Seit Aufkom­men einer freien Presse in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhun­derts finden sich in den Zeitun­gen unter den Nachrich­ten aus Oberko­chen immer wieder Berich­te über Theater­auf­füh­run­gen, mit denen Oberko­che­ner Laien­spie­ler ins Rampen­licht der Öffent­lich­keit traten.

Eine frühe »Hochzeit« laien­spie­le­ri­schen Wirkens waren die achtzi­ger Jahre des vorigen Jahrhun­derts, in denen der katho­li­sche Kirchen­chor und der Cäcili­en­ver­ein unter Lehrer Gutmann (gestor­ben 1891) Großes leiste­ten (siehe BuG-Bericht Nr. 135). Zu erwäh­nen sind hier auch »Allein­un­ter­hal­ter« wie z.B. der »schlaue Hansel« Franz Grupp. Die Spiel- und Theater­tra­di­ti­on des katho­li­schen Kirchen­chors lebte unter Wolfgang Porzig mit Musical und Revue neu auf. Sie reicht mit Theater­auf­füh­run­gen der Jugend in den achtzi­ger Jahren (Bonifa­ti­us, Franz von Assisi) bis in unsere Zeit hinein.

In den Jahren zwischen den Weltkrie­gen waren der Turnver­ein (z.B. 1925 »Der Student von Ulm«) und der Sänger­bund aktiv beim Theater­spie­len. Aber auch der Albver­ein würzt bis heute seine Famili­en­aben­de immer wieder durch Theateraufführungen.

Ab 1959 begann am Gymna­si­um Oberko­chen eine bis in die Gegen­wart herein­rei­chen­de »Spiel­zeit« mit Jugend­o­pern (»Des Kaisers neue Kleider«, »Rumpel­stilz­chen« u.a.), Schau­spie­len (»Die Tarnkap­pe«, Hans-Sachs-Spielen, »Der Kleine Prinz« u. v. mehr), Szeni­sche Kanta­ten (»Der Struw­wel­pe­ter«, »Die Heinzel­männ­chen«, »Max und Moritz«, »Ali-Baba«). In jüngs­ter Zeit macht die Theater-AG des Gymna­si­ums mit Musical-Auffüh­run­gen von sich reden.

Schau­spiel Josef und seine Brüder
Die Geschich­te aus dem 1. Buch Mose von Josef und seinen Brüdern hat häufig als Vorla­ge für Theater­stü­cke gedient. Vor allem Laien­spiel­grup­pen haben sich dieses präch­ti­gen Stoffes gerne angenommen.

Und so kann heute über zwei Oberko­che­ner Auffüh­run­gen der Josefs­ge­schich­te berich­tet werden. Die jüngs­te aus dem Jahre 1992, wo der Stoff als Musical geboten wurde, die ältere im Jahre 1886 als großes Schau­spiel des katho­li­schen Kirchenchors.

Dem Betrach­ter der Auffüh­rungs­be­rich­te tun sich völlig unter­schied­li­che Welten auf, liegen doch zwischen den beiden Auffüh­run­gen 106 Jahre. Sympto­ma­tisch für die jewei­li­ge Zeit ist der Titel des Stücks. Sprach die Anzei­ge in der »Kocher-Zeitung« vom 14. März 1886 vom »Bibli­schen Schau­spiel Josef und seinen Brüdern, das an drei Tagen gegeben wird, so daß die Bahn zur Rückrei­se noch benutzt werden kann«, so laute­te der Titel im Jahre 1992 »Joseph and the Amazing Techni­co­lor Dream­coat«, ein Musical nach Webber.

Oberkochen

Die Josef­ge­schich­te 1992
Sie ging zum Start des Stadt­fes­tes 1992 und beim Jubilä­um der Gesell­schaft der Freun­de und Förde­rer des Gymna­si­ums witzig-sprit­zig als Musical über die Bretter. Vielen begeis­ter­ten Zuschau­ern sind die einzel­nen Szenen noch in lebhaf­ter Erinne­rung. So etwa das tränen­rei­che Geständ­nis der 11 Brüder über das vermeint­li­che Unglück des Lieblings­soh­nes, durch überdi­men­sio­na­le Taschen-(=Lein-)Tücher symbo­li­siert. Oder der Aufzug des Pharao aus der Tiefe des Saales, oder der showbüh­nen­rei­fe Benja­min-Calyp­so, um nur einige zu nennen. Die Auffüh­rung, an deren Erfolg außer den Einzel­dar­stel­lern, Sänge­rin­nen und Sängern auch der Chor, eine Musik­band und die Bühnen­bild-AG wesent­li­chen Anteil hatten, zeugte vom hohen Niveau, das die Theater-AG des Gymna­si­ums im Lauf der Jahre durch ihre verschie­de­nen Auffüh­run­gen erlangt hat.

Die Josefs­ge­schich­te 1886
»Der letzte Sonntag­abend brach­te uns einen selte­nen Genuß«, so schreibt der Korre­spon­dent der »Kocher-Zeitung« am 3. März 1886 in seinem Blatt. Er fährt fort: »Die Mitglie­der des katho­li­schen Kirchen­chors brach­ten unter Leitung von Lehrer Gutmann ein religiö­ses Schau­spiel »Josef und seine Brüder« zur Auffüh­rung. Hörte man schon länger von den umfang­rei­chen Vorbe­rei­tun­gen, von der Pracht der Kostü­me und dem eifri­gen Zusam­men­wir­ken aller Betei­lig­ter und waren demnach die Erwar­tun­gen der zahlrei­chen Zuschau­er sehr gespannt, so sind diese Erwar­tun­gen in der Tat übertrof­fen worden«.

Fünf Akte zählte das Schau­spiel damals. »Einge­lei­tet wurde das Spiel durch ein leben­des Bild, den Verkauf Josefs darstel­lend; eine mit größter Sorgfalt darge­stell­te Gruppe, welche die Zuschau­er mit sicht­li­cher Rührung ergriff!« Unter den Akteu­ren wurde hervor­ge­ho­ben A. Balle, der den Patri­ar­chen spiel­te und dessen »deutsche Ausspra­che beson­ders gelobt« wurde, und Pia Gutmann, die Tochter des Lehrers, »welche die Zuschau­er in wahre Rührung versetz­te«. Aber auch heite­re Szenen waren in dem Stück einge­baut, so eine mit dem »wohlge­schwärz­ten Mohr Sam, der mit schwar­zem Tricot und weisen Reden sich beim Publi­kum in wohlver­dien­te Gunst setzte«.

Beson­ders gerühmt wurden die Kostü­me, für die Frau Gutmann zustän­dig war. Sie seien »brillant und geschmack­voll« gewesen und »ganz korrekt sowohl in Farben als auch in der Anfertigung«.

Schlie­ßen wir diese Betrach­tun­gen ab mit einer Bemer­kung, die aus Anlaß einer späte­ren Auffüh­rung — es war das Schau­spiel »Die heili­ge Elisa­beth, Landgrä­fin von Hessen und Thürin­gen« — am 22. Septem­ber 1891 in der »Kocher-Zeitung« zu lesen war:

»… Viele hielten es nicht für möglich, daß auf dem Lande solches zustan­de gebracht werden könnte. Andere äußer­ten sich, daß sie etwas schöne­res selbst in größe­ren Städten nicht gesehen hätten. Oberko­chen hat das Seini­ge getan und es gereicht ihm zur größten Ehre, daß es unter allen Landor­ten als erster solches gewagt hat«.

Oberkochen

Abbil­dung 1: Leider gibt es von histo­ri­schen Auffüh­run­gen keine Fotos. Deshalb wird aus dem Archiv des katho­li­schen Kirchen­chors eine Abrech­nung über »Einnah­men und Ausga­ben für Anschaf­fung diver­ser Gegen­stän­de des Kirchen­chors zu den Spielen Joseph und seine Brüder und Stern von Bethle­hem inclu­si­ve Musika­li­en« wieder­ge­ge­ben. Den Einnah­men von 476 Mark stehen Ausga­ben in Höhe von 535 Mark gegen­über: Erstaun­li­che Beträ­ge aus einer Zeit, in der dag Ei 4 Pfenni­ge, ein Kilo Schwarz­brot 20 Pfenni­ge kosteten.

Abbil­dung 2: Foto aus der Sammlung Kuno Gold: Theater­grup­pe des Sänger­bunds 1935 v.li.n.re.: Rosa Grupp, Burghardt, Hedwig Gold, ? Bezler, Ottmar Gold, Klara Gold, Heiner Grupp, Karl Schaupp, Josef Seitz, Aloysia Bezler, ? Anhorn, Berta Gold, Anton Bezler.

Volkmar Schrenk

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte