»Aus den Akten der Fürstprobstei Ellwangen (4. April 1787)
Nur ein Jahr darüber, also fast genau vor 200 Jahren, ist in einer Amtlichen Verfügung Anstoß genommen an einem uralten Oberkochener Brauch. Der Archivbericht ist in einer zwar wunderschönen aber äußerst schwer lesbaren Schrift geschrieben und lautet folgendermaßen:
Auf die geschehene Anzeige, daß mit dem Fladenreuten zu Oberkochen, so am Ostermontag geschehn, allerhand Unordnungen vorbey giengen, hat man auf heute den Oberkocher Ellwangisch. Schultheiß Sebastian Gold, den Johann Grupp des Gerichts, und den Hannß Jerg Gold beede Gemeinds Bürger nebst dem Patriz Burr Gemeinds Fluhr auf heute vorgerufen, und sie zur Rede gestellet, was für Beschaffenheit die Sache habe; welche sich denn geäußert, wie es ein uraltes Herkommen seye, daß zu Oberkochen allzeit an dem Oster Montag in Beyseyn des Ellwangischen H. Pfarrers um das Korn geritten, und dabei die 4 Evangelien abgelesen würden. Mit diesem Zug werde ein in der Kirche zuvor geweihter Fladen getragen, der nach beschehenem Kornritt durch die junge ledigen Pursche herausgeritten werde, so daß welcher zu erst an das bestimmt Ziel komme, den Fladen gewinne; Den Fladen lasse allzeit der Ellwangische H. Pfarrer bachen, und der, so ihn gewinne, theile ihn allzeit wieder unter sämtlichen Gemeinds Bürgern auch Beysitz, sowohl katholisch‑, als lutherischer Religion aus, so, daß die einen jeden betreffende Portion dem Vieh beym ersten Austreiben zu eßen gegeben werde.
Und wenn der Fladen herausgeritten seye, pflegen Manns, und Weibs Volck, sowohl klein als groß wieder in die Wette zu springen und welche zuerst an das Ziel kommen, hätten von dem Ellwangischen H. Pfarrer geringe Geld Schenkungen bekommen. Nachher sammle sich die Prozeßion wiederum und gehe ihren Weg zurück in die Kirche.
Am Nachmittage darauf, wenn Königsbronner kommen, habe man bisweilen in denen Wirthshäuser getanzet.«

Bescheid
»Was das Kornreuten, und das mit herumtragen des geweihten Fladen, deßen Bezalung von dem Ellwangischen H. Pfarrer und dann deßen Austeilung unter die Gemeinde betreffe; bleibe es bey der alten Observans, nur werde das in die Wette reuten und springen Vormittags unter der Prozeßion, dann das Unzen bis nach der Oesterlichen Zeit bey 6 Gld. 40 Krz. Strafe verbotten.«
Den vorliegenden Text besorgte unser Mitglied Kuno Gold. Die Karte stammt aus dem Atlas von F. J. Reilly »Schauplatz der fünf Theile der Welt« nach und zu Büschings grosser Erdbeschreibung von 1791. Das Original befindet sich im Besitz unseres Vorstandsmitglieds Dr. Joachim Kämmerer. Wir geben einen vergrößerten Ausschnitt wieder.
Die Karte ist vor fast 200 Jahren beinahe aufs Jahr genau zusammen mit der amtlichen Verfügung wegen des Fladenreitens zu Oberkochen erschienen und stellt dar: »Die gefürstete Probstey Ellwangen mit den Herrschaften Wiesensteig und Eglingen und den freyen Reichsstätten Gmünd, Giengen und Aalen«
Aus Bericht Nr. 21 (Oberkochener Zehntstadel) wissen wir, daß Oberkochen über Unterkochen an die Fürstpröbste zu Ellwangen abgabepflichtig war. Die Kochenburg ist groß vermerkt. Insofern überrascht es weiter nicht, daß Unterkochen in der Karte aufgeführt, Oberkochen jedoch nicht erwähnt ist. Allerdings scheinen andere Details in die Karte eher lässig aufgenommen worden zu sein.
Die Zeit der »Verfügung wegen des Fladenreitens in Oberkochen« war insgesamt der Beginn einer recht bewegten Zeit, die man die spätabsolutistische nennt. 1803 fällt infolge des Reichsdeputationshauptschlusses der Besitz Ellwangens an das Herzogtum Württemberg. Ab diesem Zeitpunkt untersteht Oberkochen nur noch einer Herrschaft. Die Oberkochener Zollstation wird aufgehoben und Maße und Gewichte im Ort werden vereinheitlicht. 2 Jahre nach dem Oberkochener Fladenritt-Protokoll fand übrigens die französische Revolution statt.
Dietrich Bantel