Wir erinnern uns: Der aus der ersten Volks­wahl hervor­ra­gen­de Oberko­che­ner Schult­heiß Alois Butscher war nach nur zweijäh­ri­ger Amtszeit im April 1903 verstor­ben. Wieder­um wurde die Stelle ausge­schrie­ben. Die Wahlkam­pa­gne scheint aber nicht sehr heftig gewesen zu sein. Nur zwei Hinwei­se finden sich in der Zeitung: Zum einen lädt die Katho­li­sche Handwer­ker­ver­ei­ni­gung »sämtli­che hiesi­gen Mitglie­der des katho­li­schen Arbei­ter­ver­eins zu einer Wahlver­samm­lung ein« und für den Kandi­da­ten Alfred Angst­en­ber­ger aus Ellwan­gen erscheint eine Anzei­ge in der »Kocher-Zeitung«, die meint, »es ist nach Lage der gegen­wär­ti­gen Zeitver­hält­nis­se dringend nötig, daß ein geprüf­ter Fachmann an die Spitze der Gemein­de gestellt wird«, und dieser sei der Oberamts­pfle­ge­as­sis­tent Angst­en­ber­ger aus Ellwangen.

Wieder­um war auch ein Oberko­che­ner Bewer­ber angetre­ten, Verwal­tungs­kan­di­dat Frank, für den aber keine Wahlwer­bung überlie­fert ist.

Die Wahl am 5. Mai 1905, bei der von 206 Wahlbe­rech­tig­ten 202 abstimm­ten, brach­te folgen­des Resul­tat: Angst­en­ber­ger 13 Stimmen, Frank 74 Stimmen, Bucher 114 Stimmen, letzte­rer war damit zum neuen Schult­hei­ßen von Oberko­chen gewählt.

Amtsein­set­zung mit Lokal­ko­lo­rit
Gemein­de­rat Sapper konnte am 28. Mai 1903 aufat­men: seinen Dienst als Schult­hei­ßen-Amtsver­tre­ter war er wieder einmal los. An diesem Tag wurde »vor den versam­mel­ten bürger­li­chen Kolle­gi­en Herr Schult­heiß Bucher durch den Herrn Oberamt­mann aus Aalen feier­lich in sein Amt einge­setzt. An die Feier im Rathaus schloß sich ein Festmahl im Gasthaus »Hirsch« an, das nicht nur zahlrei­che Festgäs­te verein­te, sondern auch der Küche große Ehre machte und allent­hal­ben hoch befriedigte«.

Das Festessen ward aber auch durch Tisch­re­den gewürzt und durch »Toaste« angerei­chert (immer schön der Rangord­nung nach): Zuerst kam »der offizi­el­le Toast auf seine König­li­che Majes­tät«, der vom Oberamt­mann gespro­chen wurde, dann »toastier­te der katho­li­sche Ortsgeist­li­che Bucher (später Ehren­bür­ger) auf den neuen Schult­hei­ßen Bucher (beide sind nicht mitein­an­der verwandt) und der evange­li­sche Ortspfar­rer Wider führte aus, wie ein Ortsvor­ste­her in einer paritä­ti­schen Gemein­de die schöne Aufga­be erfül­len könne, den konfes­sio­nel­len, sozia­len und politi­schen Frieden zu fördern und zu erhalten«.

Oberförs­ter Weiger (auch ein späte­rer Ehren­bür­ger Oberko­chens) »zeigte auf, wie der neue Schult­heiß sich den Dank der Nachkom­men­schaft erwer­ben könne, nämlich durch Auffors­tung der Haide und des Volkmars­bergs, damit die dorti­gen kahlen Flächen wieder mit dem herrli­chen Schmuck des Waldes gekrönt werden«.

Das letzte Wort beim Festessen hatte der neue Schult­heiß selbst: er »sprach allen den gebüh­ren­den Dank aus und versprach, alles, was er in seiner Wahlre­de verspro­chen hatte, mit Einsatz seiner ganzen Kraft treulich halten zu wollen«. Und der Zeitungs­re­por­ter schließt seinen Bericht mit dem Wunsch, »möge der Herr Schult­heiß recht lange und gesund in seinem Amte wirken können!« — ein Wunsch, der leider nicht in Erfül­lung gehen sollte.

März 1905:
Rücktritt
Mit Datum vom 3. März 1905 findet sich in der Aalener »Kocher-Zeitung« die Mittei­lung »um die durch freiwil­li­gen Rücktritt des bishe­ri­gen Inhabers in Erledi­gung gekom­me­ne Oberko­che­ner Ortsvor­ste­her­stel­le haben sich fünf Kandi­da­ten bewor­ben« ohne daß weiter erklärt wurde, warum Schult­heiß Bucher schon nach kurzer Zeit sein Amt aufge­ge­ben hatte. Wieder begann sich das Kandi­da­ten­ka­rus­sell zu drehen. Zunächst waren fünf Bewer­ber im Gespräch, zwei spran­gen ab, einer erschien zur offizi­el­len Kandi­da­ten­vor­stel­lung des Gemein­de­rats nicht. Somit lief die Wahl auf einen Zweikampf hinaus zwischen Verwal­tungs­ak­tu­ar Weber aus Oberdorf und Schult­hei­ßen­as­sis­tent Frank. Oberko­chen, der nun erneut kandidierte.

Schult­hei­ßen­wahl unent­schie­den
Zum dritten Male inner­halb von 5 Jahren wurden 208 Oberko­che­ner Wahlbe­rech­tig­te zur Schult­hei­ßen­wahl aufge­ru­fen. Ein nennens­wer­ter Wahlkampf fand nicht statt, doch hatten beide Kandi­da­ten Befür­wor­ter und Kriti­ker, so daß sich vor dem Wahltag »beim Wider­streit der Meinun­gen ein bestimm­ter Wahlaus­gang nicht vorher­sa­gen ließ«. Bei der am 4. März 1905 mit einer Wahlbe­tei­li­gung von 90,38 % durch­ge­führ­ten Wahl ergab sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Verwal­tungs­as­sis­tent Frank (Oberko­chen) und Verwal­tungs­ak­tu­ar Weber (Oberdorf) konnten je 94 Stimmen auf sich verei­ni­gen, was den Schwar­zen Peter der Entschei­dung der König­li­chen Kreis­re­gie­rung in Ellwan­gen zuschob. Diese votier­te am 18. März 1905 für den Einhei­mi­schen. So wurde Richard Frank inner­halb von fünf Jahren der vierte Oberko­che­ner »Schult­heiß auf Lebens­zeit«. Was eine solche Bezeich­nung wert ist, sieht man am weite­ren Verlauf der Geschich­te: Richard Frank wurde 1930 »Bürger­meis­ter«, verlor aber 1933 auf unschö­ne Art und Weise sein Amt, weil er nicht mit der NSDAP koope­rie­ren wollte. Nach dem Krieg amtier­te er als erster Nachkriegs­bür­ger­meis­ter Oberko­chens bis 1946.

Oberkochen

Zum Foto: Das Bild aus der Sammlung Stelzen­mül­ler zeigt Oberko­chen zur Zeit der im Bericht geschil­der­ten Schult­hei­ßen­wah­len. Kundi­ge Betrach­ter werden im Vorder­grund von rechts nach links den Bauhof, die Günther­sche Fabrik und die Obere Mühle erken­nen und im Hinter­grund den Neubau der Katho­li­schen Schule (»Fuchs­bau«) und die beiden Kirchen.

Der Text auf der Karte lautet: »Oberko­chen, 7.XII.06.P.P. Auf das geehr­te Schrei­ben von Ihnen teile ich Ihnen nun Hochw.Hr.Pfarrer mit, daß eine solche Uhr als wie Sie wünschen gegen­wär­tig auf Barzah­lung auf 40 Mark kommen wird, bitte daher um Antwort, ob Sie …«

Volkmar Schrenk

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte