Im Oberkochener Heimatbuch schreibt Engelbert Mager auf Seite 324: »1890 war vom Staatlichen Vermessungsamt zu Meß- und Orientierungszwecken ein Holzturm auf dem Volkmarsberg erstellt worden. 1897 wurde er vom Albverein erworben und um fünf Meter auf sechzehn Meter erhöht. Am 27. Juni 1897 war die Einweihung, die durch wolkenbruchartige Regen gestört wurde«.
Gemeinderatsprotokolle und Berichte der Aalener »Kocher-Zeitung« ermöglichen uns, nähere Einzelheiten dazu zu nennen.
Gemeinderatsbeschluß von 1895
Am 13. Januar 1895 hielt der Nordostgau des Schwäbischen Albvereins im Hotel »Post« in Aalen eine Gauversammlung ab. Dabei wurde auch über das Schicksal des einst als Vermessungspunkt auf dem Volkmarsberg errichteten Stangengerüsts verhandelt. Da inzwischen der Zahn der Zeit kräftig an ihm genagt hatte, gab es nur zwei Alternativen: Das Gerüst wird abgebaut oder es wird versucht, daraus einen echten Aussichtsturm zu machen. Nach intensiver Debatte neigte man dem Ausbau zu und machte den Vorschlag, der Albverein werde auf seine Kosten das Gerüst sanieren und auf eine Höhe von 16 Metern aufstocken. Dafür möge dann das gesamte Bauwerk in die Obhut der Gemeinde Oberkochen, auf deren Grund und Boden es ja stand, übergehen.
Der Oberkochener Vertreter im Gauausschuß, Oberförster Weiger (später Ehrenbürger Oberkochens) brachte diesen Vorschlag am 15. Januar 1895 im Gemeinderat ein, der dann den Beschluß faßte, den neuen Turm in das Eigentum der Gemeinde zu übernehmen, »unter der Bedingung, daß zu den Unterhaltungskosten stets angemessene Beiträge von Seiten des Albvereins in Aussicht zu nehmen sind. Eine Pflicht zur Wiedererstellung des Turmes, wenn derselbe abgängig werden sollte, übernimmt die Gemeinde nicht«.
Festvorbereitung
Gut Ding will Weile haben, diese alte Erkenntnis bewahrheitete sich auch bei der Turmübergabe: Endlich aber war es soweit: Am 27. Juni, dem Siebenschläfertag des Jahres 1897, sollte die Übernahme und Einweihung groß gefeiert werden.
Die verantwortlichen Oberkochener, Schultheiß Bezler und Oberförster Weiger als Vertrauensmann des Albvereins, hatten die Idee, am Fest den gesamten Nordostgau des Albvereins zu beteiligen. Ein Sonderzug aus Stuttgart sollte ca. 500 Teilnehmer nach Unterböbingen bringen, die Aalener Albvereinler sollten bei Heubach dazustoßen. Insgesamt wurde mit 1000 Teilnehmern gerechnet, die über den Rosenstein zum Volkmarsberg wandern würden.
Deshalb warfen sich die Oberkochener schwer ins Zeug: Girlanden wurden gewunden, Fahnen auf den Berg geschleppt, Kuchen gebacken, Würste bereit- und Bier kaltgestellt. Der Gesangverein unter Lehrer Ferdinand Fünfer hatte seine Mitwirkung zugesagt und auch die Stadtkapelle Aalen sollte mit von der Partie sein.
Auch das Wetter schien mitzumachen. Der Wetterbericht war günstig (und den Schlußsatz des Berichts, wonach einzelne Gewitterwirbel von der Schweiz her nach Süddeutschland übergreifen könnten, übersah man geflissentlich).
Doch mit des Geschickes Mächten …
Am Sonntagmorgen machten sich die Oberkochener auf den Weg zum Berg. Von Osten her schien die Sonne warm und freundlich. Aber als die Wanderer Höhe gewonnen hatten und Sicht nach Westen bekamen, erschraken sie gewaltig: In Richtung Rosenstein braute sich eine schwarze, teilweise schwefelgelbe Wolkenwand zusammen. Nach kurzer Zeit zuckten die ersten Blitze aus den Wolken, ein Sturm erhob sich und sintflutartiger Regen überschüttete Berg und Tal.
Als nach etwa einer Stunde die Gewalt des Unwetters etwas nachließ, entdeckten die Oberkochener eine böse Bescherung: Der Turm hatte zwar Sturm und Regen getrotzt, aber die liebevoll gewundenen Girlanden waren zerzaust, die zerrissenen Fahnen fanden sich an den Bäumen des nahen Waldes als bunte Lappen wieder, ein Jammerbild, das glücklicherweise der bald aufkommende Nebel einigermaßen verhüllte.
Naß, aber dennoch fröhlich
Schultheiß Bezler und Oberförster Weiger ließen sich durch diese widrigen Umstände nicht entmutigen, machten sich aber dennoch große Sorgen um die Wanderer. Würden sie überhaupt kommen, waren sie von Wind und Regen verweht? Schließlich zündete man wie vereinbart die Böller zum Gruß für die Wanderfreunde. Endlich tauchten einzelne Gestalten regendicht vermummt aus der Tiefe des Waldes auf — und, o Wunder, es kamen immer mehr, und, noch größeres Wunder, obwohl bis auf die Haut durchnäßt, waren sie fröhlichen Sinnes und hatten sogar ein Lied auf den Lippen: Was ein rechter Albvereinler ist, läßt sich durch ein paar Regentropfen, und seien sie noch so dick und zahlreich, nicht verdrießen.
Reden
Schultheiß Bezler begrüßte die Gäste, Oberförster Weiger entbot ein herzliches Willkommen des Albvereins in gereimter Form, Vereinsvorstand Cammerer hielt eine kurze Bergpredigt. Alles endigte »in einem donnernden Hoch auf den Albverein und seine wetterfesten Mannen und Frauen.«

Eine kleine Begebenheit am Rande wirft ein Licht auf die damals schon existierende Rivalität zwischen Aalen und Heidenheim. Oberförster Weiger sprach in seiner Rede vom »Volkmarsberg bei Heidenheim«, was bei den Aalenern Kopfschütteln auslöste. »Hat Aalen das Vorrecht der Nähe des Volkmarsberges verwirkt?« — so wurde in der Zeitung gefragt, aber dann doch versöhnlich festgestellt, »eine Versetzung des Volkmarsberges vom Oberamt Aalen ins Oberamt Heidenheim ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten«.
Das Ende vom Fest
Nicht nur die Hochrufe der Festteilnehmer und die Böllerschüsse hallten donnernd über den Berg, auch das Unwetter hatte neue Kräfte gesammelt und »überschüttete die Albvereinsgemeinde mit erneuten Regengüssen« und alles begann zu flüchten. »Die meisten wandten sich Oberkochen zu, um mit dem Zug nach Aalen zu fahren, einige Unentwegte schlugen den Weg über den Langert ein«.
Zurück blieben die Oberkochener Älbler, zwar enttäuscht über das im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallene Fest. Aber dem Vernehmen nach soll später, als Schock und Frust abgeklungen und überwunden waren, dennoch zünftig gefeiert worden sein.
Volkmar Schrenk
PS: Ein Bild von der Einweihung findet sich im Heimatbuch S. 325.