Drei große Feste feierte Oberkochen im Sommer des Jahres 1927: Fronleichnam mit erstmals einer großen Orchestermesse in der Kirche, das fünfzigjährige Jubiläum des Sängerbunds mit Fahnenweihe (zu beiden und dem zwischenzeitlich über Oberkochen hereingebrochenen Unwetter ist schon berichtet worden). Und nun kam am Tage nach dem Sängerjubiläum das erste Oberkochener Kinderfest.
Teil 3: Oberkochener Kinderfestpremiere
Feiertag hin, blauer Montag her — nach einigen Diskussionen in Schule, Verein und Gemeinde feierte Oberkochen am 11. Juli 1927 »dank des Entgegenkommens der Gemeinde und tatkräftiger finanzieller Unterstützung aus allen Schichten der Einwohnerschaft« sein erstes Kinderfest. Grundidee dazu war der Gedanke, »nach dem rauschenden Fest der Erwachsenen sollten nun auch die Kinder eine Freunde haben«, einen eigenen Festzug, einen kindgemäßen Spielnachmittag.
Mit dem fürs erste Oberkochener Kinderfest ausgedachten Programm — Gottesdienst, Festzug, Spiele, Abschluß am Lindenbrunnen — wurden Maßstäbe gesetzt, die sich wie ein Thema mit zeitbedingten Variationen bis heute erhalten haben. Zunächst montags im Anschluß an ein Vereinsfest gefeiert, fand das letzte Kinderfest vor dem Zweiten Weltkrieg im Sommer 1939 statt. Danach lebte der Kinderfestgedanke erst wieder im Jahre 1948 auf. In den sechziger Jahren war die verwegene Idee aufgekommen, das Nachmittagsfest auf dem Volkmarsberg zu feiern, eine Sache, die noch in bester Erinnerung ist, wenn auch auf dem Weg zum Berg der Schweiß in Strömen floß. Tiefgründige Debatten des Gemeinderats zur Frage »Berg- oder Talfest?« wiederholten sich jährlich. Allmählich bröckelte die Mehrheit der Bergfestliebhaber ab, und als sich dann das Stadtfest etablierte, gehörte das Kinderfest auf dem Volkmarsberg der Vergangenheit an. Seither wird das Fest der Kinder im Tal gefeiert, zuletzt mit einer ansprechenden kindgerechten Variante im Carl-Zeiss-Stadion.
Erstes Oberkochener Kinderfest
Im Jahre 1927 gab es in Oberkochen zwei Schulen, die katholische, seit 1901 im »Fuchsbau« an der Dreißentalschule zuhause, und die evangelische im alten evangelischen Schulhaus an der Aalener Straße (heute »Schillerhaus«). Beide nahmen am Fest teil. Zunächst zogen die Schulkinder unter Musikbegleitung zu den Kirchen. Dann ging’s zurück in die Klassenzimmer, wo »praktische, im Unterricht verwertbare Gegenstande« als kleine Geschenke verteilt wurden.
Im Gegensatz zum vorhergehenden Sonntag lachte am Montag die Sonne vom wolkenlosen Himmel, echtes »Kaiserwetter« also, oder einfach Kinderfestwetter. Am frühen Nachmittag formierte sich ein Zug »festlich gekleideter und prächtig kostümierter Kinder. Man wußte nicht, was mehr zu bestaunen war, die drollige Ausstattung der Kleinen und Allerkleinsten oder die Gruppen der größeren Schüler, die Blumen und den Frühling, Rotkäppchen, Schneewittchen und Mutter Erde darstellten. War das ein Leuchten der Kinderaugen, ein Jubilieren und Jauchzen ob des überquellenden Frohsinns«.
Auf dem Festplatz entwickelte sich nach der Begrüßung durch Bürgermeister Frank und nachdem der Kinderfestchoral »Geh aus, mein Herz und suche Freud …« gesungen war, ein munteres Treiben. Reigen, Wettläufe, Spiele lockten Kinder und Zuschauer an. »Am Kletterbaum konnten die Knaben ihre Fertigkeit an den Tag legen und in luftiger Höhe hängende Preise holen. In den Spielpausen gab es Brezeln, Wurst und Limonade, Bonbons, Schokolade und kleine Spielzeuge. Wonnestrahlend bestieg eine Gruppe nach der anderen das sich unaufhörlich drehende Karussell, alles in allem ein Stück und einige Stunden Schlaraffenland!«
Zum Abschluß des Festes zogen Kinder und Erwachsene wieder zur Dorfmitte. Am Lindenbrunnen dankte Schultheiß Frank der Lehrerschaft für die Ausrichtung des Festes. Oberlehrer Mager sagte seinerseits Dank »auch an die Spender von Geld und Gaben«. Mit dem gemeinsam gesungenen Lied »Im schönsten Wiesengrunde« fand das erste Oberkochener Kinderfest sein gutes und würdiges Ende. Alle waren begeistert und freuten sich auf das nächste Kinderfest.

Zum Foto:
Das zweite Oberkochener Kinderfest fand im Jahr 1928 statt, obwohl die Schulen zunächst für einen zweijährigen Turnus plädiert hatten. Wieder erlebte Oberkochen einen prächtigen Festzug »mit Gruppen und Wagen, darstellend die fröhliche Jagd, die Oberkochener Industrie, das Hafnergewerbe, die Maurerzunft und die Holzmacher bis hin zu den Sieben Schwaben und Hänsel und Gretel«. — Unser Foto aus dem Jahr 1928 zeigt einen Teil der Kinderfestgruppen.
Volkmar Schrenk