra­gungs­wa­gen in Oberko­chen waren — einer stand beim »HJ-Heim« (heute Sonnen­berg­schu­le), ein weite­rer im Tiefen­tal bei der heuti­gen Golden­bau­er-Ranch. Maria Wolff ist übrigens in jungen Jahren auch eine begeis­ter­te Langläu­fe­rin gewesen. So kamen auch Lenses Skier ins Haus Wolff.

In der Atelier-Sammlung von Fritz/Hans-Ulrich Nuss Vater und Sohn befin­det sich noch ein Bronze­ab­guß dieses Läufers (ungefähr 40 cm hoch), den uns Prof. Nuss mit leuch­ten­den Augen zeigte.

Fritz Nuss wußte mit Sicher­heit zu sagen, daß das 43 cm große Gipspor­trait von Karl Lense nie in Bronze gegos­sen worden ist. Unsere Bemühun­gen, entspre­chen­de »Mäzene« in den Ski- und Lense-Bekann­ten-Kreisen für einen Guß zu finden, schlu­gen bislang leider fehl. (Ein Bronze­guß kostet ca. DM 2000,–). Wir haben aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben.

Einst­wei­len wird das Gipsmo­dell, das sich zur Zeit zur »kosme­ti­schen« Überar­bei­tung im Atelier Fritz/Hans Ulrich Nuss in Strümpfel­bach befin­det, einen Platz im Heimat­mu­se­um finden.

Herzli­chen Dank dem TVO und der Skiab­tei­lung für die Überlas­sung dieses für Oberko­chen insge­samt inter­es­san­ten Portraits des Deutschen Meisters über 50 km Langlauf im Jahre 1933 für unser Heimatmuseum.

An weite­rem Fotoma­te­ri­al zu Karl Lenses Leben, auch Infor­ma­ti­on über den mögli­chen Verbleib seiner Skier, sind uns willkom­men, und wir bitten um Nachricht per Telefon (7377).

Dietrich Bantel

Oberkochen

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