Weit größer als gemein­hin angenom­men, ist die Zahl der abgegan­ge­nen mittel­al­ter­li­chen Weiler und Kleinst­sied­lun­gen auf dem Gebiet der Ostalb. Dies gilt in beson­de­rem Maße für den Albuch, der einst­mals feldwirt­schaft­lich weitaus stärker kulti­viert und von zahlrei­chen kleinen Ortschaf­ten durch­setzt war, deren genaue Lage heute oft nicht mehr bekannt ist. Die Namen dieser Orte sind größten­teils in den Lager­bü­chern als Namen von Feld- oder Walddi­strik­ten erhal­ten geblieben.

Die Gründe für ihr Verschwin­den sind sicher mannig­fal­tig, doch kann davon ausge­gan­gen werden, daß nicht der Dreißig­jäh­ri­ge Krieg als Ursache für ihr Wüstwer­den in Frage kommt, denn die meisten existier­ten schon im 15. Jahrhun­dert nicht mehr. Einer der Gründe könnte die im 14. Jahrhun­dert zuneh­men­de Klima­ver­schlech­te­rung gewesen sein, die eine Feldwirt­schaft in den Höhen­la­gen über 500 Metern sehr schwie­rig, wenn nicht unmög­lich machte, wobei ohnehin davon ausge­gan­gen werden darf, daß es ein karges Brot gewesen ist, mit dem die Bewoh­ner ihr Dasein fristen mußten. Denn diese mittel­al­ter­li­chen Ortsgrün­dun­gen hatten nur die verblie­be­nen Lücken des alten Siedlungs­lan­des gefüllt, sie lagen daher oft am Rande einer Markung oder auf schlech­te­ren Böden. Und so wird klar, daß von der Vielzahl dieser kleinen Weiler nicht auf eine einst­mals größe­re Bevöl­ke­rungs­zahl geschlos­sen werden kann, ebenso aber auch, daß ihre Bewoh­ner sich höchst­wahr­schein­lich größten­teils benach­bar­ten Ortschaf­ten mit günsti­ge­ren Verhält­nis­sen angeschlos­sen haben werden, wodurch in der Folge ihre wüstwer­den­den Felder in Holzmäh­der oder Waldun­gen umgewan­delt wurden.

Der in »Bürger und Gemein­de« veröf­fent­lich­te Bericht Nr. 47 des Heimat­ver­eins Oberko­chen, den Dietrich Bantel nach ihm vorlie­gen­den Unter­la­gen des Landes­denk­mal­am­tes verfaßt hat, führt sechs abgegan­ge­ne Weiler auf Oberko­che­ner Gemar­kung an: Stephans­wei­ler, Zweren­berg, Kreutz­heim, Treis­bach, Echmanns­wei­ler und Ottmanns­wei­ler. Im Bewußt­sein der Bevöl­ke­rung ist von allen jedoch nur Stephans­wei­ler geblie­ben, an den ein Flurna­me die Erinne­rung wachge­hal­ten hat, der die Lage der ehema­li­gen Siedlung zwischen Ober- und Unter­ko­chen anneh­men läßt. Auch Zweren­berg, Kreutz­heim und selbst Treis­bach dürften sich wahrschein­lich lokali­sie­ren lassen. Ganz anders verhält es sich jedoch mit Ottmanns­wei­ler (auch Utzmanns­wei­ler genannt) oder Echmanns­wei­ler, an die kein Oberko­che­ner Flurna­me mehr erinnert und die als »1471 abgegan­gen« aufge­führt wurden.

So bot dieser Artikel einen Anreiz zu ihrer Suche, die aber lange kein Ergeb­nis zeitigte.

Einen ersten kleinen Hinweis auf Ottmanns­wei­ler liefer­te die Heiden­hei­mer Oberamts­be­schrei­bung aus dem Jahre 1844. Bei der Ortsbe­schrei­bung von Königs­bronn wird als Zubehör der Erwer­bun­gen König Albrechts des I. für die Gründung des Zister­zi­en­ser­klos­ters aus einer Urkun­de aus dem Jahre 1302 neben Itzel­berg, Weikers­berg, Zahnberg und weite­ren auch »Utzmanns­wei­ler (unbekannt)« genannt.

Oberkochen

In der »Urkun­den­le­se zur Geschich­te der Schwä­bi­schen Klöster«, einem Beitrag für die »Zeitschrift für die Geschich­te des Oberrheins« aus dem Jahre 1859 wurde dieses »unbekannt« noch erhär­tet durch den Hinweis: »von Utzmanns­wei­ler ist nicht einmal ein Gemar­kungs­na­me übrig.«

Etwas Hoffnung verbrei­te­te wieder­um eine wissen­schaft­li­che Abhand­lung von Alfred Jäger »Aus der Geschich­te der Gemein­de Oberko­chen«, die im Jahre 1956 im Amtsblatt veröf­fent­licht wurde, und in der es über Oberko­chen heißt: »Unter den Weilern, die König Albrecht I. von Habsburg im Jahre 1302 von dem Grafen v. Helfen­stein erwarb, zur Stiftung der Abtei Königs­bronn, wird auch »Utzem­ans­w­ey­ler« genannt. Das Lager­buch von 1471 verzeich­net eine Holzmark zu »Ottmanns­wei­ler« bei 40 Jauchert groß.

Allem Anschein nach sind die beiden Gebiets­tei­le mitein­an­der identisch und auf dem Albuch westlich von Oberko­chen zu suchen. Denn als Zubehör der Königs­bron­ni­schen Lehens­gü­ter zu Oberko­chen werden Holzmäh­der zu »Othmans­wei­ler« bzw. »Authmanns­wei­ler« (im Lager­buch »Authmans­w­ey­ler« geschrieben).

Dann half der Zufall kräftig nach. Beim inten­si­ven Studi­um eines im Heiden­hei­mer Jahrbuch 1991/92 erschie­ne­nen Artikels von Heinz Bühler »Zur Geschich­te des Albuchs« fand sich ein überra­schen­der und gleicher­ma­ßen verblüf­fen­der Hinweis auf die Lage von Ottmannsweiler:

»Nördlich von Weikers­berg, im Tiefen­tal beim Huber­tus­brun­nen auf Gemar­kung Oberko­chen, lag Utzemanns­wei­ler (1302), später meist Ottmanns­wei­ler genannt.«

Da stand es nun schwarz auf weiß, doch woher stamm­te dieses Wissen? Heinz Bühler war inzwi­schen verstor­ben, aber sein Hinweis unter den Litera­tur­an­ga­ben auf eine freund­li­che Mittei­lung von Herrn Eberth führte ins Königs­bron­ner Archiv.

Im Waldla­ger­buch des Klosters Königs­bronn von 1699, Hölzer auf dem Albuch, werden auf den Seiten 178 bis 197 die Holzmar­kun­gen der Bülz beschrie­ben, als erstes die »Bülz zu Ottmanns­w­ey­ler und Oberko­cher Aichhal­den«, die sich im Besitz des Klosters befand.

Es folgen: »Bülz mit Össin­ger Gemeindt­holz, Bülz mit der Hern von Wöllwarth Holz, des Wolff Carls Häulen genannt — Bülz mit Össin­ger Gemeind­holz, der Schön­ha­sel genannt — Bülz mit der Hern von Wöllwartt Holz, das Haili­gen Hau genannt — Bülz mit Oberko­che­ner Gemeindtholz«.

Und über die Bülz zu Ottmanns­w­ey­ler heißt es:
»All dieses Königs­bron­ni­sche Gehölz genannt Bülz, ligt deren­den an einem stück anein­an­der in einem runden bezür­ckh und ziehen die anstö­ßer umb dassel­bi­ge herum von anfang bis zum end und der Ordnung nach wie folgt«:

Es folgt die Aufzäh­lung der oben genann­ten Hölzer und sie endet »mit der (angren­zen­den) Probstey Ellwan­gen Holz, so über die Bülz in das Hagen­tal hinab­zie­het«. Wichtig für das Verständ­nis dieser Lagebe­schrei­bung ist der Hinweis, daß die Anstö­ßer, d. h. die angren­zen­den Waldbe­sit­zer der Ottmanns­w­ey­ler Bilz, durch­weg »zur linken hand«, also an der linken Seite bleiben müssen. Die Lage der »Bülz mit der Probs­tei Ellwan­gen Holz« wird an anderer Stelle des Lager­bu­ches, auf Seite 208, folgen­der­ma­ßen beschrieben:

»Dises der Probstey Ellwan­gen holz, liegt nun an dem Königs­bron­ni­schen Gehölz linker hand hinab, biß in das Ottmanns­wei­ler thal *).

*) = Das Ottmanns­wei­ler­tal — nur an dieser Stelle taucht diese Nennung ein einzi­ges Mal auf — müßte demnach ein Teil des unteren Tiefen­tals gewesen sein.

Von demsel­bi­gen hinauff in das tieffen­thal, wie das hagen­thal und das Össin­ger gemeind­holz oben herab zihen, allwa, wie vorum folio 197 b zu sehen, mit dem Königs­bron­ni­schen holz der Bülz und der Össin­ger gemeind­holz der anfang gemacht worden.«

Ganz eindeu­tig sind es Beschrei­bun­gen von Teilen der Bilz, die heute zum größten Teil Staats- und zum kleine­ren Gemein­de­wal­dun­gen sind.

Die Grenz­be­schrei­bung des für uns inter­es­san­ten nördli­chen Teiles beginnt dort, wo das Hagen­tal an das Tiefen­tal stößt, führt dann in einem Bogen (»runder bezür­ckh«) an der Essin­ger Gemar­kung entlang — Schön­ha­sel und Heili­gen Hau sind noch heute auf topogra­phi­schen Karten zu finden — führt an der ehema­li­gen »Oberko­che­ner Bülz« entlang, trifft auf den südli­chen Teil der Bilz, der ehemals ellwan­gisch war und führt wieder nach Norden ins Hagen­tal zum Ausgangs­punkt zurück.

Nun liegt der Huber­tus­brun­nen im Tiefen­tal selbst vom Ausgangs­punkt dieser Bilzbe­schrei­bung schon etwa 700 Meter entfernt in einem tiefen Talein­schnitt, der für die Anlage eines Weilers denkbar ungeeig­net erscheint, zumal die durch­schnitt­li­che Gemar­kungs­grö­ße solcher mittel­al­ter­li­chen Weiler mit ihren meist quadra­ti­schen Block­flu­ren etwa zwei Quadrat­ki­lo­me­ter betrug (Karl Weller, Geschich­te des Schwä­bi­schen Stammes bis zum Unter­gang der Staufer, S. 130) und soviel Platz gibt es an dieser Stelle einfach nicht. Die Zweifel an einer Lage dort wurden bei einer Ortsbe­ge­hung mit Hans Gold (Schmid­jörg­le) noch genährt, der, als erfah­re­ner Bauer und bestens vertraut mit dem Oberko­che­ner Wald, jedoch eine frühe Besied­lung der Bilz in ihren nördli­chen Teilen durch­aus für möglich hält. Schließ­lich wissen wir auch aus der jünge­ren Geschich­te, daß sich Einwan­de­rern nach dem Dreißig­jäh­ri­gen Krieg dort Überle­bens­chan­cen boten und noch später der legen­dä­re Bilzhan­nes dort hauste.

Für die östli­chen Teile der ehema­li­gen Kloster­bilz wollte er eine Besied­lung ausschlie­ßen, da eine zuoberst liegen­de Feuer­stein­schicht, unter der sich zwar auch frucht­ba­re Erdschich­ten befän­den, für eine bäuer­li­che Nutzung nicht geeig­net seien. »Die Landwirt­schaft braucht eine gute obere Krume«.

Gleich­wohl hat Herr Eberth am Huber­tus­brun­nen mittel­al­ter­li­che Scher­ben gefun­den, die beim Gelän­de­an­schnitt anläß­lich eines Wegebau­es zutage­tra­ten, und zweifel­los bedarf dieser Fund noch einer Erklä­rung. Weite­re Recher­chen im Haupt­staats­ar­chiv Stutt­gart lassen nur den Schluß zu, daß Ottmanns­wei­ler auf der Bilz gelegen hat.

So heißt es schon in einer frühe­ren Beschrei­bung der Königs­bron­ner klöster­li­chen Holzmar­ken auf dem Härts­feld und Aalbuch von 1538 über die Bilz: »und dieweil es (dies) gemein und bekhant nam dieses holz jäziger zeyt (jetzi­ger Zeit), die bülze ist, und das geiend des aichhal­den und ottmanns­w­ey­ler sich .. (unleser­lich) ist deswe­gen die selbig bulz ain namen einge­führt und weiter heißt es, daß die Koche­ner Gemein­de, »das es Folcker Berg (Volkmars­berg) und wie sie die geiend war einst sonde­ren namen nennen »Anstö­ßer gegen Königs­bronn sind«, bis wieder zun der brops­tey Waldt, so die Bülz genant wurt.«

Ähnlich wie im Waldla­ger­buch von 1699 werden die beiden Hölzer Othmanns­w­ey­ler und Kochamer aich halden beschrie­ben: Diese beiden Hölzer liegen an einem Stück und zwischen den hernach­be­schrie­be­nen Anstö­ßern, die zu links darum gelegen sind. Auch hier wird, »wie das dürffen­tal und das hagent­thal zuo sammen stossen« oberhalb des »mädlings des jörg märrz zu Oberko­chen wittib«, mit der Beschrei­bung begonnen.

Das Holz und Waldla­ger­buch des Klosters aus dem Jahre 1577 unter­schei­det verwir­ren­der­wei­se zwischen Bülltz und Büllz 1. Bei erste­rer wird auf einen Eintrag im Salbuch hinge­wie­sen: »Item die Aichhal­den zu kochen ist bei zwayhun­derdt Jauchardt, item Otmanns­weil­ler die holzmarck ist bey viert­zig Jauchardt.« (Ein Württ. Jauchert = 47 ar 28 qm = 1 1/2 Morgen).

Die Bülz 1 verzeich­net einen Verkauf des ganzen Baumbe­stan­des zur Verkoh­lung an die Gewer­ken der Eisen­schmie­de zu Oberko­chen, hier ist auch von Ottmanns­wei­ler Mähdern mit einer Größe von elf Jauchert und zweihun­dert­sech­zig Ruthen die Rede.

Daß Ottmanns­wei­ler aber doch nicht so ganz in Verges­sen­heit geraten war, wie anfangs vermu­tet, zeigte ein Blick in den Histo­ri­schen Atlas v. Württ., heraus­ge­ge­ben v. der Kommis­si­on für Landes­ge­schich­te, Karte IV 23. abgegan­ge­ne agrari­sche und gewerb­li­che Siedlun­gen. Da ist die Lage von Utzmanns­wei­ler oberhalb des Brenz­ur­sprungs einge­zeich­net, wie sich unschwer erken­nen läßt. Dies muß nach allem Aufge­zeig­ten jedoch sehr unwahr­schein­lich anmuten, unwahr­schein­li­cher noch als die Lage am Huber­tus­brun­nen. Alles spricht eindeu­tig für die sagen­um­wo­be­ne Bilz.

Oberkochen

Quellen:
Haupt­staats­ar­chiv Stutt­gart, Bestand H102/39 Bde. 6 und 105
Königs­bron­ner Archiv Forst­la­ger­buch von 1699
Dank gilt: Dem Forst­amt Oberko­chen und seinen Mitar­bei­tern, Herrn Hans Gold (Schmid­jörg­le). Herrn Dieter Eberth, Königsbronn

Marika Kämme­rer

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