Der voran­ge­gan­ge­ne Bericht schil­der­te, wie im Oktober des Jahres 1899 ein ungebe­te­ner Gast die Bewoh­ner des Hauses am Kocher­ur­sprung um 50 Mark »erleich­ter­te« und damit das Weite suchte. Nehmen wir den Faden der Geschich­te dort wieder auf, wo der Aalener Polizei­die­ner den Flüch­ti­gen aufspü­ren sollte, aber vom Durst getrie­ben zwischen­durch im Aalener »Grünen Baum« einkehr­te und dabei seinen Auftrag zum besten gab, nämlich im »Lamm« einen Dieb aus Oberko­chen dingfest zu machen.

Derwei­len saß dieser mit gespitz­ten Ohren am Neben­tisch, grins­te sich eins und verduf­te­te klamm­heim­lich, ohne zu bezah­len, remstal­ab­wärts. Doch schon in Lorch hatte er das gesam­te Geld verju­belt, weshalb er beschloß, nochmals nach Oberko­chen zurück­zu­keh­ren, um in der Schla­cken­wä­sche einzu­bre­chen. Gedacht, getan!

Zurück zum Kocher­ur­sprung
Am Abend des 12. Oktober trifft Hugo V. wieder­um am Kocher­ur­sprung ein und legt sich zunächst wieder­um unter einen Baum, wo er beilei­be nicht den Schlaf des Gerech­ten schläft, sondern sinnt, wie er die Bewoh­ner des einsa­men Hauses nochmals schröp­fen könne.

Die Axt im Hause …
erspart den Zimmer­mann, so sagt der Volks­mund. Aber Axt oder Beil können auch als gefähr­li­che Waffen benutzt werden: Gegen 10 Uhr abends späht Hugo vorsich­tig durch das Fenster des Hauses, findet aber die Bewoh­ner noch beschäf­tigt vor. Also verzieht er sich und legt sich nochmals aufs Ohr. Nach einiger Zeit begeben sich die Hausbe­woh­ner zur Ruhe. Nur der Hund gebär­det sich eigen­ar­tig, aber sie glauben, eine der Hausmäu­se habe ihn beunruhigt.

Eine Stunde nach Mitter­nacht steigt Hugo mit einer Pisto­le bewaff­net durch ein Küchen­fens­ter in die Wohnung, öffnet zur Siche­rung seines Flucht­we­ges den Haustür­rie­gel und beginnt nach Geld und Wertsa­chen zu suchen, findet aber nichts Passen­des. Selbst der über den Stuhl gehäng­te Rock der Schwes­ter gibt nichts her. Sollte sie ihre Barschaft unter dem Kopfkis­sen verbor­gen halten? Wer nicht wagt, nicht gewinnt! Also ein rascher Griff unter das Kopfkissen!

Doch die Schla­fen­de erwacht, richtet sich im Bett auf und beginnt zu schrei­en. Da ergreift der Räuber ein Handbeil, das neben­an auf der Hobel­bank liegt — das Zimmer dient tagsüber als Werkstatt — und verpaßt ihr einen Schlag auf den Kopf, der aber durch zwei Umstän­de etwas abgemil­dert wird, einer­seits durch ein Kissen, zum anderen durch die Niedrig­keit des Zimmers, die weites Ausho­len zum Schlag nicht zuläßt. Vom Tumult ist auch die ältere Tochter wach gewor­den, kurzer­hand bekommt sie auch eines überge­bra­ten. Erst als die beiden männli­chen Hausbe­woh­ner durch den Lärm aufge­weckt herbei­ei­len, gibt der Eindring­ling auf und flieht. Zurück bleiben die beiden blutüber­ström­ten Frauen (die Mutter ist acht Wochen, die Tochter drei Wochen arbeitsunfähig!).

Flucht und Verhaf­tung
Ohne Beute muß Hugo fliehen, zuerst nach Königs­bronn, dann weiter nach Zang, wo er die Tatwaf­fe verkauft. Über Geislin­gen, Plochin­gen, Eßlin­gen kommt er schließ­lich nach Ditzin­gen und nimmt eine Stelle an. Doch nach kurzer Zeit überfällt ihn wieder­um die alte Sucht, er bestiehlt seinen Dienst­herrn und macht sich mit 130 Mark aus dem Staube. Für 24 Mark kleidet er sich neu ein, kauft um 18 Mark eine Uhr und fährt nach Ulm. Doch bald ist er wieder blank, deshalb versetzt er Uhr und Anzug, fährt nach Laupheim und wird schließ­lich dort als steck­brief­lich Gesuch­ter von der Polizei gefaßt.

Das Ende
Am 22. Dezem­ber 1899 wird gegen Hugo V. vor dem Schwur­ge­richt in Ellwan­gen verhan­delt, und die Aalener »Kocher-Zeitung« berich­tet ausführ­lichst darüber. Die Oberko­che­ner müssen als Zeugen auftre­ten und staunen nicht schlecht über Hugos umfang­rei­ches Vorstra­fen­re­gis­ter: Diebstahl, Raub, Betrü­ge­rei­en, Sittlich­keits­ver­bre­chen, versuch­ter Totschlag in München, Bopfin­gen, Ludwigs­burg und Oberko­chen! Oberstaats­an­walt Eberhard beantragt als Gesamt­stra­fe 8 Jahre Zucht­haus, 10 Jahre Ehrver­lust und Stellung unter Polizei­auf­sicht. Doch kommt der Mißra­te­ne einiger­ma­ßen glimpf­lich davon, denn das Urteil lautet auf 7 Jahre Zucht­haus — und von da ab verliert sich die Spur dessen, der den Bewoh­nern am Kocher­ur­sprung so viel Ungemach berei­tet hat.

Volkmar Schrenk

Oberkochen

Unsere Abbil­dung zeigt einen Ausschnitt aus einem wesent­lich größe­ren Foto, das aus dem Privat­be­sitz von Herrn Bruno Hahn stammt und dem HVO für’s Archiv überlas­sen wurde. Herzli­chen Dank. Für Hinwei­se zum Aufnah­me­jahr sind wir dankbar. Herr Hahn teilte uns mit, daß das Garten­häus­chen (Geräte­schup­pen) als letztes verblie­be­nes Neben­ge­bäu­de der 1745 gebau­ten »Schla­cken­wä­sche« (das Haupt­ge­bäu­de stand bis ca. 1904/06) ca. 1963 abgebro­chen wurde.

Trotz inten­si­ven Bemühun­gen ist es uns noch immer nicht gelun­gen, ein Foto des Gebäu­des »Schla­cken­wä­sche« aufzu­trei­ben. Wir halten es für durch­aus denkbar, daß in Oberko­che­ner Fotoal­ben mit Bildern vor und um die Jahrhun­dert­wen­de im Zusam­men­hang mit Spazier­gän­gen zur Kocher­quel­le auch das Gebäu­de »Schla­cken­wä­sche« abgelich­tet wurde. Dürfen wir noch einmal um die Mitar­beit unserer Leser bitten?

Dietrich Bantel

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