Im Januar dieses Jahres entdeckte ich in dem in BuG v. 7.1.1994 — Bericht 208 — beschrieben Hungerbrunnenaufbruch im Kirschentäle eine Reihe von dunkel-schwarzbraunroten Steinchen mit glänzender Oberfläche, die nicht zu den ansonsten weißen freigespülten Kalksteinen und in den gesamtgeologischen Zusammenhang paßten. Aufgrund des ungewöhnlich großen Gewichts der Mineralien dachte ich zunächst an Bohnerz. Unser Geologe Dr. H.J. Bayer konnte das Mineral auch nicht näher bestimmen, verwies jedoch auf den alten Hüttenwerkstransportweg, der von Königsbronn zum Erzlager Aalen und umgekehrt vorbei an der Fundstelle geführt habe, riet aber im übrigen zu einer chemischen Analyse durch die Fachhochschule Aalen.
Eine weitere Begehung, diesmal auch der angrenzenden Äcker, erbrachte neue Funde, diesmal auch größeres Material, mit ungewöhnlich hohem Gewicht, so daß der Gedanke an irgendeine Erzform bekräftigt wurde. Allerdings stimmten die Formen nicht mit den üblichen Bohnerzformen überein — auch die Größe überstieg die übliche Bohnerzgröße bei weitem. Die Farbe der Mineralien bewegt sich im schwarzbrauen bis dunkelrotbraunen Bereich.
Mittlerweile ergab ein Gespräch mit Landwirt Karl Fischer völlig neue Möglichkeiten. Herr Fischer wußte, daß die Landwirte vor dem Einsatz von Thomasmehl zur Düngung der Äcker phosphathaltige Schlacke auf die Acker gefahren haben. S.G. Thomas verbesserte 1879 das Bessemerverfahren durch ein spezielles »Eisenentphosphorungsverfahren«. D.h., sollte es sich bei den Mineralien tatsächlich um Schlacke handeln, so wäre sie wohl vor weit über 100 Jahren auf die Äcker verbracht worden. Andererseits leuchtete der Gedanke an »Schlacke« aufgrund des hohen Gewichts der Mineralien nicht ein — es ist kaum vorstellbar, daß das Bessemerverfahren so viel Eisen in dem Gestein beläßt, wie diese Fundstücke aufzuweisen scheinen.
Inzwischen hatte die Untersuchung zweier Proben durch die Fachhochschule Aalen (Prof. Weichbrot) stattgefunden und ergeben, daß beide Proben einen Eisengehalt von über 50 % aufweisen. (Probe 1: 50,50 % Fe, Probe 2: 55,7 % Fe). Herr Prof. Weichbrot verwies auf eine Abhandlung über Bohnerz von Dr. P. Groschopf (Geislingen) im Aalener Jahrbuch 1980, wonach Bohnerze einen Eisengehalt von ab 35 % bis maximal 50 % aufweisen. Demzufolge vertritt Prof. Weichbrot die Meinung, daß Probe 1 noch als Bohnerz angesprochen werden könnte, bei Probe 2 meldete er begründete Zweifel an.
Inzwischen wurden in dem Acker noch größere Brocken entdeckt, — einer mit der maximalen Abmessung 7÷5÷3 cm ein Gewicht von 370 Gr., ein weiterer, 14/11/8 cm messend und ein Gewicht von 1.900 Gramm aufweisend.
Nun wandte ich mich an Herrn Dr. Groschopf, den Verfasser des Bohnerzartikels im Aalener Jahrbuch 1980. Seine Antwort lautet:
»… Die von Ihnen gesammelten »Steinchen« sind nicht ohne weiteres zu bestimmen. Ausscheiden möchte ich Bohnerz, auch Hochofenschlacke, obwohl diese gelegentlich auf Feldern verstreut gefunden wird; beim Bruch müßte Schlacke einheitlich grau gefärbt sein. Die dunkle Farbe kann möglicherweise ein Mangan-Eisen-Überzug sein, wie er in schwankendem Grund- und Sickerwasser entsteht (z.B. Sumpfgebiet). Interessant ist der abgebildete Brocken (1900 Gr.). Sieht so aus als ob es Kalkabsätze von im Wasser lebenden wohnröhrenbauenden Köcherfliegenlarven oder ähnlichen Insekten sind; wäre bei einem Hungerbrunnen nicht ausgeschlossen. Dies ist also meine Ferndiagnose«.
Herr Dr. Groschopf empfiehlt, Auskunft beim Museum für Naturkunde »Rosenstein« in Stuttgart einzuholen.
Wir veröffentlichen diesen Bericht mit der Bitte, daß heimatkundlich interessierte Bürger, die ergänzende Funde oder Beobachtungen gemacht haben, oder die weitere Information zu den Funden geben können, sich mit uns in Verbindung setzen. Sobald wir weiteres wissen, unterrichten wir an dieser Stelle über das »Rätsel vom Kirschentäle«.
Dietrich Bantel
