Fragen zu Bild 18:
Wann und aus welchem Anlaß entstand diese Aufnah­me vom Volkmars­berg­turm?
Wann wurde die 1. richti­ge Schutz­hüt­te des SAV (Block­haus) errich­tet?
Wie hoch ist der Turm? Wie hoch ist der Volkmarsberg?

Oberkochen

Lösung zu Bild 18 (BuG v. 13.5.1988)
Das Foto wurde am 26.5.1930 aufge­nom­men.
Es entstand aus Anlaß der Einwei­hung des neuerrich­te­ten Volkmars­berg­turms. Der Volkmars­berg­turm ist 23 m hoch. Die Schutz­hüt­te (Block­haus) wurde 1924 errichtet.

Den folgen­den Bericht verdan­ken wir unserem Ausschuß­mit­glied und Vorsit­zen­den des Schwä­bi­schen Albver­eins, Forst­di­rek­tor Karl Schurr.

Der Heimat­ver­ein benützt gerne die Gelegen­heit, dem Schwä­bi­schen Albver­ein zum 58. Geburts­tag des Volkmars­berg­turms am 25. Mai sehr herzlich zu gratu­lie­ren und sich bei Herrn Schurr für den ausführ­li­chen Artikel und die gute Zusam­men­ar­beit mit dem Heimat­ver­ein zu bedanken.

Die Bauge­schich­te des Volkmarsbergturmes

Das Bild zeigt das Einwei­hungs­fest des Aussichts­tur­mes am 25. Mai 1930. Eine große Schar Festgäs­te war um Hütte und den geschmück­ten Turm versam­melt. Ein Festtag für ganz Oberkochen.

Die OG des SAV besitzt aus den Jahren 1920 — 1964 eine von den Schrift­füh­rern Alf. Mayer und Gottl. Braun hervor­ra­gend geführ­te Vereins-Chronik. — Aus ihr läßt sich die Entste­hung der Bauten auf dem Volkmars­berg sehr gut verfolgen.

Schon gleich nach dem ersten Weltkrieg regte sich wieder Leben im Oberko­che­ner AV. Als Vertrau­ens­mann wurde der Fabri­kant Fritz Leitz gewählt. Er war über ein Jahrzehnt mit einer Mannschaft tüchti­ger Helfer der Motor der Ortsgrup­pe. Schon 1921 bittet der damali­ge Gauob­mann, Sanitäts­rat Dr. Keller, Heubach, bei einer Gauwan­de­rung auf den Volkmars­berg um Spenden für einen Stein­turm, der an Stelle des vor dem Kriege (1911) einem Herbst­sturm zum Opfer gefal­le­nen 16 m hohen Holztur­mes errich­tet werden soll.

Damals versam­mel­te man sich um den Bergfel­sen, der eine Windfah­ne trug. Von zwei Hütten, die zu diesem großen Wander­ertref­fen errich­tet worden waren, blieb eine als Schutz­hüt­te bestehen.

Schon 1 Jahr später (1922) wurde der Bau einer Block­hüt­te in der General­ver­samm­lung der OG beschlos­sen. (Es war übrigens das gleiche Jahr, in dem am 30.7. der Linden­brun­nen einge­weiht wurde. Man hatte ihn unter maßgeb­li­cher Betei­li­gung auch des Albver­eins nach Plänen eines Gmünder Oberbau­rats aus heimi­schen Dolomit­stei­nen errichtet.)

1923 vernich­te­te die Infla­ti­on alle angesam­mel­ten Turmrück­la­gen. Dennoch entstand 1924 dann die erste richti­ge Schutz­hüt­te, die auf dem Bild links zu sehen ist. Sie war als Block­haus errich­tet auf Findlings­stein­fun­da­men­ten. Ihre Maße waren 9,5 x 6 m. Das Dach bestand aus Dachpap­pe. Die Seiten waren aus Stangen in Block­haus­bau­wei­se errichtet.

Zuerst wurde die Hütte auf dem Zimmer­platz von Zimmer­meis­ter Brunn­hu­ber im Tal erstellt, dann zerlegt und auf den Berg gebracht. Errich­tet wurde sie in N‑Südrichtung, wie das Bild zeigt. Die Gemein­de hatte den Platz unent­gelt­lich zur Verfü­gung gestellt. Die Pläne zu dieser Hütte stamm­ten übrigens aus dem Allgäu. — Der damali­ge Stell­ver­tre­ter, Postober­inspek­tor Mahler hatte dort in Wolfegg bereits eine ähnli­che Hütte mit erbaut.

Die Einwei­hung der Hütte fand am 5.10.1924 statt. — Es war ein großes Fest, an dem vom Vereins­vor­stand die Herren Nägele und Ströhm­feld teilnah­men. — Sie erkann­ten — das Ziel der OG ist ein Turm. Die Hütte war dazu nur eine (notwen­di­ge) Zwischenstation.

1925 forder­te Herr Mahler ein Wachol­der­schutz­ge­biet — Prof. Schwen­kel von der Natur­schutz­ab­tei­lung des Landes­denk­mal­am­tes unter­stütz­te ihn. Der Gemein­de­rat war dafür zustän­dig. 1926 wurde die erste offizi­el­le Unter­schutz­stel­lung ausge­spro­chen; die 250 Morgen Wachol­der­hei­de wurden erst 12 Jahre später, 1938 unter den Schutz des Reichs­na­tur­schutz­ge­set­zes (von 1936) gestellt. 1927 wurde übrigens auch der Kocher­ur­sprung vom Gemein­de­rat als Schutz­ge­biet ausge­wie­sen. — Der Albver­ein hatte sich dafür stark eingesetzt.

1925, 1926, 1927 wurden Turmrück­la­gen gebil­det und um die Mitwir­kung des Haupt­ver­eins gekämpft. Heftig war die Reakti­on in Oberko­chen, als einsei­ti­ge (auswär­ti­ge) Vertre­ter des Natur­schut­zes den Turmbau ablehn­ten, weil das Schutz­ge­biet wegen der zu erwar­ten­den Besucher­strö­me seinen Wert verliere.

Die Antwort war klar. — Die Oberko­che­ner wollten den Turm und der Albver­ein auch. (Nachträg­lich erwies sich dies als der richti­ge Weg, denn ohne Besucher wäre der Berg sicher der Verwil­de­rung und der Auffors­tung verfallen!)

1928 sind 6 Planent­wür­fe für den Turm fertig­ge­stellt. Die Beratungs­stel­le für das Bauge­wer­be empfahl den Entwurf des Gienge­ner Archi­tek­ten Otto Schmid.

Am 11.1.1929 begrüßt die Ortsgrup­pe bei der General­ver­samm­lung im »Lamm« begeis­tert die Pläne für einen 23 m hohen Eisen­be­ton­turm, der 1930 fertig­ge­stellt sein soll. Auch ein Unter­kunfts­raum soll einge­baut werden. Der Turm soll eine Zierde sein. Kosten­vor­anschlag 25.000 M.

Am 29. Mai 1929 verhan­delt Prof. Nägele — Vereins­vor­stand — mit der Gemein­de und der Ortsgrup­pe. Die Gemein­de gibt das Stein­ma­te­ri­al und 2.000 DM, sowie ein 2.000 qm großes Erbbaugebiet.

Am 5.8.1929 wird mit dem Bau begon­nen. Schüler hatten schon 20 cbm Steine gesam­melt — 250 cbm werden benötigt.

Beim Sammeln, berich­tet die Chronik, wurden 2 Kreuz­ot­tern »unschäd­lich gemacht«, später nochmals 1 Kreuz­ot­ter und 2 »rote Ottern«. — So ändern sich die Zeiten! — Maurer­meis­ter Tritt­ler brach­te mit einem Bulldogg­wa­gen seine Stein­brech­ma­schi­ne auf den Berg. Donau­kies wurde per Bahn angefah­ren und auf den Berg trans­por­tiert. Die Familie Scherer und Nagel haben sich hier sehr verdient gemacht. Die Bauar­bei­ten wurden den Firmen Vogt, Ulm und Aißlin­ger, Aalen übertra­gen. Zuerst 15, später 25 Bauar­bei­ter werkel­ten über Wochen. Sie benutz­ten die Schutz­hüt­te als belieb­ten Koch- und Schlafraum.

Das Wasser für den Beton brach­te man mit Fuhrwer­ken über das Tiefen­tal und Berghäu­le auf den Berg. Gerüst­bau und Schalung machten immer wieder Schwie­rig­kei­ten. 170 Zentner Eisen­stan­gen mußten in die Wände einge­floch­ten werden.

Am 10. Oktober war bis 15 m Höhe betoniert, die Baustan­gen ragten bis zur Höhe von 23 m empor. Am 1. Novem­ber 1929 grüßt von der Zinne ein bänder­ge­schmück­ter Baum zum Richt­fest, das am Samstag, den 2. Novem­ber im »Ochsen« harmo­nisch und lustig gefei­ert wurde.

Im Nov. und Dez. wurden die Treppen­ge­län­der angebracht, die Fenster von Glaser­meis­ter Wingert einge­baut und die Wasser­spei­er angebracht.

Der Turm ist übrigens unten 7 x 7 m, oben 6 x 6 m im Quadrat.

Er wiegt 7.800 Ztr.: allein 200 Ztr. Eisen, 900 Sack Zement, 45.000 1 Wasser und 259 cbm Sand und Kies wurden gebraucht. Die Gesamt­kos­ten belau­fen sich auf 31.200 M. Der Haupt­ver­ein trägt davon 17.000 M, weite­re 8.000 M wurden gespen­det, den Rest von 6.000 M trägt die OG Oberko­chen gegen das Recht, die Turmein­nah­men und die Bewirt­schaf­tungs­er­lö­se für 2 Jahre zu behalten.

Die Vorbe­rei­tung der Einwei­hung des Turmes übernimmt ein Festkomité.

Ein Festab­zei­chen (noch gelegent­lich vorhan­den) und Festpost­kar­ten werden vorbe­rei­tet. Als Problem erwies sich das Neben­ein­an­der der »Koppschen Schen­ke« (Difte­le) und der Bewirt­schaf­tung durch den Albver­ein. Es zieht sich über viele Jahre hin. Aus der »Schen­ke« wird letzt­end­lich der »Holza-Hans« und die heuti­ge Schihütte.

Der 25. Mai 1930 sollte ein Heimat­tag für Oberko­chen und die ganze Gegend werden, und so wurde es auch. Die Ortsgrup­pe hatte damals 70 Mitglie­der! Die Feier der Einwei­hung am 25. Mai fand in der Presse eine sehr gute Resonanz. Bis in alle Einzel­hei­ten ist sie überlie­fert. Sie begann bei Sonnen­schein, mittags um 2.00 Uhr. Wohl 4 Tausend Wande­rer konnten Vertrau­ens­mann Fritz Leitz begrü­ßen. Als beson­de­re Gäste nannte er Wirtschafts­mi­nis­ter Reinhold Maier (später Minis­ter­prä­si­dent), Landrat Gutekunst, Aalen, Bürger­meis­ter Frank, Oberko­chen, die Albver­eins­vor­sit­zen­den und viele mehr.

3.000 Abzei­chen waren schon am frühen Nachmit­tag verkauft. Musik­ka­pel­le und Sänger­kranz betei­lig­ten sich, ebenso wie die dem Albver­ein eng verbun­de­ne Skiab­tei­lung. Die üblichen Festan­spra­chen folgten.

Die Berich­te geben ein gutes Bild der damali­gen Zeit: Deutsch­na­tio­na­les Denken, schwä­bi­scher Fleiß, wirtschaft­li­che Proble­me, politi­sche Gescheh­nis­se wie die Beendi­gung der Rhein­land­be­set­zung durch die Franzo­sen klangen ebenso an, wie der Schutz der Natur, Erholung der Menschen, vorbild­li­che freiwil­li­ge Leistun­gen und Hoffnung auf eine gesicher­te Zukunft.

Wie schnell sollte sich gerade dies ändern.
Ein großar­ti­ges Fest war der 25. Mai auf jeden Fall.

Nachwort:
Der Turm wurde zunächst sehr sehr stark besucht. Das Gäste­buch ist noch vorhan­den. Viele alte Oberko­che­ner und auch Auswär­ti­ge könnten sich dort mit ihrer Kinder­schrift wiederfinden.

1930 erhielt der Albver­ein für Turm und Hütte ein Erbbau­recht auf 99 Jahre von der Gemein­de. Proble­me gab es mit der Restfi­nan­zie­rung. 1934 übernahm der HV die letzten 4.000 M Schul­den der Ortsgrup­pe. Dafür erhält er (bis jetzt) die Turmein­tritts­gel­der. Auch die Nachbar­schaft mit der »Bergkan­ti­ne« des Pächters Kopp gab immer wieder Probleme.

Der Umschwung zum Dritten Reich hinter­läßt tiefe Spuren.

Fritz Leitz gab 1935 seine Funkti­on als Vertrau­ens­mann ab. Als Ehren­ver­trau­ens­mann hat er dem AV noch bis zu seinem zu frühen Tode 1942 nahe gestanden.

Nachfol­ger wird Oberleh­rer Mager, der treue Schrift­füh­rer, dessen Nachfol­ger Lehrer Gottlob Braun.

Schon vor dem Krieg diente der Turm als Flakbe­ob­ach­tungs­sta­ti­on — Oberko­chen war zum Rüstungs­ort geworden.

Die Ameri­ka­ner besetz­ten den Turm bis 1960 als Funksta­ti­on. Als die Zeit der militä­ri­schen Nutzung des Volkmars­ber­ges zu Ende ging, regte sich ein neuer — moder­ner Geist — Großes freiwil­li­ges Engage­ment der Altein­ge­ses­se­nen und Neubür­ger Oberko­chens schaff­ten es — dank einer fried­li­chen Zeit des Wohlstands aus dem »Berg« das zu machen, was er heute ist — ein beispiel­haf­ter Kompro­miß zwischen Natur­schutz und Erholungs­be­dürf­nis der Menschen.

Der Albver­ein weiß um diese Verpflich­tung für die Zukunft.

FD Karl Schurr

In der Ausschutz­sit­zung des Heimat­ver­eins vom 16.5.1988, wurde beschlos­sen, die Serie »Oberko­chen, — Geschich­te, Landschaft, Alltag« auch nach der Bespre­chung der Quizbil­der des heimat­kund­li­chen Quizes vom Novem­ber letzten Jahres, die nun während des letzten halben Jahrs wöchent­lich erfolgt ist, fortzu­füh­ren, — aller­dings in loser Folge. Außer­dem möchten wir in Zukunft Text und Bild gemein­sam veröf­fent­li­chen. Wir würden uns freuen, wenn auch in Zukunft das Echo bei den Lesern so rege bliebe.

Dietrich Bantel

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