Ein Alt-Oberkochener aus Köln berichtet.
Als gebürtiger Oberkochener (jetzt in Köln lebend) besuchte ich nach dreißig Jahren wieder einmal den Pfingstmarkt.
Wie immer, wenn ich in Oberkochen bin, ging ich den Kocher entlang, von der Bahnhofstraße zu Scheerer’s Mühle und Brunnquell, wo mir manche Kindheitserinnerung in den Sinn kam.
Jetzt sah ich wieder eine große Anzahl Forellen im Kocher, auch viel Fischkraut und Unrat.
Unter unvergeßlichen Erlebnissen meiner Kindheit erinnere ich mich an die Entdeckung eines Fischotters. Das erste Mal war es 1931–32.
Bernhard Weber (Jahrgang 1908) hatte mich als kleinen Jungen zum Kocher hinter Elser’s Mühle mitgenommen. Dort war seinerzeit schon ein Fischweiher, der Christian Grupp gehörte.
Bernhard Weber holte sich ab und zu ein paar Forellen, die sich in den dort aufgestellten Fischreusen im Kocher verfangen hatten.
Es war abends, kurz bevor es dunkel wurde. »Da, — ein Fischotter«, sagte Bernhard aufgeregt. Er muß gewußt haben, daß sich dort ein Fischotter aufhält.
Fischottern sind bekanntlich auch nachtaktive Tiere, die des nachts bis zu 25 Km lange Streifzüge unternehmen. In der Folgezeit sah ich noch ein paar Mal einen Fischotter, als ich mich dort aufhielt. Dann gab es lange Zeit keinen Fischotter mehr.
Alle paar Jahre setzte, von den Industrieabwässern ausgelöst, ein großes Fischsterben den Kocher abwärts ein. Es waren Säuren und sonstige giftige Flüssigkeiten in den Kocher geleitet worden.
Erst im Jahr 1946, als ich nach Kriegsdienst und Gefangenschaft wieder nach Oberkochen zurückkehrte, sah ich nach wiederholten Gängen an den unteren Kocher wieder einen Fischotter. Das war nach der Schneeschmelze im Frühjahr 1946.
Die letzte Begegnung mit einem Fischotter hatte ich ungefähr Mitte der Fünfziger Jahre, und zwar in dem Wäldchen am Kocher beim Kaltwalzwerk. Von da an ließ sich keines dieser Tiere mehr blicken.
Sämtliche Bach- und Flußbetten waren inzwischen begradigt worden und damit war vielen Tieren, nicht nur dem Fischotter, der Lebensraum genommen. Gewisse Sonntagsjäger aus der Umgebung waren natürlich auch an der Vertreibung und späteren Ausrottung des Fischotters beteiligt.
Nicht zu reden von der aufkommenden Industrialisierung und dem immer mehr zunehmendem Verkehr, auch in und um Oberkochen.
Heute gibt es schätzungsweise noch etwa 700 Fischottern in der Bundesrepublik.
Ich denke, die Fischottern lebten wohl am Itzelberger See und an der Brenz. Bei ihren nächtlichen Streifzügen nach Beute kamen sie dann von Königsbronn über die europäische Wasserscheide ins Kochertal und taten sich dort an den Forellen gütlich. Die Fischweiherbesitzer werden allerdings nicht sehr begeistert gewesen sein über den Besuch der Ottern. Es ist anzunehmen, daß sie allein von den damals im Kocher vorkommenden Gruppa-Seckel nicht überleben konnten.
»Der Fischotter natürlich!«
Leonhard Deinhart,
Mitglied des Fischottern-Schutzbundes

Leonhard Deinhart ist 1926 in Oberkochen geboren. Denjenigen, die unsere heimatkundlichen Berichte seit 1988 lesen, ist der Name Deinhard in unserem Osterbuchstollenbericht (Foto BuG v. 11.3.88, Bericht in BuG vom 18.3.88.) begegnet: Der linke der beiden Männer auf dem Foto mit der kleinen Lokomotive, die den Stollenaushub abtransportiert, ist Leonhard Deinhart sen., der Vater des Verfassers unseres heutigen Berichts. Herr Paul Uhl, seit der Schulzeit mit Leonhart Deinhart befreundet, war so liebenswürdig, uns die wichtigsten Daten des heute in Köln lebenden Alt-Oberkocheners zu geben.
Paul Uhl und Leonhard Deinhart waren 8 Jahre Nebensitzer in der Dreißentalschule. Schon damals übte L.D. seine liebste Beschäftigung aus — sehr zur Freude seiner Klassenkameraden: Er malte was das Zeug hielt- er malte die modernsten Flugzeugtypen an die Tafel, z.B. die DO 17, er malte Generäle und Ritterkreuzträger, er malte Lehrer.
Nach der Schule begannen fast alle Jungen der Klasse (»Der Führer brauchte doch Arbeiter«) bei dem Oberkochener Rüstungsbetrieb Fritz Leitz. »Fast die ganze Klasse erlernte das Handwerk des Flugzeugmechanikers«.
Leider wurde L.D. schon nach einem halben Jahr von einer heimtückischen Krankheit ereilt, die ihm einen Strich durch die Laufbahn machte. Einen Arm konnte er nach der Genesung nicht mehr benützen, und das bedeutete, daß er den in Aussicht genommenen Beruf nicht weiter erlernen konnte.
Aber malen konnte er noch. Er malte und zeichnete überall und alles, und lernte als Technischer Zeichner. Als Ex-Reserveoffizier konnte er nach dem Krieg bereit 1946 eine Lehre als Maler machen. Er bildete sich jedoch auch in den schönen Künsten weiter und studierte u.a. in Weikersheim und an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Willi Baumeister und Otto Dix waren recht gegensätzliche Vorbilder. Reisen ist bis heute seine liebste Form der Weiterbildung.
In Köln lernte er seine Frau kennen, aus der Ehe gingen 2 Kinder hervor. Leonhard Deinhart ist heute noch als Künstler, Kunstmaler und Maler aktiv. Wir freuen uns schon heute auf eine Ausstellung seiner Werke im Rahmen der Ausstellungen »Kunst im Rathaus«, die im März des nächsten Jahres stattfinden wird.
Dietrich Bantel