Herr Dr. Kämme­rer machte auf das Büchlein »Bilder aus der Geschich­te und dem Leben der evange­li­schen Diöce­se Aalen« aus dem Jahre 1912 aufmerk­sam. Wir veröf­fent­li­chen den dort über Oberko­chen enthal­te­nen Abschnitt im Originalwortlaut:

1. Oberko­chen
Zwei Drittel des anseh­li­chen Dorfs, in dessen Nähe der Schwar­ze Kocher unter schat­ti­gen Buchen entspringt, hatte die Props­tei Ellwan­gen, das dritte Drittel das nahe Kloster Königs­bronn erwor­ben. Die Vogtei Königs­bronn kam unter Herzog Ulrich 1536 bleibend an Württem­berg. Gemäß seinem Entschluß, »das heili­ge Evange­li­um mit Zucht, Gelin­dig­keit und rechter Gottes­furcht lauter und rein verkün­di­gen zu lassen,« führte Herzog Chris­toph, sobald der Passau­er Vertrag, der dem Schmal­kal­di­schen Krieg vorläu­fig ein Ende machte, es ihm ermög­lich­te, seit 1553 in Königs­bronn und gleich­zei­tig in den mit dem Kloster kirch­lich verbun­de­nen Orten Oberko­chen, Heubach und Oberbö­bin­gen die Refor­ma­ti­on ein. Die schlech­te Auffüh­rung des Kloster­abts gab ihm dazu den äußeren Anlaß. Der Herzog setzte ihn ab und setzte für densel­ben einen evange­li­schen Abt ein, evange­li­sche Lehre und Zucht aufzu­rich­ten. Als Hinter­sa­ßen des Klosters sollten die württem­ber­gi­schen Unter­ta­nen Oberko­chens zur Kirche nach Königs­bronn gehen. Weil aber der fast 1½ Stunden weite Weg ihnen zu beschwer­lich wurde, errich­te­te Herzog Ludwig 1583 eine selbstän­di­ge Pfarrei und ließ auf Kosten des reichen Klosters als Kirche ein gewöhn­li­ches Haus mit einem gottes­dienst­li­chen Raum im untern und einer Pfarr­woh­nung im oberen Stock und einem aufge­setz­ten Kirchen­türm­lein bauen.

So schlicht der Bau war, wurde er doch von den katho­lisch geblie­be­nen Ellwan­ger Unter­ta­nen des Dorfs, die nach Unter­ko­chen in die Kirche gehen mußten, viel angefoch­ten. Der erste Pfarrer an dem Kirch­lein war M. Ulrich Nikolai von Schorn­dorf, der 15 Jahre im Segen wirkte und gleich­wie seine nächs­ten Nachfol­ger zugleich das Schul­amt versah. Es wurde den Angehö­ri­gen beider Kirchen an diesem kleinen Ort unter zweier­lei Obrig­kei­ten beson­ders schwer, sich anein­an­der zu gewöh­nen, bis die großen Drangsa­le des dreißig­jäh­ri­gen Kriegs (1618−1648) kamen. Die kleine Herde wurde hindurch geret­tet; das bezeu­gen die Kirchen­bü­cher, die 1643 neu begin­nen. Den fortwäh­ren­den bürger­li­chen und kirch­li­chen Strei­tig­kei­ten sollte endlich 1749 ein Vertrag zwischen dem Herzog­li­chen Haus u. der fürst­li­chen Props­tei Ellwan­gen im Sinn gegen­sei­ti­ger Duldung Einhalt tun. Auf Grund des westfä­li­schen Friedens wurde nämlich jedem Einwoh­ner vollkom­me­ne Freiheit in allen gottes­dienst­li­chen Uebun­gen einge­räumt, aber den Geist­li­chen beider Konfes­sio­nen unter­sagt, im Chorrock über die Gasse zu gehen, auch nicht bei Prozes­sio­nen, um gegen­sei­ti­ge Kränkun­gen zu verhüten.

Am 18. August 1768 traf die Gemein­de unmit­tel­bar vor der Ernte ein außer­or­dent­lich schreck­li­cher Hagel­schlag, durch den sogar Menschen und Vieh ums Leben kamen, was den Dekan Christ­lieb von Heiden­heim, »dessen Seele schon der Ewigkeit nahestand«, zu einem ebenso ernsten als unsich­ti­gen Trost‑, Mahn- und Warnungs­schrei­ben veranlaßte.

Ungeach­tet jenes Vertrags kam es zu neuen Strei­tig­kei­ten und 1790 zu einer unglaub­lich hefti­gen Fehde wegen des »Wiesen­herr­gotts«, eines töner­nen Bildes vom gegei­ßel­ten Chris­tus, das in den Ruf der Wunder­tä­tig­keit gekom­men war und in einer Nacht plötz­lich geraubt wurde. Der Verdacht fiel auf die Evange­li­schen; darüber entstan­den die heftigs­ten Strei­tig­kei­ten, denen der ev. Pfarrer Eiden­benz mit Beson­nen­heit und Sanft­mut wehrte. Es war umsonst, daß beide Herrschaf­ten abmahn­ten, bis endlich der Täter in einem Katho­li­ken der Nachbar­schaft entdeckt wurde. »Mit dem Argwohn ißt der Teufel zusammen«.

Nachdem seit 1802 die politi­sche Zweitei­lung aufge­hört hatte, kam es auch in konfes­sio­nel­ler Hinsicht zu besse­rer Einig­keit, doch so, »daß die an Zahl stetig abneh­men­de evang. Gemein­de stets nur dasje­ni­ge Maß von Achtung und Anerken­nung findet, das sie selbst sich erwirbt.« Auf eigene Kosten baute sie sich 1862 ein eigenes Schul­haus; 1875 aber bekam sie mitten in einem Garten ein schönes Pfarr­haus und eine neue würdi­ge Kirche, die auf den Grund­mau­ern der alten vom Staat erbaut wurde, und zu deren innerem Schmuck der Gustav-Adolf-Verein reich­lich beitrug. Erster Pfarrer an der neuen Kirche war Reinh. Lechler. Davon, daß auf evange­li­schem Glaubens­grund der Fleiß zu Liebes-Werken erwächst und »der Glaube immer im Tun ist«, zeugt, daß die nicht reiche Gemein­de neben den Opfern für eigene Zwecke jährlich an 13–15 Sonn- und Festta­gen für auswär­ti­ge Reich­got­tes­zwe­cke opfert und für den Gustav-Adolf-Verein und die Heiden­mis­si­on zugleich jährlich sechs­mal eine Hauskol­lek­te hält. Auch ist hier der Pfarrers­sohn Christ. Hornber­ger geboren (24.10.1831 bis 1881), welcher in Westafri­ka ein ebenso tüchti­ger Missio­nar, wie Forschungs­rei­sen­der wurde.

Abbil­dun­gen:
Abb. 1: Das im Text genann­te evange­li­sche Pfarr­haus von 1875, im Vorder­grund Pfarrer Wider mit Schul­kin­dern (aus »400 Jahre Ev. Kirchen­ge­mein­de Oberko­chen«)
Abb. 2: Ausschrei­bung der Bauar­bei­ten für Kirche und Pfarr­haus vom Jahre 1874 aus der Aalener »Kocher-Zeitung«

Oberkochen

Zu den Abbil­dun­gen:
Christ­hard Schrenk beschreibt in der Festschrift »400 Jahre evange­li­sche Kirchen­ge­mein­de« die Situa­ti­on vor 1875 so: ». . Trotz langjäh­ri­ger Renovie­rungs­an­stren­gun­gen war der Kirchen­raum feucht und ungesund, da er sechs Stufen unter dem Straßen­ni­veau lag … und die Pfarr­woh­nung war beschränkt und unfreund­lich. Langsam reifte der Entschluß, die Kirche grund­le­gend zu erneu­ern. Man riß sie ab und errich­te­te auf den alten Grund­mau­ern eine neue Kirche … Gleich­zei­tig entstand im bishe­ri­gen Gemüse- und Grasgar­ten ein neues Pfarrhaus.«

Der Kosten­vor­anschlag verzeich­ne­te rd. 8500 Gulden (fl.) für das Pfarr­haus und rd. 7850 Gulden für die Kirche. Die Kosten teilten sich der im Text genann­te Gustav-Adolf-Verein, der Staat und die Oberko­che­ner Kirchen­ge­mein­de, die ein Viertel des Betrags beisteu­ern mußte, für eine (wie sie der Text nennt) »nicht reiche Gemein­de« war dies ein großer Brocken.

Nach 1972 stand das neue Pfarr­haus an der Blumen­stra­ße zur Verfü­gung. Nach hefti­gen Debat­ten im Kirchen­ge­mein­de­rat fiel das alte Pfarr­haus schließ­lich der Spitz­ha­cke zum Opfer. (Weite­re Einzel­hei­ten zum alten evange­li­schen Pfarr­haus enthält der HVO-Bericht Nr. 26.)

Das im Text angeführ­te Schul­haus ist das Haus Aalener Straße 19, das als »Schil­ler-Haus« künftig eine Begeg­nungs­stät­te und das Oberko­che­ner Heimat­mu­se­um beher­ber­gen wird.

Volkmar Schrenk

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