Was verbin­det beide, Johann Sebas­ti­an Bach und Johann Konrad Balluff? Gewiß, sie waren Musiker und trugen beide als ersten Taufna­men den Namen Johann. Der eine in der gesam­ten musika­li­schen Welt hochge­rühmt und auch »der fünfte Evange­list« genannt, nach seinem Tode hundert Jahre lang nahezu verges­sen. Der andere ein kleiner Dorfkir­chen­mu­si­kant — »die Musik war ihm stets ein Bedürf­nis«, so lesen wir in der Famili­en­ge­schich­te der Balluffs -, durch die Gründung des katho­li­schen Kirchen­chors im Jahre 1827 mit Pfarrer Lauth zusam­men bis auf den heuti­gen Tag fortwir­kend. Sicher­lich ist die musika­li­sche Größe und Bedeu­tung der beiden Johanns nicht vergleich­bar. Und doch mußten beide mit ihren Vorge­setz­ten ähnli­che Erfah­run­gen machen.

Als Johann Sebas­ti­an Bach einst von seiner Lübecker Reise um Monate verspä­tet nach Arnstadt in Thürin­gen zurück­ge­kehrt war, misch­te er nicht nur »viel fremde Töne«, seinem Orgel­spiel bei, sondern erlaub­te sich auch, mit einer »fremden Jungfer« auf der Orgel­em­po­re zu musizie­ren, was der geist­li­chen Obrig­keit, die ihn deshalb vor den Konvent zitier­te, sehr mißfiel. Da er zudem mit einem seiner-Schüler einen Streit mit dem Degen austrug, war seine Tätig­keit in Arnstadt bald ein Ende gesetzt.

Auch Johann Konrad Balluff wurde am 18. Dezem­ber 1834 vom Kirchen­con­vent »vorge­la­den«, wo ihm »eine vom Hochlöb­li­chen Schul­in­spek­to­rats­amt einge­gan­ge­ne Rüge eröff­net wurde«. Der anwesen­de Ortsgeist­li­che bedeu­te­te Balluff, er »möchte in Zukunft den beiden ledigen Kirchen­sän­ge­rin­nen Anna G. und Vikto­ria B. nicht mehr so viel die Gelegen­heit des Aufent­halts im Schul­haus geben, was bisher zum Ärger­nis eines großen Teiles der Gemein­de geschah«. Johann Konrad war sich aber keiner Schuld bewußt. Er hatte nur pflicht­ge­mäß auch jünge­re Sänge­rin­nen und Sänger heran­ge­zo­gen, sehr zum Leidwe­sen der älteren Semes­ter. Als die beiden Mädchen wegen der Rüge nicht mehr zu den Proben erschie­nen, griff wieder­um der Kirchen­con­vent ein und befand, »die Sänge­rin­nen sollten zur Strafe vom Chor entfernt sein«. Da es aber im Inter­es­se der Kirche lag, »wenn für die Zukunft neue Kirchen­sän­ge­rin­nen abgerich­tet würden«, wurde Lehrer Balluff aufge­tra­gen, »gleich seinen Vorfah­ren, die Heran­bil­dung neuer Kirchen­sän­ge­rin­nen auf sich zu nehmen«. Dieser war dazu bereit, verlang­te dafür aber »sechs Heller jährlich und als Organist noch 4 Heller«. Dies wollte ihm der Stiftungs­rat aber nicht zugeste­hen wegen »der Zulagen, die er ohnedies von der Gemein­de bekom­me«. Schließ­lich einig­te man sich auf unent­gelt­li­che Ausbil­dung und Bailuff behielt sich das Recht vor, zu entschei­den, »wie und wann er den Unter­richt erteile«.

Musiker­strei­te­rei­en
Beim »zweiten Leichen­got­tes­dienst für die verstor­be­ne obere Mülle­rin« gab es zwischen den Kirchen­mu­si­kan­ten Kontro­ver­sen, über die am 19. Oktober 1833 verhan­delt wurde: »Zwar seien die Musiker gekom­men und Sebas­ti­an G. habe sich zur Klari­net­ten­stim­me gestellt. Aber als Lehrer Balluff von ihm verlang­te, das Violin zu spielen, habe G. sich gewei­gert, da er singen müsse und deshalb nicht geigen könne«. Hieraus ergab sich ein Wortwech­sel, der darin gipfel­te, daß die Musiker zu Balluff sagten, »er habe ihnen gar nichts zu befehlen«.

Diese Szene war wohl nur eine von vielen Reibe­rei­en, die sich zwischen den Musikan­ten abspiel­ten. Am Erschei­nungs­fest des Jahres 1837 war die Kirchen­mu­sik deshalb ganz unter­blie­ben. Lehrer Balluff wurde vorge­wor­fen, er lasse (als Mesner) an Sonn- und Feier­ta­gen den Chor zu spät in die Kirche, deshalb seien die Musiker »zum Geläch­ter der ledigen Burschen gewor­den, weil sie am Eingang warten mußten, bis es dem Lehrer aufzu­ma­chen gefäl­lig war«.

Auch über die Finan­zen entstand Streit, der vor Schult­heiß Schee­rer ausge­tra­gen wurde. Schon unter Balluffs Vorgän­ger, dem Schul­leh­rer Franz Anton Gold, hatten sich die Musiker eine »Musikan­ten­la­de« angeschafft und »von Leichen, Hochzei­ten, aber auch wenn an anderen Orten aufge­spielt worden sei, das erhal­te­ne Geld einge­legt«. Beim Ausschei­den aus dem aktiven Dienst hatte Josef F. diese Zunft­la­de »aus dem Schul­haus fortge­nom­men« und Lehrer Balluff versuch­te nun mit Hilfe des Schult­hei­ßen, die Kasse für seine Musiker wieder zurück­zu­be­kom­men. Da aber von »den acht Stiftern zwei gestor­ben« und zwei ausge­schie­den waren, die restli­chen vier sich nicht einigen konnten und Balluff als später dazuge­kom­men sowie­so nicht sagen konnte, verlief die Sache im Sande.

Kontro­ver­sen um Musik­aus­übung
Obwohl ja Balluff bei der Ausbil­dung von Nachwuchs­mu­si­kern freie Hand zugestan­den worden war, klagt er oft über die Haltung älterer Musiker, die sich gegen die Mitwir­kung jünge­rer sperr­ten. Im Jahre 1850 nahmen diese Quere­len, es ging wohl vor allem um die paar Gulden, die beim Musizie­ren abfie­len, derar­ti­ge Formen an, daß Pfarrer Desal­ler am 9. Juni 1851 beantrag­te, »die Kirchen­mu­sik sogleich aufzu­he­ben und dafür den allge­mei­nen Kirchen­ge­sang einzu­füh­ren«. Schult­heiß Wingert sprach sich gegen ein solches Vorge­hen aus und setzte »die Hoffnung auf künfti­ges fried­li­ches Verhal­ten«, — und mit 4:3 Stimmen wurde der Antrag abgelehnt.

Rüge für den Schul­leh­rer
Schon im Jahre 1839 hatte Johann Konrad Balluff die Leitung des Königs­bron­ner Gesang­ver­eins übernom­men, sicher­lich weil es ihm Freude machte, und weil er so sein Einkom­men aufbes­sern konnte. Es dauer­te nicht allzu­lan­ge, da bedeu­te­te ihm der Oberko­che­ner Pfarrer, »seine häufi­ge Abwesen­heit als Direk­tor des Königs­bron­ner Gesang­ver­eins sei Haupt­ur­sa­che der heuer ganz mittel­mä­ßig ausge­fal­le­nen Schulprüfung«.

Darum mußte Balluff im Jahr 1840 verspre­chen, »sich vom Verhält­nis in Königs­bronn loszu­ma­chen«. Er sagte zu, was gefor­dert wurde, war aber im Jahre 1842 noch immer Dirigent in Königsbronn.

Deshalb wurde er wieder­um »vorge­la­den« und der Pfarrer machte ihm »die Verwerf­lich­keit seines Handels« klar, wobei er anfüg­te, »der Schul­meis­ter führe auch die Versäum­nis­lis­te der Schule sehr nachläs­sig. Dies schade nicht nur dem Schul­be­such, sondern bringe ihm auch den Verdacht der Partei­lich­keit ein«.

Dies und noch einiges dazu, er hatte z.B. »Gegen­stän­de für Schule und Kirche ohne Geneh­mi­gung anfer­ti­gen lassen, veran­laß­te im Jahre 1842 den Kirchen­con­vent, »dem Schul­leh­rer Balluff sein Mißfal­len« auszu­spre­chen. Er mußte gegen Unter­schrift zusagen, künftig »durch Pünkt­lich­keit im Amt, in Besor­gung der Kirchen­uhr und des Läutens, durch öftere Musik­pro­ben u. Vorbe­rei­tung der Kirchen­fes­te, durch Unter­las­sung von Unter­neh­mun­gen, die einem Schul­leh­rer unwüdig sind, wie z.B. das Aufspie­len mit Musikan­ten auch auswärts, sowie durch alsbal­di­ge Nieder­le­gung der Königs­bron­ner Verbind­lich­kei­ten für die Zukunft« seinen Verpflich­tun­gen in Oberko­chen unein­ge­schränkt nachzukommen.

Kirchen­chor­grün­dung
Wenn durch das bisher gesag­te der Eindruck entstan­den sein sollte, die Musik hätte Johann Konrad Balluff nur Unange­neh­mes gebracht, wäre dies falsch. Leider sind aber in den Akten und Proto­kol­len meist nur Abwei­chun­gen von der Ordnung, Verstö­ße und Tadel verzeich­net. Der Alltag mit vielen positi­ven Elemen­ten kommt wenig zum Tragen.

Sowohl in der katho­li­schen Kirche als auch auf evange­li­scher Seite waren in den Jahren, als Balluff Lehrer in Oberko­chen war, Bestre­bun­gen »zur Verbes­se­rung der Kirchen­mu­sik und des Kirchen­ge­sangs« im Gange (vgl. BuG-Bericht Nr. 94). Dies kam einem Mann wie Balluff, der ein begab­ter Musiker war, einige Instru­men­te spiel­te und auch singen konnte, sehr gelegen. Er gründe­te schon im ersten Jahr seiner Oberko­che­ner Tätig­keit, also im Jahre 1827, mit Pfarrer Lauth zusam­men den Katho­li­schen Kirchen­chor, welchen er über die ganze Zeit hinweg »mit Erfolg leitete«.

Musik in der Schule
Auch in seiner schuli­schen Arbeit war Musik von Bedeu­tung. Natür­lich darf man nicht mit heuti­ger Schul­mu­sik verglei­chen. Aber die Kinder lernten Singen und wurden zum Musik­ma­chen angehal­ten. In einem Proto­koll vom 10. April 1835 ist »dem Lehrer Balluff die Zufrie­den­heit mit den (musika­li­schen) Prüfungs­re­sul­ta­ten und fortge­set­zem Fleiß« ausdrück­lich bescheinigt.

Der musika­li­schen Ausbil­dung der Kinder wurde so große Bedeu­tung zugemes­sen, daß sie auch während der »Vakanz« fortge­setzt wurde. Lehrer Balluff hatte z.B. im April 1835 »unter Zuzie­hung des Herrn Pfarr­ver­we­sers Schüler und Schüle­rin­nen auf Fähig­kei­ten zum Singen zu prüfen«. Die Ausge­wähl­ten sollte er »während der Vakanz metho­disch und unent­gelt­lich zu unter­rich­ten anfan­gen um damit die Kirchen­mu­sik und die Andacht der Kirchen­ge­nos­sen zu befördern«.

Musika­li­sche Wurzeln
In der Famili­en­ge­schich­te des Balluffs sind in verschie­de­nen Genera­tio­nen immer wieder musika­li­sche Talen­te erwähnt. Johann Konrads Großva­ter war nicht nur Schult­heiß, sondern er wird auch als Mann beschrie­ben »mit geisti­gen Intere­sen«, was durch seine Privat­bi­blio­thek belegt ist, in der mehre­re Gesang­bü­cher vorhan­den waren. Auch Franz Balluff, dem Vater des Lehrers, wird dies bestätigt.

Ein späte­rer Nachfol­ger
Da kein Bild des Oberko­che­ner Lehrers Johann Konrad Balluff vorliegt, eventu­ell ist eines noch in einem alten Fotoal­bum vorhan­den? zeigen wir nochmals das Bild einer Schul­klas­se. Es ist die evange­li­sche Schule im Jahre 1902 vor dem evange­li­schen Schul­haus mit Lehrer Ferdi­nand Fünfer. Dieser war im Jahr 1895 von Wasser­al­fin­gen nach Oberko­chen versetzt worden. Am 5. Juni wurde er, nachdem die Stelle vier Monate vakant gewesen war, in Oberko­chen »von der Ortsschul­be­hör­de, dem Kirchen­chor und der lieben Schul­ju­gend« freund­lichst empfan­gen. Am folgen­den Sonntag fand im »Ochsen« eine Begrü­ßungs­fei­er statt, bei der »Pfarrer Wider den Hoffnun­gen und Wünschen der evange­li­schen Gemein­de in herzli­chen Worten Ausdruck verlieh«. Der Kirchen­chor verschön­te die Feier mit Liedvor­trä­gen und »Lehrer Fünfer sprach die Hoffnung aus auf erspriß­li­ches Wirken und bat um das Wohlwol­len der Gemein­de«. (Nach einem Bericht der Aalener Kocher-Zeitung vom 11. Juni 1895).

Volkmar Schrenk

Oberkochen
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