Gleich wie der Turm einer Kirche aus den Dächern der Stadt optisch heraus­ragt, so sind die Glocken akusti­sche Boten, die durch ihr Läuten unüber­hör­bar auf die frohe Botschaft des Evange­li­ums aufmerk­sam machen.

Die evange­li­sche Kirchen­ge­mein­de Oberko­chen begeht Ende Oktober 1992 das fünfund­zwan­zig­jäh­ri­ge Jubilä­um ihrer Versöh­nungs­kir­che. Aus diesem Anlaß bringen wir eine Betrach­tung über die Kirchen­glo­cken der Oberko­che­ner evange­li­schen Kirchen.

Glocken der alten Oberko­che­ner Kirchen
Über die Glocken der ersten evange­li­schen Kirche in Oberko­chen, deren Bau im Jahre 1582 begon­nen wurde, ist nicht viel bekannt. Erst wesent­lich später schrieb Pfarrer Hornber­ger, der Vater des Missio­nars und Fotogra­fen Chris­ti­an Hornber­ger, in seinem Bericht vom Febru­ar 1829: »Die Kirche hat auch einen kleinen hölzer­nen Turm (Dachrei­ter) mit drei kleinen Glocken, welche übrigens nie, außer zu den Gottes­diens­ten geläu­tet werden«. Hinter dieser merkwür­di­gen Feststel­lung steht der bekann­te Umstand, daß die Glocken­sei­le durch das Schlaf­zim­mer der Pfarr­leu­te führten und diese an unlieb­sa­men Störun­gen nicht inter­es­siert waren.

Im Jahre 1875 wurde die erste, inzwi­schen längst baufäl­lig gewor­de­ne Kirche abgeris­sen und auf den alten Grund­mau­ern die zweite evange­li­sche Kirche Oberko­chens gebaut, wieder­um mit einem Dachrei­ter für die Glocken, aber ohne Pfarr­woh­nung. Im Jahre 1867 ertön­te das von Glocken­gie­ßer Kurtz in Stutt­gart gegos­se­ne und in D‑Dur gestimm­te Glocken-Terzett zum ersten­mal über Oberkochen.

Während des ersten Weltkriegs mußten zwei Glocken zu Rüstungs­zwe­cken abgelie­fert werden. »Glocken zu Kanonen« laute­te die Devise. Nach Kriegs­en­de konnte das Geläut mit Hilfe von Spenden aus der Gemein­de wieder vervoll­stän­digt werden. Nach kurzer Zeit wieder­hol­te sich das böse Spiel: Während des zweiten Weltkriegs wurden wieder­um zwei Glocken beschlag­nahmt, »so daß für viele Jahre nur das Kleine »Armsün­der­glöck­lein« zur Verfü­gung stand«. Nach Kriegs­en­de legte die Gemein­de abermals zusam­men und 1949 »hielten vier neue Glocken aus der Glocken­gie­ße­rei Bachert in Kochen­dorf ihren Einzug auf dem Glocken­türm­chen« (G. Braun).

Nun aber gab es Schwie­rig­kei­ten anderer Art. Der Dachrei­ter war der Belas­tung durch vier Glocken, auch wenn sie nicht sehr groß waren, nicht gewach­sen. Um ein Unglück zu vermei­den, verbot eines schönen Tages das Landrats­amt Aalen das Läuten der Glocken. Nun war guter Rat teuer (im wahrs­ten Sinn des Wortes), denn die Verant­wort­li­chen traten die Flucht nach vorne an und bauten im Jahre 1953 zum vorhan­de­nen Geläut der vier Glocken einen stabi­len Kirch­turm, »errich­tet als ein weite­rer Zeige­fin­ger Gottes in unserer Gemein­de« (so in der Urkun­de zur Grund­stein­le­gung im August 1953 von Bürger­meis­ter Bosch formu­liert). Dieser Turm zählt heute noch zu den charak­te­ris­ti­schen Wahrzei­chen der alten Ortsmit­te Oberkochens.

Als im Laufe der Nachkriegs­ent­wick­lung Oberko­chens die zweite evange­li­sche Kirche zu klein wurde, baute die Kirchen­ge­mein­de an anderer Stelle beim Guten­bach eine neue Kirche, die Versöh­nungs­kir­che, die nach einigem Hin und Her schließ­lich auch einen Kirch­turm erhielt.

Das Geläut der Versöh­nungs­kir­che
Zusam­men mit einem Glocken­sach­ver­stän­di­gen der Landes­kir­che wurden Überle­gun­gen angestellt, wie die bishe­ri­gen vier kleinen Glocken der Tonfol­ge h’, d”, e”, fis” — Fachkun­di­ge sehen, daß es sich um sehr hohe Töne handel­te — in ein neues Geläut integriert werden könnten. Die Vorstel­lung war, ein Geläut zu schaf­fen, das mit dem der katho­li­schen Kirche harmo­niert und ihm ebenbür­tig ist. Dazu sollte die h’-Glocke in ces” umbenannt werden, die d”-Glocke könnte durch Umgie­ßen einen halben Ton tiefer und die e”-Glocke entspre­chend höher gemacht werden. Als Grund­ton­glo­cke soll eine 500 kg schwe­re as’-Glocke mit einem unteren Durch­mes­ser von knapp einem Meter neu gegos­sen werden. Überle­gun­gen, die alte fis”-Glocke als fünfte Glocke in das Geläut aufzu­neh­men, konnten nicht reali­siert werden. Diese im Jahre 1949 gegos­se­ne Glocke ist noch im Besitz der Kirchen­ge­mein­de. Sie soll mögli­cher­wei­se zum Jubilä­um der Versöh­nungs­kir­che der Öffent­lich­keit präsen­tiert werden.

Für die Umrüs­tung der Glocken mußten 13.000 DM angelegt werden, dazu kamen noch 4.300 DM für die neue Läute­ma­schi­ne. Zur finan­zi­el­len Einspa­rung verzich­te­te der Kirchen­ge­mein­de­rat auf eine Glocken­zier. Der Vermerk »Versöh­nungs­kir­che Oberko­chen« wurde jedoch angebracht.

Die neuen Glocken wurden am 6. Dezem­ber 1968 von der Glocken­gie­ße­rei Bachert in Kochen­dorf gegos­sen. Augen­zeu­gen dabei waren rund 30 Oberko­che­ner, die mit einem Bus angereist waren. Aber nicht nur der Guß der Glocken hatte Inter­es­sen­ten angelockt, auch für die Kosten der neuen Glocken fanden sich unter den Oberko­che­ner Gemein­de­glie­dern großher­zi­ge Stifter.

Funkti­on der Glocken
Das Geläut auf dem Turm der Versöh­nungs­kir­che besteht somit aus vier Glocken, zwei davon stammen vom bishe­ri­gen Kirch­turm, zwei wurden neu, aber teilwei­se unter Verwen­dung von vorhan­de­nem Materi­al gegossen.

Es sind dies:
— Die tiefs­te Glocke in as’ mit 500 kg Gewicht und 980 mm Durch­mes­ser und der Inschrift »Vater unser im Himmel, gehei­ligt werde dein Name«,
— die beiden mittle­ren Glocken in ces” und des”. Die eine mit einem Gewicht von 320 kg und einem Durch­mes­ser von 840 mm und der Inschrift »Ehre sei Gott in der Höhe, Frieden auf Erden«, die andere mit einem Gewicht von 230 kg und einem Durch­mes­ser von 750 mm. Sie trägt als Inschrift die Mahnung
»Wirket, solan­ge es Tag ist«,
— die kleins­te Glocke in fes” hat ein Gewicht von 130 kg und einen Durch­mes­ser von 630 mm. Ihre Inschrift lautet:
»Fürch­te dich nicht, glaube«.

Der Einsatz der Glocken ist in der Läutord­nung festge­legt. Diese sieht vor:
— Volles Geläut zu Gottes­diens­ten, Beerdi­gun­gen und Trauun­gen.
— Volles Geläut zu beson­de­ren Anläs­sen (Neujahr, Karfrei­tag 15 Uhr, Ostern 6 Uhr, Vortag von Sonn- und Feier­ta­gen 16 Uhr),
— Vater­un­ser­glo­cke beim Beten des Vater­un­sers während der Gottes­diens­te zum Zeichen des Mitbe­tens für Außen­ste­hen­de,
— die Taufglo­cke während einer Taufhand­lung,
— die Toten­glo­cke nach Bekannt­wer­den eines Todes­falls um 14 Uhr,
— die Betglo­cke zu den Gebets­zei­ten 7 Uhr, 12 Uhr und 19 Uhr.

Nicht verschwie­gen soll hier sein, daß das Läuten der Glocken in der Umgebung der Kirche nicht immer auf eitel Freude stößt. Deshalb wurde im Jahre 1972 der Schall­pe­gel der Glocken im Auftrag des Landrats­am­tes vom Insti­tut für Techni­sche Physik der Fraun­ho­fer­ge­sell­schaft gemes­sen. Das Ergeb­nis war, daß das Geläut der Versöh­nungs­kir­che die zugelas­se­nen Richt­wer­te nicht überschrei­tet. Dennoch wurde nachts das Schlag­werk der Uhr abgestellt und die Läutzei­ten etwas reduziert.

Die Glocken der drei evange­li­schen Kirchen beglei­te­ten das Leben der Gemein­de über die Jahrhun­der­te hinweg, kündig­ten Gottes­diens­te und Taufen an, läute­ten zum Neuen Jahr, luden zu Gebet und Toten­ge­den­ken ein, mußten in den Jahren der Kriege verstum­men, klangen hell in fried­li­chen Zeiten, harmo­ni­sie­ren mit den Glocken der St. Peter- und Pauls­kir­che: Mögen sie auch künftig ihre Stimmen ungestört erschal­len lassen!

Oberkochen

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