Noch selten haben unsere heimat­kund­li­chen Berich­te ein so großes Echo hervor­ge­ru­fen wie diese aus dem damali­gen Schul­all­tag heraus­ge­grif­fe­nen Zeitdo­ku­men­te. Mit einer sehr persön­li­chen Serie von 3 Aufsät­zen beschlie­ßen wir unsere Berichts­er­ie »Schüler­auf­sät­ze von 1941−1943«. Heute gilt unser ganz beson­de­rer Dank den Verfas­sern und den in den Aufsät­zen genann­ten Oberko­che­nern für ihr Einver­ständ­nis zum Abdruck im Amtsblatt im Rahmen unserer Serie »Oberko­chen — Geschich­te, Landschaft, Alltag«, zeigen doch gerade diese persön­lich gehal­te­nen Schul­ar­bei­ten in eindring­li­cher Weise, wie tief der Krieg in die Famili­en eingriff.

Oberkochen

Willi­bald Hug (unser Foto) ist der Soldat, über den im folgen­den Aufsatz von seiner Schwes­ter berich­tet wird. Jahrgang 1919 ist er heute 77 Jahre alt. 51 Jahre nach seiner glück­li­chen Heimkehr aus dem Krieg berich­te­te er dem Heimat­ver­ein, daß er sich tatsäch­lich freiwil­lig zur Wehrmacht verpflich­ten wollte. Der Schwa­ger zum Vater habe diesen letzt­lich so weit gebracht, daß er mit 17 Jahren die väter­li­che schrift­li­che Einwil­li­gung hierzu erhal­ten habe. Fast 9 Jahre lang war er Soldat. 1936 RAD, 1937/38 Ausbil­dung in Augsburg als Funker (Luftwaffe/Bodenpersonal), 1940 Frank­reich (Norman­die), 1941 Balkan, Griechen­land, ab 1942 den ganzen Rußland­feld­zug, Nord, Süd- und Mittel­ab­schnitt, mitge­macht. Bis Kriegs­en­de in Etappen bis Berlin zurück­ge­trie­ben (Feldmar­schall Paulus). Berlin von der einen Seite her betre­ten, während Göring es auf der anderen Seite verließ. In der Nähe von Kiel inter­niert. Mit einem Kamera­den »ausge­büchst«. Über Köln, dort »geschnappt und 3 Tage geses­sen«. Inner­halb von 4 Wochen dann in die Heimat gewan­dert. Ab dem letzten Heimat­ur­laub 23 Monate an einem Stück nicht mehr zuhau­se gewesen. Der Vater erkann­te ihn im ersten Moment nach seiner Rückkehr nicht wieder, so ausge­zehrt kam er im Juli 1945 in Oberko­chen an. Die, die nicht abgehau­en sind, kamen nach England und sahen die Heimat erst wesent­lich später wieder. Willi­bald Hug kam »fascht ohgschtroift« durch all die Kriegs­jah­re — ein Handdurch­schuß, sonst nichts. »I bee halt a wengle kloinr wia dia andre, nao han dia älls vorbeigs­chossa ammr.«

Dietrich Bantel

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13) Der Soldat unserer Familie
geschrie­ben von Marti­na Hug (Betzler) am 26.3.1943
Seit Beginn des Krieges ist mein Bruder Willi­bald Soldat. Bevor er einrü­cken mußte, sagte er immer: »Ich will Soldat werden und verpflich­te mich zu vier Jahren«. Meine Mutter ließ es nicht zu und sagte: »Du brauchst Dich nicht freiwil­lig zu melden, Du kannst es erwar­ten, bis Du fort mußt.« Eines Abends, als wir eben ins Bett wollten, klopf­te es an der Tür und ein Soldat trat ein. Ich erschrak und dachte: »Was will der heit no, wann mir ins Bett wellat«. Er hatte einen Zettel in der Hand und fragte, ob hier ein Willi­bald Hug wohne. Als mein Bruder aufstand und zu ihm hinging, gab der Soldat ihm einen Einschrei­be­brief und sagte, er solle ihn öffnen und dann unter­schrei­ben. Mein Bruder zitter­te so, daß er den Brief nicht aufma­chen konnte. Der Soldat sagte: »Sie brauchen nicht aufge­regt sein, geben Sie diesen Brief, ich öffne ihn.« Als ihn mein Bruder wieder in der Hand hatte und las, sagte er nur: »Mein Stellungsbefehl!!«

Meine Mutter sagte: »So, bischt jetzt z’frie­da, jetzt brauchst De nemme melde«! Der Soldat ging, und wir gingen ins Bett. Als nun der letzte Abend gekom­men war, feier­ten wir ein wenig Abschied, denn mein Bruder mußte schon morgens fort. Morgens gingen wir alle mit auf den Bahnhof, und beglei­te­ten in fort. Nach einigen Tagen kam eine Karte, daß er gut in Baden-Baden gelan­det sei. Dort wurde er als Funker ausge­bil­det, und kam einige Male in Urlaub. Als er ausge­bil­det war, kam er nach Holland, Belgi­en und Frank­reich. In Frank­reich blieb er einige Zeit, und kam von dort auf den Balkan, in allen Ländern herum. Von dort aus kam er einmal in Urlaub. Als nun der Rußland­krieg begann, kam er nach Osten, und machte den ganzen Feldzug mit. Wir hatten manch­mal länge­re Zeit keine Post mehr von ihm, Nun waren es schon 23 Monate, seit daß er das letzte Mal zu Hause war. Endlich, im März, konnte er in Urlaub fahren. Seither ist er wieder in Rußland, und es ist schon wieder ein Jahr, daß er fort ist.

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14) Aufsatz in Brief­form, geschrie­ben von
Marti­na Hug (Betzier) am 7.12.1943
Mein lieber Rochus!
Nun steht Weihnach­ten vor der Tür, und ich möchte Dir ein Weihnachts­grüß­lein senden. Wie geht es Dir? Hoffent­lich immer noch gut. Das gleiche kann ich auch von mir sagen. Deinen lieben Brief habe ich am Samstag erhal­ten, und ich danke Dir herzlich dafür. Du wirst in der Zwischen­zeit von uns auch Post erhal­ten haben. Man ist einfach beruhigt, wenn man von Euch einen Brief erhält. Du wirst wohl schon wissen, daß Mama, Gretl und Alois bei Anton in Bad Landeck waren. Es hat ihnen natür­lich sehr gut gefal­len, bloß war die Zeit etwas zu kurz. Anton hat sich recht gefreut. Er meint, daß er bald in Urlaub kommen darf. Alle Tage warte ich, wenn ein Zug kommt. Aber bis jetzt immer verge­bens. Nun, der Tag wird kommen. Von Micha­el und Willi­bald haben wir auch gute Nachricht. Von Willi­bald erhiel­ten wir letzte Woche einen Brief, von Anton eine Karte, und There­sia von Micha­el einen Brief. Es geht ihnen allen noch gut.

Wirst wohl schon wissen, daß Adolf jetzt auch Soldat ist, und zwar auf dem Heuberg. Wenn sie dann einmal alle in Urlaub da sind, dann kann Paul komman­die­ren »Kompa­nie Hug antre­ten zum Appell!«

Nun ist Otto Weber gestor­ben. Er war einige Tage schwer verwun­det, und dann kam die Nachricht, daß er gestor­ben sei. Es war natür­lich ein sehr harter Schlag. So kommen auch zu uns immer wieder solche schwe­ren Nachrichten.

Nun weiß ich Dir nichts Neues mehr und möchte meinen Brief schlie­ßen. Auf ein baldi­ges, gesun­des Wieder­se­hen in der Heimat grüße ich Dich recht herzlich. Gib mir bitte bald Antwort.
Deine Marti­na

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15) Der Soldat unserer Familie
geschrie­ben von Marti­na Dicken­herr (Glügg­ler) am 26.3.1943

Wir haben in unserer Familie einen Solda­ten und das ist mein Bruder Leonhard. Er ist jetzt 19 Jahre alt und ist ein Jahr Soldat. Schon in seinem Zivil­le­ben zeigte er eine große Begeis­te­rung für die Fliege­rei. Bei der H.J. ließ er sich im Funken ausbil­den und legte da die erste Funker­prü­fung mit gutem Erfolg ab. Auf Grund seiner vormi­li­tä­ri­schen Ausbil­dung wurde er bei der Muste­rung als Bordfun­ker ausge­ho­ben. Im April 1942 wurde er nach Möhrin­gen einbe­ru­fen. Dort machte er seine Infan­te­rie­aus­bil­dung und im Juni wurde er versetzt nach Lands­berg am Lech. Dort wurde er im Funken weiter ausge­bil­det und bekam dann drei Tage Urlaub. Meine älteren Brüder, meine Eltern und ich gingen dann am 2. Urlaubs­tag ins Kino. Wir saßen dann am letzten Urlaubs­tag auch noch beisam­men und er erzähl­te uns von seinem Dienst, von seinen Ausbil­dern und vom tägli­chen Leben. Die drei Tage gingen nur zu schnell herum und er mußte wieder Abschied nehmen. Als er kaum vom Urlaub zurück war, wurde er auf eine Luftflot­ten­nach­rich­ten­schu­le nach Erfurt versetzt. Dort erhält er seine endgül­ti­ge Bordfun­ker­aus­bil­dung. Er geht jeden Tag in die Schule und muß sehr viel lernen. Er schrieb einmal: Wir sind unifor­mier­te Schüler. Seit 14 Tagen macht er nun auch Dienst im Fliegen und er schreibt, es sei herrlich über Dörfer und Städte hinweg­zu­flie­gen. Die Leute sehe man nur als kleine Punkte. So geht die Zeit vorüber und eines Tages wird auch er vor dem Einsatz stehen. Wir hoffen, daß er vorher noch seinen Jahres­ur­laub bekommt und ich freue mich schon zu sehr darauf.

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Dietrich Bantel

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