Was ist »a Mauga­nescht«? Wer keine Antwort parat hat, schlägt im Konver­sa­ti­ons­le­xi­kon nach — und wird enttäuscht. Im Mundart­wör­ter­buch findet sich aber: »Maugen­nest: heimlich versteck­ter Vorrat oder wirre Sammlung, auch großes Durcheinander«.

Von Maugle­rin­nen und Mauglern
Gehen wir dem Wort noch ein wenig nach und stoßen dabei auf Schwä­bi­sche Hausfrau­en, die norma­ler­wei­se gerne »ihr Sach« beiein­an­der­hal­ten. Es soll aber auch Ausnah­men geben. Sie »verscher­beln« ohne Wissen des Mannes Dinge aus dem Haushalt und verput­zen das so gewon­ne­ne Geld für sich. Kurz gesagt, solche (selte­nen) Exempla­re holder Schwä­bi­scher Weiblich­keit »maugeln«. Aber auch das masku­li­ne Gegen­stück existiert, der »Maugler. Das ist einer, der gerne Geheim­nis­krä­me­rei betreibt, sich nicht in die Karten sehen läßt und gerne seine Sachen versteckt.

Nur für Buben?
Jedoch »a Mauga­nescht« war in der »guten alten Zeit« weit mehr. Der Oberko­che­ner J. Mahler sagt darüber: »Es ist lobens­wert und gut, viel Winter­obst im Keller zu haben. Viel schöner aber war einst unser Maugen­nest; viel besser munde­ten die Früch­te, die aus ihm kamen, wir waren mit unserem Maugen­nest glück­lich und zufrie­den«. (Zitat aus einem Artikel, den J. Mahler im Jahr 1929 für die Aalener »Kocher-Zeitung« geschrie­ben hat. In einem der folgen­den BuG-Berich­te werden wir auf ihn zurückkommen.)

Vielleicht erinnern sich ältere Leser noch an ihr Maugen­nest? Und Leserin­nen auch? Wohl weniger, denn J. Mahler schreibt: »War die Zeit gekom­men, in der die ersten Äpfel und Birnen von den Bäumen fielen, waren wir Buben mit viel List, Mühe u. Schlau­heit dabei, einen geeig­ne­ten Platz für ein Maugen­nest zu suchen, und niemand sollte ihn finden. Jeder verstand vorzüg­lich, sein Nest mit dem Schlei­er des Außer­ge­wöhn­li­chen, Rätsel­haf­ten und Geheim­nis­vol­len zu umgehen. Mädchen aber hatten ganz selten ein Maugen­nest. Halfen sie in der Schule unseren Kennt­nis­sen etwas nach durch Einsa­gen oder Abschrei­ben­las­sen, bekamen sie etwas aus dem Maugen­nest und war es nur ein zusam­men­ge­schnurr­ter Holzap­fel. Erst viel später kamen auch die Mädchen auf den Geschmack, aber sie hatten kein richti­ges Maugen­nest, denn sie versteck­ten ihre kleinen Schät­ze im Stroh­sack, auf dem sie schliefen«.

Ein Maugen­nest wird angelegt
Erinnern wir uns vielleicht noch an Melchi­or A., einen der Lausbu­ben, die einst sowohl dem Pfarrer als auch dem Lehrer Tauben mit Hilfe von Leimru­ten geklaut hatten, was im BuG-Bericht Nr. 185 nachzu­le­sen ist? Beobach­ten wir nun, wie Melchi­or A. ein Maugen­nest anlegte:

Melchi­or streicht möglichst unauf­fäl­lig um den Heustock neben der Scheu­er. Der Vater ist mit dem Ochsen­ge­spann im Wald, die Mutter treibt draußen die Gänse ein, die Schwes­ter muß auf kleine­re Geschwis­ter aufpas­sen, also ist der Augen­blick günstig, denn niemand darf zusehen, wenn ein Maugen­nest entsteht.

Melchi­or sucht nach dem »Heuli­cher«, einem Werkzeug, »das aus einem etwa meter­lan­gen Holzschaft besteht, verse­hen mit einer etwa 30 Zenti­me­ter langen Eisen­spit­ze, an der oben ein 6–8 Zenti­me­ter langer nasen­för­mi­ger Wider­ha­ken angebracht ist«. Wo der Vater den Heuli­cher nur hin hat? Erst gestern war Melchi­or dabei, als der Vater das Gerät benutz­te, um aus dem etwa 5 Meter hohen Heustock unten Heubü­schel heraus­zu­zie­hen. Das brach­te Melchi­or auf die Idee, auch den Heuli­cher zu benut­zen, um sein Maugen­nest an einer möglichst abgele­ge­nen Stelle in den Heustock zu bohren.

Endlich hat er den Heuli­cher gefun­den und geht ans Werk. Einen Hohlraum muß er schaf­fen, der im hinte­ren Teil eine Vertie­fung und Verbrei­te­rung besitzt. Und noch etwas ist wichtig. Niemand darf die Stelle auch nur im gerings­ten ahnen. Deshalb verstopft er die Öffnung kunst­ge­recht mit Heu, daß selbst das geübtes­te Auge nichts Verrä­te­ri­sches entde­cken kann, — und fertig ist das Maugennest!

Sammeln und stipfeln
»Nun wurde eifrig gesam­melt und zusam­men­ge­tra­gen«, erzählt J. Mahler weiter. Schau­en wir was unser Melchi­or treibt:

Holzbir­nen legt er beina­he liebe­voll ins mollig warme Heu, dort werden sie bald nachrei­fen, denkt er, sie schme­cken dann beina­he wie die Orangen, die im letzten Jahr der Onkel aus Ameri­ka mitge­bracht hat. Holzäp­fel sind noch härter und saurer, aber wenn man sie gegen Weihnach­ten ins Ofenrohr legt, schme­cken sie herrlich!

Noch aber ist Platz im Maugen­nest. Also macht Melchi­or bei Onkeln, Tanten, Verwand­ten und Bekann­ten die Runde und sammelt für seinen Winter­vor­rat. Manch­mal stibizt er auch den oder jenen Apfel, denn er ist »Obstbau­sach­ver­stän­di­ger«, der jeden Baum auf der Gemar­kung kennt und weiß, wo die schmack­haf­tes­ten Äpfel und die süßes­ten Birnen zu finden sind. Ab Novem­ber darf Melchi­or das zurück­ge­las­se­ne Obst ohne Furcht vor Strafe aufle­sen oder gar die letzten rotba­cki­gen Äpfel vom Baum »stipfeln«.

J. Mahler erinnert sich: »Wenn dann die ersten Schnee­flo­cken zur Erde fielen, hatte jeder von uns Buben ein schön gefüll­tes Maugen­nest, dessen Inhalt bis Neujahr und weit darüber hinaus reichte«.

Glück­lich und zufrie­den
Wissen wir nun, was »a Mauge­nescht« ist? Was es aber dem Melchi­or und vielen anderen Buben bedeu­te­te, können wir heute im Zeital­ter der Compu­ter­spie­le nur noch ahnen. Lassen wir es uns von J. Mahler sagen: »Das Maugen­nest war für uns Kinder ein kleiner Himmel voll Süßig­kei­ten und herrli­chen Genüs­sen, den wir selbst uns schufen und über den wir unbeschränkt Herr und Nutznie­ßer waren, den uns niemand strei­tig machen konnte, anders gesagt, wir waren glück­lich und zufrieden«.

Volkmar Schrenk

Oberkochen

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte