Vielleicht erinnern sich unsere älteren Oberko­che­ner Mitbür­ge­rin­nen und Mitbür­ger noch an den Monat Juni des Jahres 1927, einem wahren Wechsel­bad gleich: Zunächst ein herrli­ches Fronleich­nams­fest, danach ein Jahrhun­der­t­un­wet­ter, schließ­lich Fünfzig­jäh­ri­ges Jubilä­um des Sänger­bunds und dann noch eine Premiè­re: Das erste Kinder­fest fand in Oberko­chen statt! Betrach­ten wir die Ereig­nis­se der Reihe nach, so wie sie sich in den Berich­ten der Aalener Kocher-Zeitung darstellen.

Teil 1: Liebli­ches Fest und Unwet­ter
Fronleich­nams­fest — 15. Juni 1927
»Die feucht­war­me Witte­rung hat bewirkt, daß in unserer ohnedies immer etwas kühle­ren Gegend derzeit die späten Apfel­sor­ten in schöns­tem Blüten­schmuck prangen. Im übrigen wäre das Erdreich nun wieder genug mit Feuch­tig­keit versorgt und wir wollen hoffen, daß »St. Veit nicht schon wieder ’s Häfele umkeit«. Tatsäch­lich erwies sich St. Veit im Jahr 1927 sehr degen­mä­ßig. »Üppiger Sonnen­schein lag am ganzen Fronleich­nams­tag auf Fluren und Auen«, das Fest konnte also mit aller Pracht und Freude gefei­ert werden. Etwas Beson­de­res hatte sich der Kirchen­chor ausge­dacht, denn »erstmals kam eine Messe für Chor, Orgel und Orches­ter zur Auffüh­rung« (es war die »Missa in F‑Dur von Filke«). »Das Werk kam zu einer Wieder­ga­be, die dem vortreff­lich geschul­ten Kirchen­chor, vorab seinem Dirigen­ten, Oberleh­rer Mager, zur hohen Ehre und Anerken­nung gereicht«. Die Instru­men­ta­lis­ten hatte man aus Stutt­gart geholt, wobei »das Trompe­ten­corps des Cannstat­ter Reiter­re­gi­ments« beson­ders glänz­te. Haupt­leh­rer Klotz­bü­cher spiel­te die Orgel und beein­druck­te durch »die in überwäl­ti­gen­der Schön­heit erfol­gen­de Auffüh­rung der Motet­te »Gott ist die Liebe« für Orgel und Orchester«.

Auch der Nachmit­tag in der Garten­wirt­schaft zur »Grube« verlief in froher Feststim­mung. »Im Schat­ten der Linden­bäu­me entwi­ckel­te sich bei flotten Vorträ­gen der Musik­ka­pel­le und herrli­chen Gesän­gen des Kirchen­chors frohe Feststim­mung, die sich von Nummer zu Nummer steiger­te und ihren Höhepunkt erreich­te beim Singen des Deutschlandliedes«.

Unwet­ter — 18. Juni 1927
»Eine Schre­ckens­nacht liegt hinter uns«, so sagt ein Bericht der »Kocher-Zeitung« über Ereig­nis­se, die in der Nacht von Freitag auf Samstag nach jenem fröhli­chen Fronleich­nams­tag über Oberko­chen hereinbrachen.

Am Freitag lag den gesam­ten Tag über Hitze und Schwü­le über dem Tal und man hoffte, der Abend werde etwas Kühlung bringen. Gegen 7 Uhr abends began­nen sich im Westen schwar­ze Wolken aufzu­tür­men. Bald schon regne­te es leicht. Aber dann »entlu­den sich mehre­re Gewit­ter und tobten spezi­ell über Dorf und Gemar­kung in einer Weise, daß sich die ältes­ten Bewoh­ner nicht entsin­nen können, etwas derar­tig Schau­er­li­ches erlebt zu haben«.

Fassen wir den Bericht eines Augen- und Ohren­zeu­gen zusam­men: »Ein schlag­ar­tig einset­zen­der orkan­ar­ti­ger Sturm fegte drohend ausse­hen­de Wolken­ge­bil­de über den Volkmars­berg, vom Wollen­berg und gleich­zei­tig auch aus Richtung Zahnberg, im Tal alles mit sich reißend, was nicht niet- und nagel­fest war. Ein Wirbel­sturm wildes­ter Art entwi­ckel­te sich über der südli­chen Markung Oberko­chens. Beson­ders die Obstbaum­al­lee an der Straße nach Königs­bronn war betrof­fen. Fuhrwer­ke und Autos kamen in Bedräng­nis, ein Lastau­to wurde zwischen zwei Bäumen einge­klemmt, zwei Fuhrwer­ke entgin­gen mit knapper Not einem großen Unglück; die Straße war vollkom­men gesperrt.

Auch der Bahnver­kehr wurde in Mitlei­den­schaft gezogen. Ein Güter­zug konnte gerade noch vor einem auf die Schie­nen gefeg­ten Unter­kunfts­häus­chen gestoppt werden, beim Bahnhof wurde der Stati­ons­wa­gen umgewor­fen und ausein­an­der­ge­ris­sen. Der Sturm deckte am Bahnwär­ter­haus Hauber einen Teil des Daches ab und beim Bahnwär­ter­haus am Seegar­ten­hof wurde die Hunde­hüt­te »samt vierbei­ni­gem Bewoh­ner ein weites Stück ins Feld hinein verweht«.

Zwar war der Sturm inner­halb des Dorfes nicht ganz so heftig, doch gab es auch hier zahlrei­che Schäden an Fenster­schei­ben und Dächern, manch kleiner Schup­pen geriet in Schief­la­ge. »Ganz übel mitge­spielt wurde einem im Katzen­bach stehen­den Haus, das gerade umgebaut wurde. Die Wasser­mas­sen drangen von oben überall in hellen Strömen herein. Wohl oder übel mußten die Bewoh­ner zum Schutz Regen­schir­me über ihrem Nacht­la­ger aufspannen«.

Erst bei Tages­an­bruch ließ sich der Schaden überbli­cken: »Ein betrü­ben­des Bild bot sich dem Auge. Starke und stärks­te Bäume lagen wie Streich­höl­zer geknickt am Boden. Mehr als 100 Obstbäu­me waren entwur­zelt, über 4.000 Festme­ter Holz in den Wäldern umgeris­sen. »Die Waldtei­le Esels­buch und Kohlhau sind ziemlich betrof­fen, am Kocher­ur­sprung fielen einige der schöns­ten Bäume dem verher­en­den Element zum Opfer«.

Soweit die Schil­de­rung in der Zeitung, die dem Bericht noch die Mittei­lung anfügt, daß »die gemes­se­ne Regen­men­ge für den Tag des Unwet­ters mit 36,5 mm den höchs­ten Stand seit Bestehens der Oberko­che­ner Wetter­be­ob­ach­tungs­sta­ti­on erreicht hat.«

Volkmar Schrenk

Oberkochen

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