Wo im Wolfert­s­tal entspringt der Guten­bach?
Der eigent­li­che und ständig schüt­ten­de Ursprung des Guten­bachs liegt gute 300 Meter links talauf­wärts oberhalb des Aussied­ler­hofs Fischer/Pflugwirt. Er heißt NEUBRUNNEN und liegt auf 520 m NN. Die Quelle war früher offen, ist heute gefaßt und fließt seit der Verle­gung des LW-Erwei­te­rungs­strangs seitlich in das künst­li­che Guten­bach­bett, das die etwas tiefer gelege­nen Wiesen umläuft.

Der NEUBRUNNEN liegt an einer geolo­gi­schen Verwer­fung. Zum unter­ir­di­schen Wasser­stau mit Quell­aus­tritt kommt es durch den Versatz wasser­füh­ren­der Kalkschich­ten gegen wasser­stau­en­de Mergel­schich­ten. Die Quelle schüt­tet seit Wochen verstärkt. Das Stadt­bau­amt hat im letzten Jahr Messun­gen vorge­nom­men, um Menge und Perma­nenz der Schüt­tung festzu­stel­len. Die außer­ge­wöhn­lich starken Nieder­schlä­ge im Dezem­ber, verbun­den mit der Schmel­ze des ersten Schnees, haben gut einen halben Kilome­ter weiter oben im Wolfert­s­tal, im Bereich des Doppel­kreu­zes, Abzweig Kirschen­tä­le, und oberhalb der Holz»beigen« beim »Stollen« (Aushub »Oster­buch­stol­len«) für ein eindrucks­vol­les Natur­schau­spiel gesorgt. Dort schüt­ten seit nahezu 4 Wochen ununter­bro­chen eine Reihe von HUNGERBRUNNEN. Allein beim Abzweig Kirschen­tä­le sind auf einer Fläche von nur ca. 20 auf 20 Meter mindes­tens 6 Quell­aus­trit­te festzustellen.

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In der Beschrei­bung zum Karst­quel­len­weg wird dieser Bereich als »Ursprung des Guten­ba­ches« bezeich­net. Genau­ge­nom­men trifft dies in der Regel jedoch nur für wenige Tage im Jahr zu.

Auch in diesem Quell­be­reich, der auf 525 m NN liegt, wurde während der LW-Erwei­te­rung in den frühen Sechzi­ger­jah­ren leider stark einge­grif­fen. In halbho­hem Strauch­werk bilden grani­te­ne Straßen­rand­stei­ne eine wenig roman­ti­sche Art Sammel­fas­sung in Form eines Quell­bet­tes, das für gewöhn­lich kein Wasser führt. Die eigent­li­chen HUNGERBRUNNEN, ein gutes Dutzend an der Zahl, liegen einige Meter oberhalb im aufge­schüt­te­ten Wiesen­land. 5 von ihnen sind gefaßt und somit unsicht­bar, erkenn­bar jedoch an den runden Kontroll-Schacht­de­ckeln im Gelän­de; mindes­tens 6 weite­re sind, wie bereits gesagt, zugäng­lich und zur Zeit aktiv. Nach den neuer­li­chen Nieder­schlä­gen ist anzuneh­men, daß sie noch eine Zeit lang tätig sind.

Das Regen- und Schmelz­was­ser dieser typischen Karst­quel­len dringt in den verkars­te­ten Berg darüber, sickert schnell ab und staut sich dann an den wasser­un­durch­läs­si­gen einge­schwemm­ten Talschich­ten. Durch den Staudruck wird es nach oben aus dem Erdreich heraus­ge­preßt. Dabei entste­hen bis zu 20 cm hohe, gelegent­lich noch höhere Wasser­bu­ckel oder Wasser­pil­ze, die auch im überschwemm­ten Gelän­de leicht auszu­ma­chen sind. Es ist ein faszi­nie­ren­des Schau­spiel, diese Quellen zu beobach­ten — sie ähneln kleinen blubbern­den Geysi­ren kurz vor dem Ausbruch.

Nachtrag: Stadt­bau­meis­ter Helmut Kranz weist eine Woche nach Veröf­fent­li­chung des Berichts darauf hin, dass die oben erwähn­ten Metall­de­ckel im Bereich der Hunger­brun­nen Kontroll­schacht­de­ckel der Landes­was­ser­ver­sor­gung sind. Die Hunger­brun­nen selbst sind nicht direkt gefaßt, wie weiter unten beschrie­ben wird. – Der gesam­te Hunger­brun­nen­be­reich wurde beim Bau der LW, zuletzt in den Sechzi­ger­jah­ren, gestört. Die Hunger­brun­nen haben sich aber in relativ kurzer Zeit wieder ihre Wege nach oben geschaf­fen. Damals wurde auch eine Sammel­drai­na­ge aus Tonrohr­stü­cken in den Bereich der Hunger­brun­nen einge­bracht, die einen Teil der Hunger­brun­nen­was­ser sammelt. Das so »gesam­mel­te« Wasser gelangt über ein durch Erdreich verdeck­tes Beton­rohr als »Guten­bach­quel­le« ans Tages­licht, – wenn denn genügend Wasser unter­wegs ist. – Kommt zur Schnee­schmel­ze Regen hinzu, so drückt in diesem Bereich so viel Wasser aus dem Boden, daß fast die ganze Wiese zwischen Schup­pen und dem Rohraus­tritt unter Wasser steht . Das abflie­ßen­de Wasser fließt dann oberir­disch Richtung Rohraus­tritt und bilde­te dort einen regel­reich­ten »Hufei­sen­was­ser­fall« der sich in die unroman­tisch gefass­te Betonrohr-»Quelle« ergießt. Immer mehr Erdreich wurde im Lauf der Jahre wegge­schwemmt, sodaß das Beton­rohr über eine Strecke von fast einem Meter offen lag. Im Klartext bedeu­tet das, dass die Hunger­brun­nen nur »aktiv« werden, wenn so viel Wasser unter­wegs ist, dass es von der Tonrohr­drai­na­ge nicht mehr aufge­nom­men werden kann. Insofern ist das Hunger­brun­nen­er­eig­nis nur zur Hälfte ein echtes Spiel der Natur. Ende Nachtrag. DB

Beim letzten Hochwas­ser waren wie gesagt 6 »artesi­sche Spring­quel­len« zu erken­nen. Die obige Aufnah­me wurde in der Nacht vom 13. auf 14. Dezem­ber geblitzt – die Spring­quel­le« konnte hierfür nur mit Gummi­stie­feln erreicht werden.

In den letzten Jahren ist das durch die zeitwei­se hefti­gen Quell­aus­trit­te wegge­schwemm­te Erdreich durch Auffül­len ersetzt worden. Dem Kräfte­spiel der Natur überlas­sen, würde sich das künst­lich angeleg­te Brunnen­sam­mel­bett durch rückschrei­ten­de Erosi­on vom Fassungs­be­reich zu den eigent­li­chen Quell­trich­tern in den Wiesen talauf­wärts verla­gern. Es wäre im Sinne des Natur­schut­zes, wenn in diesem inter­es­san­ten Hunger­brun­nen­quell­be­reich keine Verän­de­run­gen mehr vorge­nom­men werden würden.
Im Bereich der Wiesen hin zum Kirschen­tä­le und entlang dem Vizinal­weg nach Essin­gen befin­den sich zahlrei­che weite­re Hungerbrunnen.

Eine inter­es­san­te Form von Hunger­quel­len bilde­te sich zwischen dem 15. und dem 20. Dezem­ber hinter den Holz»beigen« beim »Stollen« rechts des Sträß­chens zum LW-Gebäu­de (Wasser­häus­le): Die sogenann­ten »Kamel­bu­ckel«. Hier haben sich unter der Grasso­de derar­tig große Wasser­mas­sen angestaut, daß die Grasober­flä­che sich bis zu 30 und mehr Zenti­me­ter auf einen Durch­mes­ser von ca. 1 Meter kamel­hö­cker­ähn­lich nach oben durch­wölb­te, bis der Druck so groß wurde, daß es hin und wieder zu spring­quel­len­ähn­li­chen Wasser­aus­trit­ten kam.

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Die Kamel­bu­ckel­b­la­se auf Foto 2 wurde am 20.12.93 fotogra­fiert und muß wohl am selben Tag aufge­bro­chen sein. Als ich den Brunnen am 3.1.94 wieder besuch­te, war er bereits versiegt. Das gesam­te Erdreich um den Quell­aus­tritt war wegge­spült. Statt dem blasen­ähn­li­chen »Kamel­bu­ckel« war im Erdreich eine trich­ter­för­mi­ge Vertie­fung zu sehen, in der freige­spül­ter Kalkschot­ter zutage tritt.

Auch die »Kamel­bu­ckel« laufen unter dem Stich­wort HUNGERBRUNNEN. Nach alter Überlie­fe­rung heißen all diese spora­di­schen Quellen HUNGERBRUNNEN, weil nasse Jahre früher oft Hunger­jah­re waren. Dies traf natür­lich vor allem zu, wenn das Zuviel an Wasser während der Blüte- oder während der Wachs­tums­zeit die Ernte­er­trä­ge gefähr­de­te oder zerstörte.

Dietrich Bantel

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