Am 13. Oktober letzten Jahres hielt Chris­toph von Woell­warth, der Leiter des Ellwan­ger Amtes für Landwirt­schaft, Landschafts- und Boden­kul­tur, in einer Vortrags­ver­an­stal­tung des Heimat­ver­eins in der Stadt­bi­blio­thek einen nachdenk­lich stimmen­den Vortrag über die Entwick­lung der Landwirt­schaft im Ostalb­kreis unter beson­de­rer Berück­sich­ti­gung der Entwick­lun­gen in Oberkochen.

Wir berich­te­ten darüber in der Schwä­bi­schen Post vom 15.10.1994 und in der Aalener Volks­zei­tung vom 18.10.94.

Mittler­wei­le haben 4 Schlag­zei­len zu diesem Thema in der Tages­pres­se erneut aufhor­chen lassen: AVZ vom 5.11.94.: Bauern­ster­ben geht weiter SP vom 2.1.95.: Raum Ellwangen/Aalen — Jährlich geben 80 Betrie­be auf.

SP vom 19.1.95.: Immer weniger Bauern, SP v. 23.1.94.: Bauern finan­zi­ell und seelisch am Ende.

Diese Entwick­lung ist nichts Neues, sondern eine drama­ti­sche Weiter­ent­wick­lung, die bereits nach dem 2. Weltkrieg beson­ders auch in Oberko­chen ganz entschei­dend ihren Lauf genom­men hatte. Im Oberko­che­ner Heimat­buch ist hierzu auf Seite 313 nachzulesen:

Von 1850 — 1950 gab es in Oberko­chen 100 Jahre lang konstant über 90 landwirt­schaft­li­che Betrie­be. Bereits 10 Jahre später, 1960, waren es nur noch 46. 1980 war die Zahl der Landwir­te auf 22 zurück­ge­gan­gen; 1985 waren es noch 14, und heute, 1995, sind es gar nur noch 8 Betriebe.

Symbo­lisch dafür stehen die ersten beiden Fotos am Anfang unseres Berichts. Foto 1 zeigt die letzte »Miste« (Dungle­ge) im Oberko­che­ner Ortsbild (Katzen­bach­stra­ße) im Jahr 1992. Foto 2 zeigt, wie diese letzte Dungle­ge am Straßen­rand Ende März 1994 entfernt wurde. Genau genom­men hätte man sie unter Denkmal­schutz stellen müssen.…

Oberkochen

Bevor wir auf die Oberko­che­ner Entwick­lun­gen kommen, sei der Vortrag von Chr. v. Woell­warth in gedräng­ter Form wiedergegeben:

Für eine größe­re Zuhörer­schaft, gemischt aus aktiven und ehema­li­gen Oberko­che­ner Landwir­ten, Studen­ten und Leistungs­kurs­schü­lern sowie inter­es­sier­ten Bürgern wurde der brillan­te Vortrag zum Erlebnis.

Herr von Woell­warth zeigte den Struk­tur­wech­sel im Bereich der Landwirt­schaft auf, der im Ostalb­kreis nirgend­wo so stark wahrnehm­bar gewor­den ist, wie in Oberko­chen, maßgeb­lich bedingt durch die Ansied­lung der Firma Carl Zeiss nach dem 2. Weltkrieg.

Der Vortrag war in 4 Teile geglie­dert:
1) Geolo­gie und Boden­qua­li­tä­ten
2) Besie­de­lung des Ostalb­krei­ses
3) Die 3 »Grünen Revolu­tio­nen« zwischen 800 n. Chr. u. 1950
4) Entwick­lungs­ge­schicht­li­che Tabel­len und Statis­ti­ken für Ostalb­kreis und Oberkochen.

Der niedri­ge Albüber­gang Kocher/Brenz, zahlrei­che Quellen und frucht­ba­res Schwemm­land führten zu einer relativ frühen Besied­lung. Schon die Römer erkann­ten die verschie­de­nen Boden­qua­li­tä­ten klar. Diese wurden vor dem 2. Weltkrieg durch die Reichs­bo­den­schät­zung in 100 Quali­täts­gra­de einge­teilt. Hangla­gen um Oberko­chen errei­chen inner­halb dieser Skala nur 16 bis 17 Punkte. Aller­dings weisen die frucht­ba­ren Talla­gen ausge­spro­chen hohe Werte (Tiefen­tal 57, Strick 64 Punkte) auf.

Die Kelten übten als erste Acker­bau aus, syste­ma­tisch und in großem Maßstab aller­dings erst die Römer, während die Germa­nen eher einen klein­bäu­er­li­chen Acker­bau betrieben.

Die Einfüh­rung der Dreifel­der­wirt­schaft mit Brache um 800 n. Chr. kann als 1. Grüne Revolu­ti­on bezeich­net werden.

Dieses System wurde über 1000 Jahre lang nahezu unver­än­dert beibe­hal­ten.
Bereits um 1200 n. Chr. war die Wald-Feld-Vertei­lung von heute weitge­hend vorhanden.

Zur Zeit der Franzö­si­schen Revolu­ti­on, um 1780, begann mit J.J. Rousseau’s »Zurück zur Natur« die 2. grüne Revolu­ti­on. Die bald folgen­de Begrü­nung der Brache war die Folge der Bevöl­ke­rungs­explo­si­on. Neue Möglich­kei­ten und Gewich­tun­gen brach­ten ab 1848 die völli­ge Freiheit der Bauern. Die Erfin­dun­gen von Maschi­nen und bald darauf der Eisen­bahn und anderer Trans­port­mit­tel folgten. Bereits Ende des 19. Jahrhun­derts war etwas wie Weltmarkt entstanden.

Bald nach dem 2. Weltkrieg begann, einher­ge­hend mit zuneh­men­der Techni­sie­rung die 3. Grüne Revolu­ti­on.
Waren um 1950 noch 25 % aller Arbei­ten­den in Land- und Forst­wirt­schaft beschäf­tigt, so sind es heute nur noch 4 %.

Der Referent stell­te fest, daß die Landwirt­schaft von Anbeginn der Besie­de­lung bis 1950 — das sind mehr als 2500 Jahre — weniger Änderun­gen erfah­ren hat als von 1950 bis heute.

In Oberko­chen waren um 1950 93 landwirt­schaft­li­che Betrie­be angemel­det. Heute sind es noch 8 (Gold Hans, Fischer Thomas, Winter Josef, Balle Stefan, Hug Martin, Hug Anton, Balle Anton, Weber Eugen).

Oberkochen

1850 wurden in Oberko­chen 640 ha bewirt­schaf­tet. Heute sind es nur noch 240 ha, von denen die Hälfte von Auswär­ti­gen bewirt­schaf­tet wird.

Herr von Woell­warth ging auch auf den Landschafts­ver­brauch ein. Von einer gleich groß geblie­be­nen Markungs­fla­che von 2357 ha im Jahr 1850 waren in Oberko­chen damals 10 ha überbaut. Heute sind es 270 ha.

In Bezug auf den Ostalb­kreis kann gesagt werden, daß die Tendenz, derzu­fol­ge die Zahl der kleinen landwirt­schaft­li­chen Betrie­be zurück­geht, und die großen Betrie­be anteil­mä­ßig zuneh­men, weiter­geht. Von 4000 Landwir­ten im Ostalb­kreis hören jährlich 3 % auf, — das sind pro Jahr 120 Landwir­te weniger.

Weiter ging der Referent auf die Proble­me ein, die den Landwir­ten durch politi­schen Druck entste­hen. Die Bauern im Ostalb­kreis erhal­ten jährlich 45 Millio­nen DM an Subven­tio­nen. Dennoch bezeich­ne­te von Woell­warth die Macht­lo­sig­keit der Landwir­te gegen­über den Entwick­lun­gen als gesell­schafts­po­li­ti­sche Katastrophe.

Die Zukunft nicht nur der Landwirt­schaft sehe nicht rosig aus.

Krisen­be­stän­dig seien auf lange Sicht nur die Länder, die eine halbwegs gesicher­te Selbst­ver­sor­gung haben. Frank­reich habe mit seiner mehr gelenk­ten Wirtschaft den besse­ren Weg eingeschlagen.

Abschlie­ßend beton­te der Referent die große Bedeu­tung, die die Landwir­te in Bezug auf die Landschafts­pfle­ge haben, wobei sie auf das Wohlwol­len, das Verständ­nis und die Unter­stüt­zung der Öffent­lich­keit angewie­sen sind. Eine Landschafts­pfle­ge in diesem Umfang wäre für die öffent­li­che Hand praktisch nicht bezahlbar.

Oberkochen

Eine histo­ri­sche Bildfol­ge spezi­ell zur Oberko­che­ner Landwirt­schaft bis ca. 1950 aus dem Archiv des Heimat­ver­eins schloß den Vortrag ab.
Im folgen­den veröf­fent­li­chen wir 4 Statis­ti­ken, die uns Herr Chr. von Woell­warth über das Landwirt­schafts­amt Ellwan­gen freund­li­cher­wei­se zur Verfü­gung gestellt hat.

Abschlie­ßend sei nochein­mal darauf verwie­sen, daß die Zahl der Oberko­che­ner Landwir­te, nachdem sie von 1850 — 1950 konstant über 90 lag, inner­halb der letzten 45 Jahre auf weniger als 10 % von dieser Zahl (8) geschrumpft ist. Die Hälfte der landwirt­schaft­lich bewirt­schaf­te­ten Äcker und Wiesen (140 ha von 280 ha) werden von auswär­ti­gen Pächtern, haupt­säch­lich aus Essin­gen, bewirt­schaf­tet. Die übersie­del­te Fläche Oberko­chens ist in den letzten 45 Jahren von 50 ha auf 270 ha gestie­gen. Hierbei muß gesehen werden, daß die Einwoh­ner­zahl Oberko­chens inner­halb der letzten ca. 30 Jahre annähernd gleich geblie­ben ist.

Oberkochen

Heuern­te 1932
zu unserem Bericht 235 v. 27.1.95, BuG Seite 62
Auf unsere Fragen »Wer kann die Perso­nen beschrei­ben? Von wem stammt das Foto?« haben sich 3 Perso­nen aus Oberko­chen und Heiden­heim gemel­det. So können wir heute eine exakte Perso­nen­be­schrei­bung vorle­gen und auch den Ort nennen, an welchem das Foto aufge­nom­men wurde.

Perso­nen, Wagen und Pferde sind von der Kreuz­müh­le. Die Perso­nen vorne von links nach rechts:

1) stehend mit Stroh­hut: Karl Elser, Vater von Frau Sturm (Infor­man­tin)
(dessen Frau hieß Rosa Elser)
2) etwas weiter hinten, mit Heuga­bel: Der Müller von der Kreuz­müh­le, Otto Klass.
3) Mit Kopftuch: Die Magd Marga­re­te Schmied, verh. Ludescher
4) Frau Rosa Elser, Frau von Karl Elser
5) Die Infor­man­tin, Frau Sturm, Hdh., — Friede­ri­ke Elser, ca. 10 Jahre alt.
6) Mit Stroh­hut: Eugen Elser, Bruder von Karl Elser
7) Ein Pferd haltend: Albert Schmied, Sohn von Frau Ludescher.
Er war im Schwä­bi­schen Albver­ein tätig.
8) Oben auf dem Wagen stehend: Der Knecht Josef Fürst.

Das Foto wurde auf dem »Wiesle« oberhalb der heuti­gen Klein­gärt­ner­an­la­ge, einem schma­len Strei­fen im auslau­fen­den Kleeb, aufgenommen.

Frau Wittkow­ski, eine weite­re Infor­man­tin, Cousi­ne von Frau Sturm, teilte uns mit, daß bis zum Jahr 1950 in der Kreuz­müh­le Landwirt­schaft und Mühle gemein­sam gelau­fen sind. Ab 1950 lag die Landwirt­schaft in Händen von Eugen Elser, die Mühle in Händen von Karl Elser.

Dietrich Bantel

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