Das Wollen­loch war schon wieder­holt Gegen­stand eines HVO-Berichts (Nr. 48, Nr. 58). Auch im Oberko­che­ner Heimat­buch ist die Geschich­te seiner Erfor­schung von Dietrich Bantel beschrie­ben. Das Wollen­loch wurde erstmals 1824 in der Litera­tur erwähnt; die Oberamts­be­schrei­bung des Aalener Diakons Bauer aus dem Jahre 1854 nennt es ebenfalls. Im Jahr 1898 fand die erste größe­re Expedi­ti­on in das Innere des Wollen­lochs statt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erwach­te das Inter­es­se am Wollen­loch erneut: Es bilde­te sich der »WCO«, der Wollen­loch-Club Oberko­chen. Einen Dämpfer und gewal­ti­gen Rückschlag erlitt der Forscher­drang durch das Unglück vom 23. Oktober 1949, bei dem ein Toter zu bekla­gen war. »Sicher­heit am Wollen­loch« laute­te nun das obers­te Gebot, dem durch Abschran­kun­gen und Betre­tungs­ver­bot (1954) Genüge verschafft wurde.

Heute soll nun spezi­ell über die Wollen­loch-Erfor­schung des Jahres 1898, wie sie in der Aalener »Kocher-Zeitung« nachzu­le­sen ist, berich­tet werden.

Beschrei­bung
»Eine Wegstun­de von Oberko­chen entfernt gen Südwes­ten liegt das Wollen­loch am Abhang des Wollen­ber­ges gegen das Tiefen­thal, gerade auf der Markungs­gren­ze von Essin­gen und Oberko­chen, etwa 6 m unter­halb des höchs­ten Punktes des Wollen­bergs (696 m); seine obere Fläche hat einen Meßge­halt von etwa 180 qm. Der steil abfal­len­de Trich­ter geht in einen ca. 5 m weiten Schacht über und ist mit einem starken Schutz­ge­län­der verse­hen, welches aber im Lauf der Jahre des öfteren in buben­haf­ter Weise wegge­ris­sen und in das Loch gewor­fen worden ist…«. so beschreibt der Bericht Lage und Situa­ti­on rund um das Wollenloch.

Und weiter: »Der Volks­mund behaup­tet, daß hier schon verschie­de­ne verschwun­de­ne Perso­nen sich hinein­ge­stürzt haben. Doch sind diese Erzäh­lun­gen, wie auch die Sage von dem Schäfer, der seine Gelieb­te hinun­ter­ge­wor­fen habe, worauf deren Pantof­fel an der Quelle eines Seiten­bäch­leins der Brenz heraus­ge­kom­men sei, in das Reich der Fabel zu verwei­sen. Sicher aber ist, daß schon manche in der Nähe des Wollen­lochs gesetz­te Holzbei­ge und schon mancher Markstein spurlos in der Tiefe des Wollen­lochs verschwun­den sind«.

Vorbe­rei­tun­gen
Das Wollen­loch einfach zu »befah­ren« (wie Höhlen­for­scher sagen), war auch 1898 nicht möglich. Zunächst mußten recht­li­che und finan­zi­el­le Voraus­set­zun­gen geschaf­fen werden. Die Kgl. Forst­di­rek­ti­on samt der Essin­ger Realge­nos­sen­schaft war um Erlaub­nis zu fragen. Die Albver­eins­grup­pe Aalen »stell­te eine Garan­tie­sum­me zur Deckung der entste­hen­den Kosten zur Verfü­gung«. Als die überge­ord­ne­ten Stellen zugestimmt hatten — die Forst­ver­wal­tung willig­te nur unter der Bedin­gung ein, »daß etwaige Funde an die könig­li­chen Sammlun­gen abzulie­fern seien« -, konnten die örtli­chen Kräfte aktiv werden:

»Schult­heiß Bezler und Oberförs­ter Weiger (der späte­re Ehren­bür­ger Oberko­chens) unter­stütz­ten das Vorha­ben in zuvor­kom­mends­ter Weise. Auch stell­te Hirsch­wirt Nagel sein vierspän­ni­ges Fuhrwerk zum Herbei­schaf­fen der Materia­li­en unent­gelt­lich zur Verfü­gung«. Schließ­lich »legte Zimmer­meis­ter Ernst einen Balken über den Trich­ter und einige starke Dielen. Die am Rande des Lochs stehen­den Buchen und eine starke Stange dienten zur Befes­ti­gung eines Flaschenzugs«.

Erster Anlauf
Am Samstag, dem 25. Juni 1898 starte­te das große Abenteu­er. Zimmer­meis­ter Ernst war der Wagemu­ti­ge, der sich mit Hilfe des Flaschen­zugs 15 m in die Tiefe hinab­wag­te. Dort versperr­te ein Konglo­me­rat aus »schwe­ren eichenen Hölzern, bis zu 5 m langen Stangen, sonsti­gen Holzstü­cken, Ästen und vielen Steinen« den weite­ren Abstieg. Nur ein Senklot fand durch einen Spalt den Weg in die Tiefe: 45 m wurden gemessen.

Kleines Wollen­loch
Als bei diesem Stand der Dinge »die Wollen­loch­for­scher aus Aalen ankamen«, unter­such­te man zunächst das sogenann­te Kleine Wollen­loch, »ein kleiner Erdfall weiter unten am Berg«. Mit Hilfe einer Leiter war es möglich, 3 bis 4 Meter tief in den Fels einzu­stei­gen. »Der Boden bestand aus herab­ge­fal­le­nen Steinen und Laub. Gefun­den wurde unter Steinen Teile vom Skelett eines Pferdes, eines Rehs und eines Hasen«. Von der tiefs­ten Stelle ging zwar ein niede­rer Spalt gegen Süden in den Fels hinein, was aber nicht als Fortset­zung der Höhle gewer­tet wurde. Deshalb und »weil der Aufent­halt wegen oben sich ablösen­der Steine nicht angenehm war«, wandte man sich nun wieder dem eigent­li­chen Projekt, dem Großen Wollen­loch, zu.

Durch­schla­gen­der Erfolg
Der nächs­te Schritt gestal­te­te sich im wahrs­ten Sinn des Wortes durch­schla­gend. Zunächst war aber die Frage, »ob dem Herauf­zie­hen oder dem Hinun­ter­wer­fen« des Materi­als der Sperr­schicht der Vorzug zu geben sei. Weil es allemal leich­ter ist, etwas hinab­zu­wer­fen, entschied man sich für letzte­res. Ratsschrei­ber Maier aus Aalen, der nicht nur ein Schrei­ber­ling war, erbot sich, »gut angeseilt am Falschen­zug« in das Loch einzu­stei­gen und die Locke­rung des Materi­als zu versu­chen« . .. Nachdem er noch einen Haupt­trä­ger zum Wanken und Fallen gebracht hatte, stürz­te plötz­lich die ganze übrige Masse unter fürch­ter­li­chem Krachen und Poltern in die Tiefe, einen solch starken Luftwir­bel nach sich ziehend, daß dem nun im Loch frei Hängen­den Hören und Sehen verging«. Glück­li­cher­wei­se blieben Seil und Flaschen­zug stabil, und als sich auch die am Rande des Loches Stehen­den von ihrem Schre­cken erholt hatten — sie »glaub­ten Krachen und Getöse wie beim Einsturz eines großen Gebäu­des zu hören« -, konnte der mutige Ratsschrei­ber unver­sehrt ans Tages­licht gezogen werden.

Vorstoß in die Tiefe
Als sich der Staub des Einstur­zes verzo­gen hatte, blick­ten die Umste­hen­den in ein 45 m tiefes gähnen­des Loch. Ratlos ob der Tiefe machten sie zunächst ganz einfach Feier­abend, erhol­ten sich bei Hirsch­wirt Nagel von den Strapa­zen des Tages und machten einen Plan für den folgen­den Tag. Dieser war zwar als Sonntag zu respek­tie­ren, da aber Schult­heiß, Oberförs­ter und Aalener mit von der Partie waren, drück­te die Geist­lich­keit ein Auge zu. So konnten die Höhlen­for­scher »trotz strömen­den Regens nach siche­rem Ansei­len, mit Feuer­wehr­hel­men und Later­nen ausge­rüs­tet langsam in die Tiefe fahren, unter­wegs alle noch in Felsspal­ten liegen­den Trümmer­stü­cke vorausbefördernd«.

Der nach unten führen­de Schacht war durch­schnitt­lich 3 m weit und münde­te in eine »ziemlich große Halle, in deren Mitte sich ein großer Schutt­ke­gel auftürm­te. Unter überhän­gen­den Felswän­den waren hübsche Tropf­stein­ge­bil­de sicht­bar. Vom Schutt­ke­gel westwärts scheint ein weite­rer Schacht senkrecht abwärts zu führen. Er ist aber durch Holz verschüt­tet«. Doch wagten die Forscher nicht, weiter vorzu­drin­gen, »da man sich in der Tiefe nicht mehr mit den Leuten oben verständ­lich machen konnte«. So mußte »von einer genaue­ren Unter­su­chung vorerst Abstand genom­men werden«.

Verbin­dung zum Kleinen Wollen­loch?
Eines war aber aufge­fal­len: »Die Luft in der Höhle ist sehr gut, was die Vermu­tung aufkom­men läßt, daß weiter unten und seitwärts gegen die Thalsei­te eine Verbin­dung ins Freie bestehen könnte«. Um diese Möglich­keit zu unter­su­chen, kam einen Monat später Profes­sor Fraas von Stutt­gart nach Oberko­chen. Dieser ließ sich mit einem Oberko­che­ner Beglei­ter zusam­men in die Höhle hinun­ter — eine Tiefe von 35 m war inzwi­schen erreich­bar. Um eine eventu­el­le Verbin­dung zwischen großem und kleinem Wollen­loch nachzu­wei­sen, wurden Flinten­schüs­se abgefeu­ert. Die Theorie einer Verbin­dung »bestä­tig­te sich bei der Unter­su­chung nicht, da man von den in das letzte­re abgege­be­nen Flinten­schüs­se in der Tiefe des erste­ren durch­aus nichts hörte«.

Leben im Verbor­ge­nen
Eines Mannes ist im Zusam­men­hang mit der Wollen­lo­cherfor­schung in unsere Zeit beson­ders zu beden­ken: Josef Paul Fischer (1891−1975). »Meine Freun­de nennen mich »PX«, meine Bekann­ten »Wollen­loch-Fischer« und »Krimi­na­ler«, — und »graue Eminenz« meine Gegner«, so sagte er über sich selbst. Er war ein vielsei­tig engagier­ter Bürger und wegen seines Witzes und oft auch grimmi­gen Humors allseits bekannt. Er hatte sich der Erfor­schung des Wollen­lochs verschrie­ben, immer wieder Artikel in BuG verfaßt und schließ­lich auch den Wollen­loch-Club gegrün­det, der dann zur Keimzel­le der Oberko­che­ner Gruppe der »Natur­freun­de« wurde.

Lassen wir am Schluß dieses Berichts noch J.P. Fischer zu Wort kommen und die Entde­ckung von Buchen­keim­lin­gen in der Tiefe des Wollen­lochs erzäh­len (nach BuG 1955, Seite 40):

»Ein inter­es­san­ter Fund glück­te im Wollen­loch in ca. 45 m Tiefe. In einer dunklen Felsspal­te wurden Pflan­zen entdeckt: Ein Bucheckern­kern hatte sich dorthin verirrt und in karger Erde Wurzel geschla­gen. Er ist zwar aufge­gan­gen, aber sein Bestre­ben, eine Buche zu werden, hat sich nicht erfüllt. Alles Leben war hier beson­ders sinnfäl­lig von »dunklen Gewal­ten« umgeben … Dennoch«, so schließt der Artikel von »PX«, »wandern« — und, so möchten wir hinzu­fü­gen, auch mit hellen Sinnen in den Tiefen der Erde forschen — »macht sehend, die Seele frei und läßt die Alltags­sor­gen leich­ter tragen oder vergessen«.

Oberkochen

Zum Foto:
Mitglie­der des Wollen­loch-Clubs, Erich Hahn hat sie benannt:
(hinten v.l): H. Glüning (Aa), J.P. Fischer, H. Martin (Kbr), Rumpelt
(vorne v.l.): E. Hahn, H. Sannwald (Kbr), O. Speth, A. Elmer, Unbekannter

Volkmar Schrenk

Wer ist für die Sicher­heit am Wollen­loch zustän­dig?
Dem Wande­rer erscheint das Wollen­loch wie ein riesi­ger Trich­ter, vor dem er unver­mit­telt in leicht anstei­gen­dem Gelän­de steht. Der steil­ab­fal­len­de Trich­ter­rand ist mit einem hohen Sicher­heits­zaun umgeben, der aller­dings während der letzten 20 Jahre langsam zu Bruch ging. An einer Stelle war erkenn­bar, daß er mutwil­lig zerstört worden war — ein krimi­nel­les Unter­fan­gen: Wer am Trich­ter­rand den Halt verliert, stürzt unwei­ger­lich in die Trich­ter­hal­de und dann fast 40 m in freiem Fall in die senkrech­te ca. 5 m im Durch­mes­ser messen­de Höhle.

So haben sich Höhlen­in­ter­es­sen­ge­mein­schaft und Heimat­ver­ein an die Stadt gewandt und auf die Erneue­rung des Zauns gedrängt. Bei dieser Gelegen­heit wurden die Besitz­ver­hält­nis­se ums Wollen­loch, in dessen Nähe die Oberko­che­ner und die Essin­ger Gemar­kun­gen aufein­an­der­sto­ßen, erneut geklärt. Königs­bronn tangiert nicht unmit­tel­bar. Es steht fest, daß das Wollen­loch auf Oberko­che­ner Gemar­kung liegt. Essin­gen hat nichts mit der Unter­hal­tung zu tun.

Nach einem alten Vertrag, der dem Staatl. Forst­amt vorliegt, und über den wir demnächst berich­ten werden, ist das Staat­li­che Forst­amt für die Umzäu­nung, die Stadt für deren laufen­de Unter­hal­tung zustän­dig. Aufgrund dieses Vertrags haben die beiden genann­ten zustän­di­gen Stellen sich salomo­nisch darauf geeinigt, daß das Staat­li­che Forst­amt für die bei der Neuan­fer­ti­gung des Zaunes aufge­brach­te Arbeits­zeit, die Stadt Oberko­chen für die Materi­al­kos­ten aufkommt. So erhielt das Wollen­loch tatsäch­lich einen neuen Zaun.

Dietrich Bantel

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