Der Name Hugo Laiss­le begeg­net uns in Beschrei­bun­gen Oberko­chens aus den Gründer­jah­ren immer wieder. (Heimat­buch S. 136, HVO-Berich­te Nr. 23 und Nr. 33, Festschrift der Oberko­che­ner Bank, Artikel von D. Bantel). Auch in der Aalener Kocher-Zeitung taucht Hugo I,aißle in den Jahren 1890 bis 1895 mehrmals auf.
Versu­chen wir also, aus bunten Mosaik­stein­chen ein Bild zu formen von Hugo Laißle, der wohl so etwas wie der Urtyp eines umtrie­bi­gen und »schaf­fi­gen« Schwa­ben war. Da er in seinen Oberko­che­ner Jahren die »Obere Mühle« im Besitz hatte, begeg­nen uns dabei auch inter­es­san­te Einzel­hei­ten über diese Mühle, die wohl noch aus den Zeiten stamm­te, da das Kloster Königs­bronn im südli­chen Teil Oberko­chens das Sagen hatte, die aber im Jahre 1953 der Spitz­ha­cke zum Opfer fiel.

Umtrie­bi­ger Schwa­be
Karl Hugo Laißle — so sein voller Name — wurde am 2. Juni 1852 in Obertürk­heim geboren (Napole­on III. war in diesem Jahr Kaiser Frank­reichs gewor­den, aber der »gute Stern« leuch­te­te damals noch nicht über dem Neckar­tal). Da der Vater eine Maschi­nen­fa­brik in Reutlin­gen betrieb, wurde der Sohn Ingenieur und übernahm den Betrieb später. Laißle heira­te­te im Jahre 1881 in Cannstatt die aus Ulm gebür­ti­ge Bertha Pauli­ne Beck und arbei­te­te zunächst im väter­li­chen Betrieb in Reutlin­gen, kam aber dann in halb Europa herum. Die Geburts­or­te der drei Töchter der Familie weisen dies aus: Hedwig, geboren 1882 in Reutlin­gen, Leoni, 1889 in Chemnitz, und Alice, 1886 in Wien zur Welt gekom­men. Im Jahre 1888 dürfte Laißle von dem beabsich­tig­ten Verkauf der oberen Mühle in Oberko­chen gehört haben und entschloß sich, dort einzusteigen.

Oberkochen

Vorgän­ger
Der damali­ge Besit­zer der oberen Mühle, Sophi­as Zimmer­mann, konnte im Jahre 1887 seinen Betrieb nicht mehr weiter­füh­ren. Er hatte sich offen­sicht­lich mit der »vollstän­dig neu einge­rich­te­ten Kunst­müh­le« finan­zi­ell übernom­men und mußte, obwohl »die Mühle in bestem Betrieb stand«, Konkurs anmel­den. Das K. Amtsge­richt schrieb die Mühle samt Liegen­schaf­ten, leben­di­gem und totem Inven­tar »im öffent­li­chen Aufstreich« zum Verkauf aus.

Das Verkaufs­an­ge­bot beschreibt inter­es­san­te Einzel­hei­ten: Die Mühle war ausge­stat­tet mit »drei Mahlgän­gen, einem doppel­ten Kunst­mahl­gang und einem Gerber­gang«. Auch waren »Sackauf­zug, Grieß- und Kernen­putz­ma­schi­ne, ein neuer Walzen­stuhl mit Hartguß­wal­zen, vier Schöpf­wer­ke, zwei Mahlschne­cken, Mehl- und Vorrats­kas­ten« vorhan­den. Der Antrieb erfolg­te durch »Wasser­kraft mit 15 Pferde­stär­ken und zwei eiser­ne Wasser­rä­der«, und die Mühle besaß einen »durch­aus soliden und dauer­haf­ten Wasser­bau und die Wasser­kraft war eine stets ausreichende«.

Das Anwesen bestand aus dem »dreistö­cki­gen Wohn- und Mühlen­ge­bäu­de aus Stein und Riegel­werk, einem Schwei­ne­stall, einem an die Scheu­er angebau­ten Wagen­haus und dem 2a 44 qm großen Hofraum«. Außer­dem gehör­ten Gärten, Wiesen und Äcker zum Besitz, u. a. auch eine »Tuchblei­che« von 3a 82 qm Größe. Ein »ganzes Realrecht im Wert von 3.200 Mark runde­te den Besitz ab. Die festge­setz­te Verkaufs­sum­me betrug 101.381 Mark — damals ein stolzer Preis — wobei ein Viertel des Betrags beim Kauf in bar, »der Rest in drei gleichen Jahres­ziel­ern pro Marti­ni zu bezah­len« war. Zum Verwal­ter war Gemein­de­rat Jakob Sapper bestellt, die Verkaufs­kom­mis­si­on bestand aus Schult­heiß Wingert und Gemein­de­rat Beißwanger.

Hugo Laißle übernimmt die Obere Mühle
Die Verkaufs­ver­hand­lun­gen zogen sich einige Zeit hin. Am 12. Juli 1890 vermerkt das Gemein­de­rats­pro­to­koll: »Hugo Laißle, Ingenieur aus Reutlin­gen, zur Zeit wohnhaft in Cannstatt, hat die Obere Mühle käuflich erwor­ben, um daselbst eine Fabrik­an­la­ge zu errich­ten«. Danach beantragt er, ihm 3a 55 qm eines angren­zen­den Grund­stücks zu verkau­fen und bietet dafür 100 Mark. Dieser Platz war bisher von Oberko­che­ner Hafnern als Holzla­ger­platz genutzt worden. Weil »er vollstän­dig zwischen fremdem Eigen­tum liegend die Gemein­de wenig nütze und der Kaufschil­ling das bishe­ri­ge Pacht­geld überstei­ge und das neue Unter­neh­men die Oberko­che­ner Indus­trie öhebe«, stimm­ten Gemein­de­rat u. Bürger­aus­schuß dem Gesuch zu (zum Nachteil des Hafner­ge­wer­bes, das sich damals ohnedies in schlech­ter Positi­on befand).

Am 20. Oktober 1890 wurde im Handels­re­gis­ter beim Amtsge­richt Aalen die neue Firma mit »Hugo Laißle, Ingenieur in Cannstatt, Inhaber einer Präzi­si­ons-Ziehe­rei und Spezi­al­fa­bri­ka­ti­on von Trans­mis­sio­nen« einge­tra­gen. Damit gehör­te die Obere Mühle als »Kunst- und Kunden­müh­le« der Vergan­gen­heit an. Hugo Laißle war kein Müller, er wurde stets als Fabri­kant bezeich­net und sein Métier war die Technik.

Im Frühjahr 1892 baute Laißle sich eine dampf­ge­trie­be­ne Turbi­ne ein. Diese scheint aber die in sie gesetz­ten Erwar­tun­gen nicht erfüllt zu haben, denn er suchte am 12. Oktober 1892 um Geneh­mi­gung zum Bau »eines mittel­schläch­ti­gen eiser­nen Wasser­rads nach, das 5,5 Meter und 1,65 Meter breit« sein sollte. Die Radstu­be war »mit einer lichten Länge von 4,25 Meter und einer lichten Breite von 3 Metern« geplant.

Volkmar Schrenk

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