5. Komp. Landwehr­re­gi­ment 2.122 — Erste Bayri­sche Landwehr Division

1. Teil / 20. August 1914 — 10. Septem­ber 1914

Von Frau Anna Posmik erhiel­ten wir freund­li­cher­wei­se die Zustim­mung zur Veröf­fent­li­chung des Kriegs­ta­ge­buchs ihres Vaters, Herrn Karl Fischer/ Napole­on (Hafner) (23.2.1880 — 14.4.1968) aus dem 1. Weltkrieg. Es beginnt am 20.8.1914 mit der Abfahrt in Zweibrü­cken und endet ca. 1 Jahr und 2 Monate später am 8. Oktober in Avricourt/Leintrey, wo Karl Fischer verwun­det, und von wo aus er 5 Tage später mit dem Lazarett­zug nach Pforz­heim trans­por­tiert wurde.

Unser Ausschuß­mit­glied, Herr Rudolf Heite­le, hat sich der mühevol­len Aufga­be unter­zo­gen, die in diesem Bericht genann­ten Orte, die zumeist so geschrie­ben sind, wie man sie spricht, zu orten (Angabe in Klammern), und so den Einsatz­be­reich nordöst­lich von Luneville ziemlich genau abzugren­zen. Herr Heite­le stell­te auch das Karten­ma­te­ri­al zur Verfü­gung, in dem wir entspre­chen­de Verdeut­li­chun­gen vorge­nom­men haben.

Der Bericht veran­schau­licht in eindring­li­cher Weise, aus heuti­ger Sicht, die Sinnlo­sig­keit des Stellungs­kriegs im 1. Weltkrieg. Die 5. Kompa­nie Landwehr­re­gi­ment 2.122, Erste Bayri­sche Landwehr Divisi­on, der Karl Fischer angehör­te, beweg­te sich 14 Monate lang einmal ein wenig vor, einmal ein wenig hinter der in unserer Karte 2 (Bericht vom 29.7.) darge­stell­ten Kampflinie.

Im Grunde genom­men hat sich in der ganzen Zeit nichts verän­dert, außer, daß …zigtau­sen­de von Menschen umgekom­men sind, auf beiden Seiten, zerstör­te Dörfer, verwüs­te­te Landschaft, Tränen .. .

In den beiden am 29.7. und am 5.8. folgen­den Fortset­zun­gen werden wir 2 weite­re Karten, in denen die Kampf­li­ni­en und viele der im Bericht genann­ten Orte markiert sind, veröf­fent­li­chen — in Überein­stim­mung auch mit dem Verein für Städtepartnerschaft.

Großer Dank gebührt unserem Mitglied, Herrn Isidor Retten­mei­er, der die handschrift­li­chen Notizen in Schreib­ma­schi­ne übertra­gen hat.

Sollten noch weite­re Oberko­che­ner Aufzeich­nun­gen vom 1. Weltkrieg, und auch vom 2., gemacht haben, so sind wir dankbar, wenn sie uns kurzzei­tig zur Verfü­gung gestellt würden.

Oberkochen

Von Zweibrü­cken abgefah­ren.
Am 20. August 1914 abends nach Hornbach, die Nacht durch­ge­fah­ren. 21. morgens ausge­la­den in Saar Union (Sarre Union). In Wibers­wei­ler kamen 500 gefan­ge­ne Franzo­sen an uns vorbei. Lauder­fin­gen war Schlacht­feld, wo wir nachts lagen.
Am 22. durch Rohrbach, wo Hunder­te von toten Deut, schen und Franzo­sen lagen.
Am 22. August Mittag­essen in Disse­lin­gen, wo alles franzö­sisch spricht. Diese Gegend gehört zu Lothringen.

In Rohrbach siehts bös aus. Hier hat der Greuel des Krieges gehaust. Arme Bewoh­ner! Hier hatten die Franzo­sen gute Stellung. Das Bayeri­sche Heer hat aber gesäu­bert, hat aber auch viel Blut gekos­tet. Zwei Bürger­meis­ter wurden erschos­sen. Sie haben den Franzo­sen unsere Stellung verra­ten. Hier ist alles ausge­plün­dert von den Franzosen.

Wir, das Landwehr­re­gi­ment, haben auch 3 harte Tage hinter uns. Wir haben kein Brot, kein Bier, keinen Wein, keine Zigar­ren. Nachts hartes Lager. Morgens und abends etwas Kaffee­brü­he, Obst, Pflau­men, gelbe Rüben, Wasser — das ist gut. Kartof­feln werden ungeschält gegessen.

Sonntag, den 23. August
Den ganzen Tag Schlacht­feld abgelau­fen, Tode begra­ben und Uniform­stü­cke zusam­men­ge­tra­gen bei Hitze, Durst und Hunger.
Den 24. August abends marschiert bis 11 Uhr nachts, matt und müde ohne Grenzen, dabei Hunger und Durst und nichts zu essen.
Den 25. August morgens los von Monkurt (Moncourt), nüchtern, ganz taub, morgens 8 Uhr über die Grenze, den ganzen lag marschiert bis zur Todes­er­mat­tung. Haufen­wei­se sind sie an der Straße gelegen. Dieser Tag läßt sich nicht beschrei­ben. Einen Acker Boden­rü­ben hat das Batal­li­on gegessen.

Die Nacht vom 25. auf den 26. August auf freiem Felde geschla­fen und gefro­ren.
Den 26. August morgens Schüt­zen­gra­ben ausge­ho­ben und darin Stellung genom­men.
Heute hab ich auch mal wieder Bier gehabt. Nun hab ich schon 3 Nächte unter freiem Himmel geschla­fen.
Bei Einwil­le (Einville) im Schüt­zen­gra­ben geschrie­ben, den 28. August 1914 morgens.

Gestern nachmit­tag, den 27. August, bin ich durch Gottes Gnade und Barmher­zig­keit vom siche­ren Tod verschont geblie­ben. 6 m von mir weg hat eine feind­li­che Kanone einge­schla­gen, ohne recht zu platzen. Dutzend­wei­se flogen die Geschos­se über unseren Köpfen, als wir im Schüt­zen­gra­ben lagen. Gott sei Lob und Preis in alle Ewigkeit.

Wie durch Gottes Wunder bin ich auch heute am 28. August von Grana­ten und Schrapnells verschont geblie­ben, obwohl Dutzen­de von Kanonen links und rechts von uns einschlu­gen. Geprie­sen sei Gott der Vater und der Sohn samt dem heil. Geist in alle Ewigkeit.

Bier gabs heut und gestern genug zu trinken, eine franzö­si­sche Braue­rei wurde als Eigen­tum der Deutschen erklärt.
Der 29. August war ein herrli­cher Tag, Arbeit keine, Essen und Trinken im Überfluß, morgens Kaffee, Wein, Weißbrot, ein Pfund Fleisch, Bier genug und guter, herrli­cher Wein.
Vom 29. abends 7 Uhr von Einwil­le (Einville) marschiert bis Sonntag morgen 3 1/2 Uhr nach Umerai (Ommer­ay), angestrengt und müde zum Zusam­men­bre­chen, schwe­rer Marsch.

Sonntag, den 30. und Montag, 31. August und Diens­tag, den 1. Septem­ber, war ich in Umerai (Ommer­ay), was wieder erträg­li­cher war, nur nichts zu trinken als Wasser, welches aber recht matt war.

Lagera­de (Lagar­de) und Diös (Dieuze) sind nicht weit von Umerai (Ommer­ay) und sind größe­re Ortschaf­ten. Die Wohnun­gen und Häuser in dieser Gegend, welche zu Lothrin­gen gehört, sind unfreund­lich und plump gebaut. Die Bauern­häu­ser sind alle sehr breit gebaut und nicht so hoch, fassen aber alle 200 — 300 Schober. Unsere Häuser daheim gehen alle der Länge nach in die hiesi­gen Häuser hinein. Ein Güllen­loch sieht man nicht, alles lauft davon. Felder haben sie riesen­groß, 20 — 30 Kilome­ter kann man überse­hen. 1000de von Morgen Weizen und Haber sind zusam­men­ge­tre­ten oder stehen überstän­dig kaputt noch draußen. Pflau­men und Zwetsch­gen gibts in Lothrin­gen und Frank­reich ohne Maß.

Heute, den 3. Septem­ber, war ich noch in Umerai (Cmmer­ay) morgens in der Kirche, wo ein Hochamt war, ein Mann sang die Messe franzö­sisch und latei­nisch. Die Kirche ist einfach, aber schön. Am 4. Septem­ber morgens beim Hochamt, ich fange schon an, franzö­si­schen Messe­ge­sang zu studie­ren im Umerai (Ommere­ay). Von Umerai (Ommer­ay) abmar­schiert am 4. Septem­ber nachmit­tags bei einer unheim­li­chen Hitze.

Vom Batail­lon sind 200 Mann vor Ermat­tung und Überan­stren­gung ausge­fal­len. Bei Henoma­ne­wil­le (Hénamé­nil) wurde auf freiem Feld übernachtet.

Samstag, den 5. Septem­ber, morgens weiter­mar­schiert bis in die Gegend von Lunewil­le (Luneville). Seit 8 Tagen wieder keinen Tropfen Bier gesehen, immer nur Kaffee­brü­he und Wasser, erbärm­li­che Armut.

Sonntag­mor­gen, den 6. Septem­ber, nach Lunewil­le (Luneville) gekom­men, die Stadt durch­stö­bert, dann wurde auch mal Sonntag in einer Wirtschaft, bei Stuhl und Tisch und tüchtig Wein getrun­ken. Das war ein schöner Tag.

Den 7. Septem­ber eine Stunde von Lunewil­le (Luneville) den ganzen Zag unter einem Nußbaum gelegen im Schat­ten und Zwetsch­gen gegessen.

Die Nacht vom 7. — 8. Septem­ber in Schate bei einer Schwes­ter auf dem Stuben­bo­den gelegen.
Den 8. Septem­ber auf dem gleichen Platz gelegen wie am 7. Sept.
Am 8. Septem­ber abends wieder nach Lunewil­le (Luneville) gekom­men. Nacht 10 Uhr alarmiert. 2 Stunden auf dem Straßen­pflas­ter hin und her gelau­fen, und dann auf hartem Straßen­pflas­ter übernach­tet, zuerst stark geschwitzt und dann gefro­ren.
Den 9. Sept. in der Wirtschaft gelegen, vom 9. auf 10. Sept. auf dem Exerzier­platz unter Zelt gelegen, als ein großes Gewit­ter kam. Der Platz wurde zum See. Wir rückten in eine franzö­si­sche Kaser­ne, nachts 1 Uhr.

(Fortset­zung folgt)

Richtig­stel­lung zu unserem Foto von der alten evange­li­schen Kirche im Bericht vom 1.7.88 (Nr. 24), BuG Seite 542:

Das Foto wurde verse­hent­lich falsch datiert. Die Aufnah­me wurde im Jahr 1949 von Herrn Rudolf Kristen auf Glasplat­te gemacht. Die Origi­nal­plat­te ist noch vorhanden.

Dietrich Bantel

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