2 der heuti­gen Veröf­fent­li­chun­gen stammen aus der Feder von Lene Baß, Jahrgang 1928, die von 1941 — 1956 in Oberko­chen lebte. Obwohl sie schon lange nicht mehr hier wohnt, entsin­nen sich die Klassen­ka­me­ra­din­nen und ‑kamera­den an sie. Über eine ihrer Mitschü­le­rin­nen konnte ich den Kontakt zu ihr herstel­len. Sie heißt heute Käß und wohnt in Rothen­burg o. T.

An die Aktion »Flachs­ha­cken« während oder statt des Unter­richts entsinnt sie sich noch gut, zumal sie Fotos davon besitzt. 1 davon, ein kleines Schwarz­weiß-Bild, 6 x 6 cm, mit weißem gezack­tem Randschnitt, stammt, von Herrn Stelzen­mül­ler hervor­ra­gend repro­du­ziert und vergrö­ßert und hier abgedruckt, von ihr.

Frau Käß erinnert sich, daß von den damals beim »Flachs­ha­cken« einge­setz­ten Schüle­rin­nen der katho­li­sche Pfarrer, sicher einer der wenigen Kamera­be­sit­zer, ein paar Fotos gemacht habe, auf dem Feldweg hinter dem Pfarr­haus. (Es handelt sich um Herrn Pfarrer Jans, 1936 — 1948 in Oberko­chen tätig). Auf dem Foto sind nicht alle Schüle­rin­nen, die beim Flachs­ha­cken dabei waren, abgebil­det — ein paar waren beim Fototer­min schon nach Hause gegan­gen. An die Namen erinner­te sich Frau Käß nicht mehr so richtig — hier konnte ihre ehema­li­ge Mitschü­le­rin Maria Gold (verh. Feil) weiterhelfen.

Über den letzten Satz ihres Aufsat­zes »Beim Flachs­ha­cken«: »Wenn wir Schul­kin­der nun noch öfters irgend­wo uns nützlich zeigen, so können wir nach dem Krieg mit Stolz behaup­ten: Wir haben auch beigetra­gen zum Sieg«, habe sie, als sie ihn jetzt nach 54 Jahren wieder gelesen habe, lachen müssen — eine wohl richti­ge Reakti­on, dieser Vergan­gen­heit zu begeg­nen. Man könnte — das schließt das Lachen nicht aus — auch eine philo­so­phi­sche Abhand­lung über diesen einen Satz am Schluß des Aufsat­zes schrei­ben, der ja nicht von einer 13jährigen Schüle­rin, sondern vom Zeitgeist diktiert worden war. Fest steht — und dies bestä­tig­ten alle Frauen und Männer, mit denen ich ins Gespräch kam: So war das damals!

Von Aufsatz 12 (Landjahr­la­ger Schroz­berg) ist kein Verfas­ser bekannt. Offen­bar handelt es sich um die gemein­sa­me Leistung mehre­rer Schüle­rin­nen. Frau Käß war auch »Landjahr­mä­del in Schroz­berg«, jedoch nicht 1942.

Dietrich Bantel

* * *

10) Flieger­alarm
verfaßt und übertra­gen von Lene Baß am 20.4.1942 (verh. Käß, heute Rothen­burg o. T.)

Als ich gestern Abend vom Milch­ho­len nach Hause kam, sprachen Frau Fischer und Trudel vom Flieger­alarm. Sie erzähl­ten mir dann auch, daß in Königs­bronn Alarm gegeben wurde, wahrschein­lich Probe­alarm. Ich ging dann heim und wollte meinen kleinen Bruder ins Bett bringen. Da erschrak ich auf einmal, denn die Sirene hatte auch bei uns mit lautem Geheu­le begon­nen. Ich setzte meinen Peter auf den Sofa und wollte davon. Meine Mutter aber wehrte ab und sagte: Bei Flieger­alarm geht man nicht auf die Straße. Da rief aber schon mein Vater, der im Garten arbei­te­te: »Meinen Hut«. Ich dachte: »Geschick­te Gelegen­heit zum Entkom­men«, riß den Hut vom Kleider­ha­ken und verschwand. Mein Vater eilte gleich hinüber ins Geschäft. Ich horch­te dann, ob ich keinen Flieger hörte; ich hörte etwas, aber das hieß Lene. Anita kam gerade aus dem Haus. Sie und ihr Peter kamen dann zu mir herüber. Aber sie mußten gleich wieder heim. Ich ging dann in die Wasch­kü­che und las dort die Zeitung, die ich auf dem Wasch­kes­sel fand. Als ich gerade die Zeitung wegle­gen wollte, kam die Entwar­nung. Ich war froh. Zehn Minuten später lag ich im Bett.

* * *

11) Beim Flachs­ha­cken
verfaßt und übertra­gen von Lene Baß am 28.7.1942 (verh. Kaß, heute Rothen­burg o. T.)

»Lene, aufste­ha, es ist Zeit in die Schule!« Schnell stand ich auf, denn es war schon 3/4 7 Uhr. Als ich in die Schule kam, rief mir Maria schon entge­gen: »Mal wieder zum Flachs­ha­cken«. Aber gewiß konnte es noch keine sagen. Als Herr Braun kam, teilte er uns sofort ein. Zehn Mädchen waren Bernhard Löffler zugeteilt, darun­ter auch ich. Um 3/4 8 Uhr standen wir mit Hacken bewaff­net vor Löfflers Haus, nur Rösle kam noch daher­ge­lau­fen. Mit viel Lärm und Geschrei gings zum Acker. Gleich am Anfang ging mir die Hacke kaputt. »Du mit deim Glomp!«, rief Luzia. Rösle war aber schon bereit und fabri­zier­te sie wieder zusam­men. »Oh Glomp«, schon beim fünften Schlag ging sie wieder ausein­an­der. Luzia war schon wieder zur Stelle. — »Geh weg, kannst halt nichts, gib die Hacke mir.« Also tausch­ten wir die Hacke. Aber Luzia hatte das gleiche Pech. Ungedul­dig ist sie halt nicht gewor­den wie ich, sie plagte sich mit ihr herum bis zum Schluß. Zwischen­durch erschien auch Herr Braun und kontrol­lier­te unsere Arbeit. Aller­hand Neues wurde auch erzählt, man konnte grad glauben, wir wären zum Ratschen auf den Acker gestellt worden. Als wir die Hälfte gehackt hatten, durften wir vespern. Wir bekamen ein Stück Brot mit Marme­la­de und zwei mitein­an­der eine Sprudel­fla­sche voll mit Most. Wir machten es uns bequem und verzehr­ten unser Vesper. Manche tranken nicht einmal ganz ihren Most, dadurch kam ich zu etwas mehr. Alle lachten, weil ich überall noch einen Schluck abbet­tel­te. Aber ich hatte halt so Durst. Nach dem Vesper mußten wir leider wieder weiter­ma­chen. Alle hatten schon genug; trotz­dem waren wir mit der zweiten Hälfte schnel­ler fertig. Auf dem Heimweg trafen wir einen Bauer, bei dem wir auf den Wagen sitzen durften. Wir sangen und schrie­en auf dem ganzen Heimweg. Alle hatten eine große Freude, weil wir schon alles geschafft hatten, denn es war noch nicht ganz 11 Uhr. Anschlie­ßend gingen wir noch zu Herrn Pfarrer, der uns knipsen sollte. Er machte von uns 7 verschie­de­ne Aufnah­men, darun­ter auch Farbfilm. Kurz vor 12 Uhr verschwan­den wir in alle Richtun­gen und liefen schnur­stracks nach Hause.

Wenn wir Schul­kin­der nun noch öfters irgend­wo uns nützlich zeigen, so können wir nach dem Kriege mit Stolz behaup­ten: Wir haben auch beigetra­gen zum Sieg.

Über den Flachs­an­bau berich­ten wir gesondert.

Oberkochen

* * *

Landjahr­la­ger Schrozberg/Kreis Crails­heim, den 20.10.1942
An die in Oberko­chen zurück­ge­blie­be­nen Klassenkameradinnen

Liebe Mädel!
Ihr werdet wohl erstaunt sein, von einem Landjahr­la­ger Post zu bekom­men. Ja, wir wollen Euch mal von unserer schönen Landjahr­zeit erzäh­len. Denn sie ist es wirklich wert, daß auch andere Mädchen davon wissen. Also, paßt mal gut auf, denn sicher habt ihr noch gar keinen rechten Begriff, was Landjahr bedeu­tet. Mit einem Landdienst­la­ger dürft Ihr uns nicht verwech­seln, das ist wieder etwas ganz anderes!

Im Landjahr­la­ger seid Ihr 8 Monate. Diese Zeit wird Euch als Pflicht­jahr angerech­net. In einem Lager sind 40 — 60 Mädels zusam­men­ge­faßt aus allen Gegen­den Württem­bergs. Schön, gesund und wohnlich sind die Räume ausge­stat­tet. Entwe­der sind die Lager in alten Schlös­sern oder in ehema­li­gen Villen oder Stiften untergebracht.

Morgens um 6 Uhr pfeifts’s »Aufste­hen!« Hei, da geht’s rasch aus den Fallen und dann zum Frühsport angetre­ten. Die verschla­fe­nen Gesich­ter werden schnell hell. In 40 Minuten sind wir gewaschen, angezo­gen und die Falle ist auch gestopft, denn wir haben ja Stroh­sä­cke. Eine schöne, kanti­ge Form muß der Stroh­sack beim Appell haben.

Jeden Morgen ist Flaggen­gruß. Unter der Fahne begin­nen wir unsere Tages­ar­beit und beenden sie. Nach einem guten Frühstück werden noch einige schöne Lieder gelernt und dann geht’s an die prakti­sche Arbeit. So nennt man bei uns die Arbeit in Haus und Garten. Da gibt’s nämlich verschie­de­ne Arbeits­grup­pen. Die einen sind in der Küche und dürfen kochen lernen, andere sind in der Wasch­kü­che, im Garten oder beim Hausput­zen. Das ist schön, mit gleich­alt­ri­gen Kamera­din­nen sich zu messen und zu zeigen, was man zu Hause schon gelernt hat.

Hat man sich nach 4 — 6 Wochen richtig ins Lager einge­wöhnt, so wartet etwas Schönes auf einen und das ist der Bauern­dienst. Darauf freut sich jedes Landjahr­mä­del. Morgens gehn wir aus dem Lager und kommen entwe­der mittags oder abends erst zurück ins Lager. Da gibt’s nun viel gegen­sei­tig zu erzäh­len. Was hat man doch nicht alles heut »seiner« Bäuerin helfen dürfen. Überall könnt Ihr etwas lernen, wenn Ihr nur Eure Augen gut aufmacht.

Nach dem Mittag­essen ist Mittags­ru­he und anschlie­ßend Sport, Kugel­sto­ßen, Hochsprung wechselt ab mit Ballweit­wurf, Weitsprung usw.

Wir machen im Lager das B.D.M.-Leistungsabzeichen und das Reichs­ju­gend­sport­ab­zei­chen. Jedes Mädel will natür­lich das andere überflü­geln in den Leistun­gen. Nach dem Kaffee haben wir Schulung, sehr abwechs­lungs­reich sogar. Rassen­kun­de, Verer­bungs­leh­re, Geschich­te, Erdkun­de, politi­sche und hauswirt­schaft­li­che Schulung.

Abends sitzen wir oft zu einer schönen Abend­run­de im Kreise oder machen wir Mädel einen bunten Abend. Oh, da geht’s lustig zu. Sonntags vergnü­gen wir uns beim Volks­tanz und lusti­gen Schara­den. Sonntag morgens ruft uns auch oft eine schöne Morgen­fei­er zusam­men. Unsere Führe­rin­nen sprechen mit uns über die heuti­ge Zeit, über führen­de Männer, über den Krieg.

An Pfings­ten und im Sommer wird der Rucksack gepackt und dann »Auf Du junger Wanders­mann«, geht’s auf Fahrt. Wir durften in diesem Jahr das herrli­che Hohen­lo­her Land durch­wan­dern und haben viele Burgen und Schlös­ser und schöne Täler gesehen.

So, jetzt wißt Ihr schon viel von uns. Aber am schöns­ten wär’s doch, Ihr könntet das alles selbst erleben. Wir hoffen alle, daß Ihr durch diesen Brief einen kleinen Einblick in unser Lager­le­ben gewon­nen habt und nächs­tes Jahr auch als Landjahr­mä­del im Lager seid und das Lager auch einmal als zweite Heimat anseht, gerade so wie wir. Meldet Euch bei Eurem Lehrer! Das württem­ber­gi­sche Kultmi­nis­te­ri­um, »Landjahr«, gibt Euch jeder­zeit Auskunft. Auch wir beant­wor­ten gerne Eure Fragen, die Ihr vielleicht habt.
Recht fröhli­che Grüße
Heil Hitler!
Die Landjahr­mä­del von Schrozberg

* * *

Dietrich Bantel

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte