In den beiden voraus­ge­hen­den Berich­ten war über Herkunft und Familie des Oberko­che­ner Schul­meis­ters erzählt und seine musika­li­sche Arbeit gewür­digt worden. Das dabei entstan­de­ne Bild von Johann Konrad Balluff soll nun verdeut­licht werden, durch Geschich­ten und Szenen, die aus Zeitungs­be­rich­ten, Pfarr-Convents­auf­zeich­nun­gen und aus Schult­hei­ßen­amts­pro­to­kol­len zu entneh­men war.

Ohrfei­ge zur Kirchen­ord­nung
»Er habe gestern dem Schul­kna­ben Johann B., der wie gewöhn­lich, so auch gestern wieder in der Kirche unartig war und einen anderen Knaben aus dem Kirchen­stuhl hinaus­ge­drückt habe, vor dem Gottes­dienst wegen der Kirchen­ord­nung eine Ohrfei­ge gegeben«, so sagt das Kirchen­con­vents-Proto­koll vom 21. Dezem­ber 1833 über Lehrer Balluff. Dennoch war nicht der Schul­meis­ter angeklagt, sondern dieser klagte seiner­seits gegen die Base des Geohr­feig­ten, die während des Gottes­diens­tes über ihn »ungebühr­li­che Worte aussto­ßend« die Kirche verlas­sen habe. Auch die Mutter des Jungen misch­te sich ein, »schimpf­te öffent­lich auf der Gasse über den Lehrer, daß sich die Kirchen­leu­te auf dem Kirch­weg versam­melt haben«. Dies konnte Lehrer Balluff nicht hinneh­men, zumal die Base »am Kirchen­tor gesagt habe, sie wolle sehen, wer der Herr sei« und die Mutter meinte, »ihr Sohn sei nur deshalb gestraft worden, weil sie dem Lehrer keine Geschen­ke mache«.

Die beiden Frauen wurden vor dem Kirchen­con­vent vernom­men, auch Lehrer Balluff und mehre­re Zeugen zum Vorfall gehört. Das Urteil für Mutter und Base laute­te auf einen Gulden Geldstra­fe und Andro­hung von Arrest im Wiederholungsfall.

Wohnungs­sor­gen
Am 25. August 1833, das Ehepaar Balluff hatte damals drei Söhne, beantrag­te Schul­meis­ter Balluff, »es möge ihm gestat­tet werden, auf seine Kosten einen Verschlag in das Schul­zim­mer machen zu dürfen, damit es zur Winters­zeit leich­ter erwärmt und der Verschlag als Schlaf­zim­mer für seine Kinder benützt werden könne«.

Dies wurde mit folgen­der Begrün­dung abgelehnt: 1. sei es »unschick­lich, nur durch einen leich­ten Verschlag vom Schul­zim­mer getrennt ein Schlaf­zim­mer für die Lehrers­kin­der einzu­rich­ten, 2. weil die Schule durch die Kinder gestört werden könne, 3. weil der H. Schul­leh­rer seit Vergrö­ße­rung des Schul­zim­mers eine Holzzu­la­ge erhal­te, somit das Schul­zim­mer hinläng­lich geheizt werden kann«.

Mesner­dienst
Johann Konrad Balluff war nicht nur katho­li­scher Schul­meis­ter in Oberko­chen und Musiker, Organist und Chorlei­ter neben­bei, sondern er hatte auch Mesner­diens­te zu tun. (Ob er auch, wie berich­tet, in der evange­li­schen Kirche zeitwei­lig Mesner- und Organis­ten­diens­te leiste­te, darf aber doch bezwei­felt werden). Über Unzuläng­lich­kei­ten beim Öffnen der Kirchen­tü­ren wurde schon berich­tet. Aber auch das Läuten der Glocken machte Johann Konrad keine Freude. So ist verständ­lich, daß »Mesner Balluff«, so wird er offizi­ell genannt, einige Male »die Betglo­cke erst ein bis andert­halb Stunden nachdem es schon acht gewor­den« erklin­gen ließ. Da ein entspre­chen­der Vorhalt des Pfarrers nicht fruch­te­te, wurde Balluff »für seine fortge­setz­te Unregel­mä­ßig­keit eine Ordnungs­stra­fe von einem Gulden« aufgebrummt.

Fried­hof als Kuhwei­de
»Schon voriges Jahr wurde Klage darüber laut, daß Schul­leh­rer Balluff seine Kühe im Kirch­hof laufen lasse«, so steht in einem Proto­koll vom 31.August 1840. Ob dies Absicht, Fahrläs­sig­keit oder Arbeits­er­leich­te­rung für den Lehrer-Mesner war, der sich damit das Grasmä­hen erspa­ren konnte, läßt sich nicht sagen. Natür­lich trieb Balluff die Kühe nicht absicht­lich zum Fried­hof, denn dieser lag damals bei der alten, im Jahr 1898 abgeris­se­nen Kirche, also unmit­tel­bar beim Schul­haus. Pfarrer Heinz­mann und der Kirchen­con­vent waren aber der Ansicht, Johann Konrad Balluff als letzte Warnung »für den Wieder­ho­lungs­fall eine Strafe von einem Gulden anzudrohen«.

Schul­ge­hil­fe schlägt über die Strän­ge
Ab dem Jahre 1837 war die katho­li­sche Schule Oberko­chens zweiklas­sig gewor­den. Schul­leh­rer Balluff hatte von da an einen jünge­ren Kolle­gen neben sich, einen unstän­di­gen Schul­ge­hil­fen. Er hatte ein beschei­de­nes Stübchen im Schul­haus und mehr oder weniger Familienanschluß.

Einmal, es war im Septem­ber 1849, klagt Balluff gegen den damali­gen Schul­ge­hil­fen »wegen Übertre­tung der Hausord­nung«. Bei der deshalb anberaum­ten Sitzung des Kirchen­con­vents wehrte sich der Beschul­dig­te mit dem Argument, »die Angabe des Balluff sei zum Teil unwahr und zum Teil übertrie­ben«, was die anwesen­den Herren, es waren dies Pfarrer Desal­ler, Schult­heiß Wingert und die Gemein­de­rä­te Hug, Linder, Wingert und Maier, veran­laß­te, den Schul­ge­hil­fen »zu geeig­ne­tem Verhal­ten zu ermah­nen«, dem Schul­meis­ter aber »Fried­lie­be zu empfehlen«.

Vermitt­ler
In den Amtspro­to­kol­len des Schult­hei­ßen taucht Lehrer Balluff öfter als Vermitt­ler und Zeuge bei lokalen Strei­tig­kei­ten in Erschei­nung. So z.B. als Joseph Katzen­stein, das Oberko­che­ner Findel­kind (s. Heimat­buch S. 443), bei einer Hochzeits­fei­er im »Hirsch« »Heinrich Merzens Baßgei­ge zu Schaden« gebracht hatte, dies aber abstritt.

Oder als am Cäcili­en­tag des Jahres 1828 Polizei­die­ner Gold die Polizei­stun­de ansag­te und einer der Musiker ihm antwor­te­te, er habe nichts zu befeh­len und »wer ihm den Auftrag gegeben hab, sei ein Hutt wie er«. Der ebenfalls im Lokal anwesen­de Schul­leh­rer Balluff wurde später zu dem Vorfall als Zeuge gehört. Er bestä­tig­te den Sachver­halt im wesent­li­chen, ihm sei aufge­fal­len, der Musiker sei schon etwas betrun­ken von Heiden­heim gekom­men und habe »den Gold einen Wollen­bu­ben gehei­ßen«. Er, Balluff, habe die Strei­ten­den besänftigt.

Verset­zung nach Ödheim
Johann Konrad Balluff war im Jahre 1851 24 Jahre auf seiner ersten Stelle gewesen. So war es durch­aus verständ­lich, wenn er sich nun ernst­lich nach einem neuen Wirkungs­ort umschau­te (Eine frühe­re Bewer­bung in die Tettnan­ger Gegend war nicht zum Zuge gekom­men.) Inwie­weit einige unerfreu­li­che Begleit­erschei­nun­gen, über die berich­tet wurde, diese Absicht verstärk­ten, kann nur erahnt werden. Er bewarb sich um eine Stelle in Ödheim bei Neckar­sulm und wurde dorthin im Novem­ber 1851 versetzt.

Vor seinem Abgang waren die Amtsge­schäf­te abzuwi­ckeln, »Abkurung« nannte man dies damals. Zwar ergaben sich »beim Kirchen- und Schul­in­ven­tar einige unbedeu­ten­de Defek­te, über die zur Tages­ord­nung geschrit­ten und das Inven­tar als richtig anerkannt wurde. Aber bei der finan­zi­el­len Abrech­nung kam auf, daß der Lehrer 21 Gulden zu viel Gehalt bekom­men und der Schul­kas­se noch eine »bestrit­te­ne Forde­rung von 28 Gulden« zu erset­zen hatte.

Großzü­gig überließ nun Balluff der Kirche die Noten zu »Messen und auch eine Trommel und Trian­gel«. Deshalb war auch der Stiftungs­rat gnädig gestimmt und beschloß »in Berück­sich­ti­gung der großen Armut und Bedürf­tig­keit des abzie­hen­den Lehrers und mit Rücksicht auf den schlech­ten Ertrag der Wiesen in diesem Jahr sowie der gemach­ten Schen­kung dem Lehrer Balluff die genann­ten Beträ­ge zu erlassen«.

Tod in Ödheim
Über die Tätig­keit Balluffs in Ödheim liegen bis jetzt keine gesicher­ten Erkennt­nis­se vor. Sechs Jahre war er am neuen Ort im Dienst, als er am 4. Januar 1859 im Alter von 59 Jahren starb. Sein Tod wurde zwar in den Famili­en­ak­ten von Oberko­chen regis­triert, inwie­weit daran Anteil genom­men wurde, ist nicht bekannt. Frau Balluff kehrte nach dem Tode ihres Mannes mit den vier jüngs­ten Kindern wieder nach Oberko­chen zurück. Wie zuvor schon berich­tet, setzte sie sich an der Indus­trie­schu­le ein und erfreu­te sich noch viele Jahre bis zu ihrem Tode am 4. Febru­ar 1891 der großen Erfol­ge ihres jüngs­ten Sohnes, der seine Mutter oft besuch­te u. als könig­li­cher Hofopern- und Kammer­sän­ger in Stutt­gart seiner Oberko­che­ner Heimat stets verbun­den blieb.

Johann Konrad Balluff hat 24 Jahre lang die katho­li­sche Schule Oberko­chens geprägt und durch sein musika­li­sches Wirken bleiben­de Schwer­punk­te geschaf­fen. Der von ihm einst gegrün­de­te und von seinen Nachfol­gern weiter­ge­führ­te Kirchen­chor zeugt davon. Daß nun auch mensch­li­che und allzu­mensch­li­che Seiten seines Lebens und Wirkens offen­bar wurden, tut seiner Person keinen Abbruch, macht ihn nur inter­es­san­ter und auch liebens­wer­ter. Er war sicher­lich nicht der Ideal­typ, doch aber der Urtyp eines Dorfschul­meis­ters vergan­ge­ner Zeiten: Streng und fleißig, musika­lisch und gesel­lig, unter­tä­nig und aufmüp­fig zugleich. Er war Lehrer, beseelt von seinem Auftrag und Beruf, er war Musiker mit Leib und Seele, aber er war auch Mensch aus Fleisch und Blut, mit Ecken und Kanten.

Oberkochen

Zum Foto (aus der Sammlung Stelzen­mül­ler): Das beim Bericht vom 4.3.1988 schon einmal veröf­fent­li­che Bild zeigt links hinter der »Wein- und Bierwirt­schaft zur Krone von Johan­nes Elmer« das Haus von Hafner Johan­nes Schaupp, dessen Frau eine Enkelin von Johann Konrad Balluff war. Außer verschie­de­nen Mitglie­dern der Familie Elser, sie sind im Bericht von 1988 genannt, erkennt man ganz links im Bild Elisa­be­tha Amalia Balluff, eine der Tochter des Lehrers, Schwes­ter des Kammer­sän­gers und Großtan­te des späte­ren Aalener Oberbür­ger­meis­ters Otto Karl Balluff.

Volkmar Schrenk

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