Über Brunnen und Wasser­lei­tun­gen aus frühe­rer Zeit wurde schon verschie­dent­lich berich­tet (Berich­te Nr. 108, 118, 122). Das Stich­wort »Artesi­scher Brunnen« ist jedoch dabei noch nicht aufge­taucht. Bei den Projekt­ta­gen 1991 am Gymna­si­um Oberko­chen ist aber die Projekt­grup­pe »Heimat­for­schung« darauf gesto­ßen; darüber soll nun berich­tet werden.

Bekannt­lich kommt ein artesi­scher Brunnen dann zustan­de, wenn zwischen zwei mulden­för­mig gelager­ten wasser­un­durch­läs­si­gen Schich­ten an der tiefs­ten Stelle Grund­was­ser erschlos­sen wird. Da die tekto­ni­schen Voraus­set­zun­gen hierfür insbe­son­de­re in der franzö­si­schen Grafschaft Artois günstig sind, wurden solche Brunnen nicht nur zuerst dort angelegt, sondern die Landschaft gab auch den Namen für diese Art von Brunnen ab.

Antrag auf Wasser­an­schluß
Im Jahre 1836 hatte man in Oberko­chen eine Reihe von »selbst­lau­fen­den Brunnen« einge­rich­tet, die über hölzer­ne Wasser­lei­tun­gen (Deichel) aus der Luggen­loh­quel­le gespeist wurden. (Vergl. Bericht Nr. 122).

Hafner­meis­ter Anton Hug hatte im Jahr 1893 in einer schrift­li­chen Einga­be um die Erlaub­nis nachge­sucht, »an die Gemein­de­was­ser­lei­tung einen Anschluß für eine Hauswas­ser­lei­tung herstel­len zu dürfen«. Dabei hob er darauf ab, daß Bierbrau­er Schell­mann in letzter Zeit auch einen Anschluß »aus der Leitung, der er anwohnt«, erhal­ten hatte, — und was den Bierbrau­ern recht war, sollte doch auch für das in Oberko­chen führen­de Hafner­hand­werk billig sein.

Noch ein anderes Wasser­pro­blem stand an. Nachdem die Gemein­de­was­ser­lei­tung Brunnen im Katzen­bach, in der Langgaß (Heiden­hei­mer Straße) und Kirch­gaß (Aalener Straße) bis zur Mühlstra­ße hin mit Wasser belie­fer­te, wollten die Anwoh­ner des Jäger­gäß­le auch eine eigene Wasser­lei­tung haben. Diese Forde­rung hatten sie schon öfter erhoben. Beide Anträ­ge, der von Hafner Hug und die Bitte aus dem Jäger­gäß­le, standen nun am 10. Oktober 1893 auf der Tages­ord­nung des Oberko­che­ner Gemein­de­rats, — und, um es vorweg zu nehmen, beide wurden negativ beschieden.

Bier Vorrang vor Hafne­rei?
Die Oberko­che­ner Ratsher­ren entschie­den »nach statt­ge­hab­ter Beratung, dem Gesuch des Hafners Hug nicht zu entspre­chen, weil man nicht allge­mein die Herstel­lung von Hauswas­ser­lei­tun­gen gestat­ten kann, wenn nicht die öffent­li­chen Brunnen im Ort darun­ter leiden sollten«. Da dem Rat eine solche Ungleich­be­hand­lung nun doch nicht so recht war, rang man sich zur Erklä­rung durch, Bierbraue­rei­be­sit­zer Schell­mann habe den Wasser­an­schluß nur ausnahms­wei­se deshalb erhal­ten, »weil die anderen Bierbrau­er hier bereits Wasser aus der Gemein­de­was­ser­lei­tung erhiel­ten«, womit dem Gleich­heits­grund­satz wenigs­tens auf der Ebene der Bierbrau­er gehul­digt war, was man für gerecht­fer­tigt hielt, denn schließ­lich benötigt man zur Bierbraue­rei mehr Wasser als für die Hafnerei.

Ausweg: Artesi­scher Brunnen?
Nach so viel anstren­gen­der Diskus­si­on und Argumen­ta­ti­on stand nun noch das Problem »Wasser­lei­tung im Jäger­gäß­le« im Raum. Da hatte einer der Räte die zünden­de Idee, den Oberko­che­ner Wasser­haus­halt durch einen artesi­schen Brunnen aufzu­mö­beln, einen Brunnen, dessen Wasser wegen der Talla­ge Oberko­chens mit großer Kraft sprudeln würde.

Gesagt, getan! Nein, so einfach ging dies auch schon vor hundert Jahren nicht. Die Sache mußte gründ­lich von Exper­ten geprüft werden. Dies koste­te zwar auch einen Batzen Geld, aber die Ungeduld der Einwoh­ner konnte so auf schick­li­che Art besänf­tigt werden. Deshalb beschloß der Gemeinderat:

»1. unter den obwal­ten­den Umstän­den die Brunnen­lei­tung in die Jäger­gas­se vorerst nicht herstel­len zu lassen.

2. den Ortsvor­ste­her zu beauf­tra­gen, bei Firma Konrad Gsell in Stutt­gart darüber Anfra­ge zu halten, ob in der Jäger­gas­se an derje­ni­gen Stelle, wo hätte der Verteil­brun­nen gebaut werden sollen, nicht ein artesi­scher Brunnen könnte erstellt werden, um dem Wunsche der dorti­gen Bewoh­ner einiger­ma­ßen entge­gen­kom­men zu können«.

Wie wir wissen, war die Idee eines artesi­schen Brunnens in Oberko­chen aus tekto­ni­schen Gründen eine Illusi­on, — und so ist und bleibt unser Ort um eine Attrak­ti­on ärmer, nämlich die, einen artesi­schen Brunnen sein eigen nennen zu können.

Oberkochen

Zur Abbil­dung:
Schema eines Artesi­schen Brunnens am Beispiel des über 500 Meter in die Tiefe reichen­den Brunnens von La Grenel­le bei Paris.

Wesent­lich für das Funktio­nie­ren von Artesi­schen Brunnen ist folgendes:

  1. Die geolo­gi­schen Schich­ten lagern schlüs­sel­för­mig ineinander.
  2. Zwischen zwei wasser­un­durch­läs­si­gen Schich­ten (1 bis 3 und 5 in der Zeich­nung) liegt als Grund­was­ser­kör­per eine wasser­durch­läs­si­ge (meist sandi­ge) Schicht (4).
  3. Der Grund­was­ser­kör­per tritt am Becken­rand in einem Höhen­ni­veau an die Erdober­flä­che, das deutlich über dem des Becken­in­ne­ren liegt. Regen­was­ser, das bei (4) in der Erde versi­ckert, sammelt sich in den tief liegen­den Berei­chen des Grund­was­ser­kör­pers und kann von dort durch natür­li­che Verwer­fungs­spal­ten oder eigens dazu gebohr­ten sog. Artesi­schen Brunnen zutage treten.

Volkmar Schrenk

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