Oberkochen

Der 15.8.1953 war für Dr. Albrecht Fiedler, Sohn des vielen Oberko­che­nern noch wohlbe­kann­ten evange­li­schen Pfarrers Fiedler, damals ein 10-jähri­ger Junge, ein Tag, den er nie verges­sen hat.

Aus einem Brief an Bgm. Gentsch vom 29.11.1987, gehen Einzel­hei­ten hervor. Herr Dr. Fiedler war so freund­lich, der Veröf­fent­li­chung seines Briefes zuzustim­men. Der Bezug aufs Heimat­buch ist dieser Tage beson­ders aktuell, da inzwi­schen seine Neuauf­la­ge erfolgt.

»Sehr geehr­ter Herr Bürger­meis­ter Gentsch,
dieser Tage bekam ich das Heimat­buch von Oberko­chen, das letztes Jahr heraus­kam, geschenkt. Ich gratu­lie­re Ihnen als Heraus­ge­ber dieses schönen Werkes und den Autoren für das gelun­ge­ne Buch. Ich habe schon sehr viel darin gelesen und nehme es auch jetzt immer wieder gerne zur Hand. Auch habe ich es verschie­dent­lich an Freun­de aus dem Kocher­tal ausge­lie­hen, die mit dersel­ben Begeis­te­rung darin schmökerten.

Schon beim ersten Durch­blät­tern erkann­te ich auf den ersten Blick einen mir wohlver­trau­ten Gegen­stand: Es war der auf Seite 21 oben abgebil­de­te Stein­ham­mer. Denn der Finder dieses Stein­bei­les, der »kleine Bruder«, der auf Seite 19 des Buches erwähnt wird, das war ich. — Ich kann mich noch ganz genau erinnern wie ich im August des Jahres 1953 das Stein­beil fand. Ich war damals 10 Jahre alt. Ich sah beim Spielen mit Freun­den den »glatten Stein mit Loch«. Da er sich von den umher­lie­gen­den Steinen unter­schied, hob ich ihn auf und brach­te ihn nach Hause.

Den weite­ren Weg wissen Sie. Er ist ja auch in dem Buch beschrie­ben. Natür­lich war mir die geschicht­li­che Bedeu­tung des Fundes in diesem Alter nicht bewußt.

Leider habe ich den Hammer seither nie mehr gesehen. Denn im Schub­art­mu­se­um kann man jetzt Fossi­li­en betrach­ten. Im gegen­über­lie­gen­den Heimat­mu­se­um sieht man Dinge aus dem bürger­li­chen Leben der Stadt Aalen, im Limes­mu­se­um sind Funde aus der Römer­zeit. Gerne hätte ich das Stein­beil meinen Nichten und Neffen gezeigt. Ihnen hatte ich schon oft von dem Fund erzählt. Auch selber würde ich es gerne wieder in Natur sehen.

Vielleicht wissen Sie etwas über den derzei­ti­gen Verbleib des Stein­ham­mers. Sicher wäre es am schöns­ten, wenn er sich in der Stadt befän­de, wo er auch gefun­den wurde, nämlich in Oberkochen.

Mit freund­li­chen Grüßen,
Dr. Albrecht Fiedler«

Anläß­lich eines Telefon­ge­sprächs am 5.6.1993 erinner­te sich Dr. Fiedler an weite­re inter­es­san­te Details zu seinem für Oberko­chens Vorge­schich­te bedeut­sa­men Fund. Der Kanali­sa­ti­ons­gra­ben in der Aalener Straße vor Haus 24 (siehe Lageplan) ist seiner­zeit noch von Hand mit Pickel und Schau­fel bis in eine Tiefe von 3 Meter ausge­ho­ben worden. Das Fundstück war von den Arbei­tern unbemerkt ans Tages­licht beför­dert worden. Über eine ältere Schwes­ter des Finders, Friede­ri­ke, gelang­te der ca. 5000 Jahre alten stein­zeit­li­che Fund an Herrn OStD Dr. Keller von der Schub­art-Oberschu­le Aalen, der den Hammer über Forst­meis­ter Koch ans Landrats­amt für Denkmal­pfle­ge nach Stutt­gart weiter­lei­te­te, wo er ein halbes Jahr später, am 1.2.1954, akten­kun­dig wurde. (Dr. Zürn). Der praktisch unbeschä­dig­te Hammer wird mit 12,3 cm Länge, an der dicks­ten Stelle mit 5,1 cm Stärke, und das Bohrloch mit einem Durch­mes­ser von 2,9 cm angege­ben. Das Gestein wird als »granit­ar­tig« bezeichnet.

Oberkochen

Die Mutter von Dr. Fiedler erinner­te sich am Telefon lapidar: »Das Beil wurde ihm seiner­zeit wegge­nom­men und er hat es nie wieder gesehen.«

Das »Beil« ist, genau genom­men, kein Beil sondern ein Hammer. Durch die verhält­nis­mä­ßig kräfti­ge Bohrung erscheint er in der Funkti­on geschwächt — nicht auszu­schlie­ßen ist, daß er evtl. zu kulti­schen Handlun­gen verwen­det wurde. Da so lange Zeit verstrich, bis »jemand Offizi­el­les« von dem Fund erfuhr, war der Kanali­sa­ti­ons­gra­ben natür­lich schon längst wieder zugeschüt­tet, so daß bis heute nicht unter­sucht wurde, ob sich in der Gegend des Fundes mögli­cher­wei­se noch andere stein­zeit­li­che Spuren befinden.

Der Hammer kam zwar nach Aalen zurück und lande­te im Schub­art­mu­se­um; dieses entwi­ckel­te sich im Lauf der Jahrzehn­te zu einem reinen geolo­gi­schen Museum, so daß der Oberko­che­ner Hammer bald ein wohlbe­hü­te­tes Schub­la­den­da­sein führte.

Wir sind Herrn Dr. Fiedler dankbar für seine bereit­wil­li­gen Auskünf­te und für die Zurver­fü­gung­stel­lung seiner Origi­nal­do­ku­men­te aus dem Jahr 1953.

Schwä­bi­sche Post vom 5.3.1954
Ein Hammer­kopf aus der jünge­ren Stein­zeit
Inter­es­san­ter Fund bei Straßen­bau­ar­bei­ten in Oberko­chen
Oberko­chen. Spielen­de Schul­kin­der fanden bei Grabun­gen, die im Zuge der Erwei­te­rung des Bürger­stei­ges in der Aalener Straße beim Haus des Landwir­tes Xaver Weber erfor­der­lich waren, einen gut erhal­te­nen Hammer­kopf aus vorge­schicht­li­cher Zeit.

Diesem Fund wurde zunächst wenig Bedeu­tung zugemes­sen, so daß leider auch die Fundstel­le — ein Loch bei der Ablei­tung einer Dachrin­ne — bald wieder einge­eb­net worden ist. Einige Zeit später setzten die Eltern des jugend­li­chen Finders den Direk­tor des Aalener Schubert­gym­na­si­ums Dr. Keller von der gemach­ten Entde­ckung in Kennt­nis, der sich zur näheren Unter­su­chung des mit einer glatt­ge­run­de­ten Öffnung für den Hammer­stiel verse­he­nen Stein­kop­fes (der an der Spitze leicht abgesplit­tert ist) an das Amt für Natur­schutz und Denkmals­pfle­ge in Stutt­gart wandte.

Vom Amt für Natur­schutz und Denkmals­pfle­ge, das sogleich eine Aufnah­me von dem selte­nen Fundstück herstel­len ließ, wurde dieser steiner­ne Hammer­kopf, der in seiner Form vielleicht auch als Beil gedient haben mag, als Werkzeug vermut­lich aus dem letzten Abschnitt der jünge­ren Stein­zeit identi­fi­ziert. Es wird als beson­ders gut erhal­te­nes und schönes Stück aus dieser Zeit, wie man es bis heute nur wenig in unserem Land gefun­den hat, bezeichnet.

Sofern der priva­te Finder nicht auf den Besitz des wertvol­len Gegen­stan­des besteht, wäre er durch­aus geeig­net, einer Schul­samm­lung oder einem Heimat­mu­se­um zu treuen Händen überge­ben zu werden. rb.

Heimat­ver­ein führt in seinem Gründungs­pro­gramm unter Punkt 9 aus: »Bemühung um Rückfüh­rung der archäo­lo­gi­schen Funde nach Oberko­chen«. Der Vorsit­zen­de ist seit vielen Jahren um derlei Funde bemüht, selbst­ver­ständ­lich auch um den nach Aalen abgewan­der­ten Fund von 1953. Am 8.2.1988 war von Archi­var Bauer, Stadt Aalen, in Erfah­rung zu bringen, daß es schwer sei, den Hammer zu finden, und vor allem, zu bewei­sen, daß es sich bei dem Hammer auch um »unseren« handle. Immer­hin wurde angedeu­tet, daß, falls es schlüs­sig gelin­ge, zu belegen, welches der Oberko­che­ner Hammer sei, dieser mögli­cher­wei­se nach Oberko­chen zurück­ge­ge­ben werde. Über das Landes­denk­mal­amt war es nicht schwie­rig, die notwen­di­gen Unter­la­gen zu beschaf­fen und mit der entspre­chen­den Bitte nach Aalen weiter­zu­lei­ten. Die endgül­ti­ge schrift­li­che Zusage erhielt der Vorsit­zen­de von OB Pfeiff­le mit Schrei­ben vom 19.10.1992. Das Schrei­ben lautet:

»… auf Ihre Anfra­ge teile ich Ihnen mit, daß wir gerne bereit sind, den bandke­ra­mi­schen Hammer, der im Jahre 1953 in Oberko­chen gefun­den wurde, zurück­zu­ge­ben. Wir werden das histo­ri­sche Stück anläß­lich der Einwei­hung Ihres Museums offizi­ell der Stadt Oberko­chen überge­ben.
Mit freund­li­chen Grüßen,
Pfeif­le, Oberbürgermeister«

Die Zeit der »Bandke­ra­mik« wird dem ältes­ten Zeitab­schnitt der Jungstein­zeit, dem sogenann­ten Altneo­li­thi­kum, zugerech­net, der ungefähr von 4000 bis um 2500 vor Chris­tus dauer­te. Die Epoche erhielt ihren Namen nach den aus dieser Zeit stammen­den mit abstrak­ten Bänder­mus­tern verzier­ten kerami­schen Gefäßen. Es gab in Europa zu dieser Zeit schon Dörfer mit Langhäu­sern, man hielt bereits Haustie­re wie Rind, Schaf, Ziege, Schwein und Hund und es gab Getrei­de­an­bau. Deshalb können auf Oberko­chens Ackern und Fluren jeder­zeit weite­re stein­zeit­li­che Werkzeu­ge gefun­den werden, wie der Fund des Stein­beils in der Flur »Strick« im Jahre 1968 durch Dr. Weidmann beweist. Über dieses Beil werden wir demnächst berichten.

Der Hammer stellt keinen großen sächli­chen Wert, dagegen einen hohen ortsge­schicht­li­chen Wert dar, beweist der doch zumin­dest die Anwesen­heit des Menschen vor 5 Jahrtau­sen­den hier auf unserer Oberko­che­ner Flur. Wir sind Herrn OB Pfeif­le und der Stadt Aalen aus diesem Grund sehr dankbar für die Zusage, daß wir »unseren« Hammer nach nun exakt 40 Jahren wieder zurück­be­kom­men. Der HVO hat sich dahin­ge­hend festge­legt, daß er das Museum im Schil­ler­haus übers Jahr nach derzeit noch nicht erfolg­ter Freiga­be der von der Stadt gerich­te­ten Räumlich­kei­ten an den HVO eröff­nen können wird.

Dietrich Bantel

Oberkochen

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte