Das nächs­te Heft (III. Quartals­heft) der Ostalb-Kultur­zeit­schrift »ostalb/einhorn« No. 91/1996, das im Septem­ber erscheint, wird Oberko­chen gewid­met sein. Der folgen­de Bericht ist der letzte Teil einer 5teiligen Abhand­lung über die bishe­ri­gen wichtigs­ten Erkennt­nis­se zum Waldge­biet »Bilz«, wo nach dem 30jährigen Krieg öster­rei­chi­sche Einwan­de­rer angesie­delt wurden.

Marika Kämme­rer hat im Bericht 203 in BuG vom 22.10.1993 nachge­wie­sen, daß ein Weiler namens »Utzmanns­wei­ler«, später »Ottmanns­wei­ler« in der »Bilz« gelegen und 1471 »abgegan­gen« ist. Der Stamm »weiler« weist auf einen sehr alten Wohnplatz hin — d. h., daß die »Bilz« mit Sicher­heit noch manche Geheim­nis­se in sich birgt. Dies trifft auch auf die Sage vom »Bilzhan­nes« zu, derem histo­ri­schen Gehalt wir seit der Freile­gung der Grund­mau­ern des »Bilzhau­ses« in den Jahren 1989/90 ein gutes Stück näher­ge­kom­men sind.

Vom 2. — 6. Septem­ber 1996 findet eine weite­re, vom Landes­denk­mal­amt (Frau Dr. Susan­ne Arnold) geneh­mig­te Gemein­schafts­ak­ti­on zur Teil-Konser­vie­rung der Grund­mau­ern des Bilzhau­ses statt, an der sich unter Leitung des Heimat­ver­eins Oberko­chen das Staat­li­che Forst­amt mit einer inter­na­tio­na­len Jugend­grup­pe, die Stadt Oberko­chen und die Baufir­ma Wingert/Oberkochen beteiligen.

Ziel der Aktion ist es, »Bilzhaus« und »Bilzhül­be« zu einem attrak­ti­ven neuen Wander­ziel auf Oberko­che­ner Gemar­kung zu machen. Eine Infor­ma­ti­ons­ta­fel wird auf Geschich­te und Sage hinweisen.

Neues vom Bilzhan­nes
Die Sage vom »Bilzhan­nes«, dem furcht­erre­gen­den Waldstrei­fer, der anfangs des letzten Jahrhun­derts in der »Bilz« hauste und im Novem­ber des Jahres 1810 an der könig­li­chen Treib­jagd teilnahm, ist auf der Ostalb bekannt. Der »Bilzhan­nes« hat sich als beson­ders guter Treiber und vor allem durch den Besuch des Königs im »Bilzhaus« einen Namen gemacht.

Im Zusam­men­hang mit den Arbei­ten in der »Bilz« stell­te sich mir die Frage: Wer war der »Bilzhan­nes« wirklich? Die Wahrschein­lich­keit, daß er keine sagen­haf­te, sondern eine histo­ri­sche Figur war, erschien mir sehr groß, obwohl niemand in Oberko­chen für sich in Anspruch nahm, Nachfah­re des Bilzhan­nes zu sein. In dem Werk »Heiden­heim nebst Hellen­stein« von Karl Kaspar Meck von 1904 (1978 neu aufge­legt), ist unter anderen Jagden auch die von 1810 erwähnt. Dort wird erwähnt, daß die örtli­chen Feldhü­ter an den Jagden teilnah­men. Es lag deshalb nahe, heraus­zu­fin­den, wer 1810 in Oberko­chen das Amt des Feldhü­ters oder/und Waldstrei­fers innehat­te. Es war dies, so steht geschrie­ben, ein Johan­nes (Hannes) Maier aus Oberko­chen. Als Berufs­be­zeich­nung und zur Person ist im ev. »Todten­buch« u. a. angege­ben: Bürger, Schuh­ma­cher und Waldstrei­fer, hier, evange­lisch verstor­ben am 6. August des Jahres 1810, im Alter von 40 Jahren weniger 2 Tage, an der Dörr- und Lungen­sucht. Der »Bilz-Hannes« war eindeu­tig gefun­den. Diese Tatsa­che hatte jedoch den Haken, daß der »Hannes« zur Zeit der könig­li­chen Jagd im Novem­ber dieses Jahres bereits ein Viertel­jahr tot war, und außer­dem, daß sein Nachfol­ger laut Gemein­de­rats­pro­to­koll bereits am 17. Febru­ar dieses Jahres bestellt worden war — sicher­lich, weil der »Hannes« sein Amt aus gesund­heit­li­chen Gründen nicht mehr ausüben konnte. Der Nachfol­ger ist der in Oberko­chen am 25. Juni 1780 als Sohn des Johann Georg Widen­hö­fer gebore­ne »Mathi­as Widen­hö­fer« (Wieden­hö­fer mit »i« oder »ie«). Mathi­as Widen­hö­fers Ehe blieb kinder­los, indes wird er, beson­ders ab 1810, häufig als Taufpa­te genannt. Er starb im Jahre 1840 im Alter von »60 Jahr, 1 Monat und 18 Tag an Brech­ruhr und Nerven­schlag«. Zu seiner Person ist im Toten­buch angege­ben: »Bürger und Flurschütz«. Als Taufpa­te ist er häufig auch als »Bürger, Weber und Fluer oder Flurer« bezeichnet.

Wir müssen nun schlie­ßen, daß der Name des »Bilzhan­nes« Johan­nes Maier, Waldstrei­fer auf der Bilz, auf dessen Nachfol­ger Mathi­as Widen­hö­fer übertra­gen wurde: »Bilzhan­nes« war zur Berufs­be­zeich­nung für den Hüter des Gemein­de­wal­des auf der Bilz geworden.

Einen weite­ren Beweis dafür, daß Mathi­as Widen­hö­fer der »Bilzhan­nes« ist, liefert der Primär­ka­tas­ter von 1830, der den Flurschütz Mathi­as Widen­hö­fer sogar als Besit­zer des Grund­stücks um das Bilzhaus ausweist. Die Namen Widen­hö­fer und Wieden­hö­fer verschwin­den gegen Ende des 19. Jahrhun­derts aus den Oberko­che­ner Büchern. Mindes­tens 5 männli­che Träger dieses Namens sind ab 1866 in die USA ausge­wan­dert, die Mädchen heira­te­ten und trugen andere Namen.

Im Januar 1996 melde­te sich eine Alt-Oberko­che­ne­rin aus Itali­en, die unsere Berich­te gelesen und in alten Urkun­den nachge­forscht hatte, und erhob den Anspruch, eine Nachfah­rin des »Bilzhan­nes« Mathi­as Widen­hö­fer zu sein — ihre Urgroß­mutter habe als Mädchen Maria Magda­le­na Widen­hö­fer gehei­ßen und sei eine Schwes­ter zweier der nach USA ausge­wan­der­ten Widenhöfers.

Diese Spur führt, was Oberko­chen betrifft, in das alte Widenhöfer’sche Haus in der ehema­li­gen »Langgass 56«. Mehr wird nicht verra­ten: Den Alt-Oberko­che­nern genügt dieser Hinweis — der Rest darf knobeln. Das Geburts­haus des »Bilzhan­nes« ist mindes­tens bis ins Jahr 1768 nachweis­bar und war bereits von dem 1779 aus Essin­gen zwecks Heirat zugezo­ge­nen Vater des »könig­li­chen Bilzhan­nes« bewohnt. In diesem Haus lebte die später verhei­ra­te­te Schwes­ter der ausge­wan­der­ten Widen­hö­fer unter anderem Namen weiter.

Maria Magda­le­na ist die Enkelin eines Bruders des »Bilzhan­nes« namens Melchi­or und somit »a Gschwist­rigs­keed­skeed« zum »Bilzhan­nes«. Melchi­or und ein weite­rer Bruder namens Johann Jakob hatten zahlrei­che Nachkom­men, die männli­cher­seits übrigens wie der Stamm­va­ter Johann Georg allesamt den Beruf des Webers ausübten.

So kann festge­stellt werden, daß in zahlrei­chen Oberko­che­ner Nachfah­ren der Geist des »Bilzhan­nes« bis auf den heuti­gen Tag weiter­lebt, wenn auch nicht in direk­ter Linie.

Wir müssen also die Essin­ger, die in dem Buch »Alte Geschich­ten aus Essin­gen« von Georg Wiedmann, 1976 im Einhorn­ver­lag erschie­nen, den Versuch unter­neh­men, den Bilzhan­nes nach Essin­gen zu verbu­chen, arg enttäu­schen. Am schlimms­ten aber trifft es den Bürger­meis­ter von Bartho­lo­mä, der seit dem »Sagen­haf­ten Albuch­tag« am 17. April 1994 glaubt, der »Bilzhan­nes« sei ein Sohn seiner Gemein­de — ihm hat der Geist des »Bilzhan­nes« einen gewal­ti­gen Bären aufgebunden.

Der »Bilzhan­nes« war, ist und bleibt ein Oberko­che­ner, bis das Gegen­teil bewie­sen ist.

Dietrich Bantel

Oberkochen

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