Der zweite Bericht über den Oberkochener Lehrer Adam (BuG vom 20.12.1991) war mit einem Bild versehen, das Schülerinnen und Schüler der katholischen Schule im Jahre 1892 vor dem Oberkochener Haus »143« zeigt. Heute soll nun das Geheimnis um dieses Haus gelüftet werden.
Einstmals waren die Häuser des Dorfes ihrer Entstehung entsprechend durchnumeriert, heute ist aus dem Haus mit der Nummer 143 in der ehemaligen Kirchgasse das Haus Aalener Straße 20 geworden, und wir finden es gegenüber dem alten evangelischen Schulhaus, das gegenwärtig zu »Oberkochener Heimatstuben« umgebaut wird. Warum sich der damals erst kurze Zeit in Oberkochen angestellte Lehrer Schneider (Nachfolger des 1891 verstorbenen Lehrers Gutmann) mit den Schülerinnen und Schülern der katholischen Schule dort und nicht vor dem eigenen Schulhaus (jetziges Altes Schwesternhaus neben der Kirche) fotografieren ließ, ist nicht bekannt. Der heutige Besitzer des Hauses, Herr Willibald Hug und einige seiner Schwestern, die dort aufgewachsen sind, meinten zur Platzwahl: »Vor unserem Haus war keine Miste und deshalb genügend Platz zwischen Haus und Kandel«.
Ja, die Miste befand sich hinter dem Haus, sie ist rechts am Bildrand vor dem großelterlichen Haus der Familie Hug zu sehen. In beiden Häusern, in dem an der Aalener Straße und auch im rückwärts gelegenen Stammhaus der Familie Hug, befanden sich früher Hafnerbetriebe. Dementsprechend zeigt das zuletzt veröffentlichte Foto links ausgestellte Hafnerware.
Die Hug-Vorfahren lassen sich bis zum »Stammvater Joseph Hug« (1709 — 1787), so nennt ihn Kuno Gold im Oberkochener Heimatbuch, zurückverfolgen. Dieser ist im Jahre 1731 aus der Gegend von Donaueschingen zugewandert. Er war der erste von fünf aufeinanderfolgenden »Bürgern und Hafnern Hug zu Oberkochen«. Erst Anton Hug (1865−1913) gab im Gefolge des allgemeinen Niedergangs der Hafnerei in Oberkochen das Handwerk auf und wurde Steuereinnehmer.
Der Vater des jetzigen Eigentümers des vorderen Hauses, Anton Michael Hug (1879 ‑1963), heiratete im Jahre 1908 dort ein und übernahm auch das Geschäft, das »Spezereien und Kolonialwaren« führte. Seine Frau war die Witwe von Josef Anton Bezler, Krämer und Wagner (1869 — 1907). Spezialitäten der Warenhandlung, die nur mit besonderer Genehmigung gehandelt werden durften, waren Petroleum, Zündschnüre und Schwarzpulver, das im Keller des Hauses in Kisten verwahrt wurde. Auf die Frage, ob in Oberkochen ein großer Bedarf an Schießpulver bestanden habe, war die Antwort »ja«, zum Böllerschießen bei Hochzeiten, Beerdigungen von Kriegsveteranen, kirchlichen Feiertagen«.
Das Gewölbe im Haus »143«, in dem einst der Brennofen stand — es wurde erst beim Umbau des Hauses nach dem zweiten Weltkrieg entfernt — ist den einstigen Bewohnern noch gut im Gedächtnis. Sie benützten als Kinder die das Gewölbe zusammenhaltenden Querstangen als Turngeräte. Dies sah zwar der Vater nicht sehr gerne, denn er fürchtete, die alten Stangen würden brechen, aber sie waren offensichtlich von bester Qualität, »und«, so sagten die Betroffenen, »wir wären ja nur in die darunterstehenden Betten gefallen«.
Im Jahre 1922 wurden die Kinder der evangelischen Schule wiederum vor dem gegenüberliegenden Haus fotografiert. Das Bild, es stammt auch aus der Sammlung von Kuno Gold — ist diesem Bericht beigegeben. Im Hintergrund ist deutlich in den beiden Schaufenstern die Waschmittelwerbung der »Spezerei- und Kolonialwarenhandlung« zu sehen, deren Firmenschild der jetzige Eigentümer des Hauses noch besitzt. »Die beiden großen Fensterläden mußten die größeren Kinder bei Dunkelheit schließen«, so erinnert er sich, »und am rechten Bildrand ist neben der Haustüre der Glockenzug zu sehen, an dem manchmal böse Buben auch mutwillig zogen«.

Zum Bild: Evangelische Schule 1922 mit Lehrer Günter (aus der Sammlung von Kuno Gold, der auch die Namen nannte):
vordere Reihe (v. li.): Albert Leitz, Paul Wannenetsch, Albert Kerzinger, Ernst Renner, Karl Kolb, Walter Hauf, Karl Speth, Jakob Kirchdorfer, Hans Scheerer, Karl Kolb, Otto Tatenhorst
2. Reihe (v. li.): Paul Widmann, Karl Mayländer, Paul Kopp, Wilhelm Völker, Ludwig Hauf, Christian Grupp, Gretel Kolb
3. Reihe (v. li.): Heinrich Kolb, Anna Kolb m. Bruder Paul, Liselotte Leitz, Martha Rebmann, Liesel Kolb, Emma Beiswenger, Gretel Kopp, Helene Reber, Herta Möhle, Martha Kopp
4. Reihe (v. li.): Sohn Alfred von Lehrer Günter, Käthe Bauer, Emmy Bäuerle, Marie Lauber, Liesel Holz, Anna Schneider, Elsa Reber, Marie Kopp, Gretel Kolb, Marie Speth, Elsbeth Scheerer, Johanna Wannenetsch, Johanna Grupp
hintere Reihe (v. li.): Lehrer Günter, Klara Grupp, Frida Widmann, Karl Renner, Konrad Kolb, Gerhard Fleury, Albert Speth, Paul Thierer, Hans Kolb, Erich Fleury, Christian Kirchdörfer, Georg Wannenetsch, Karl Schneider
PS: Bei dieser Gelegenheit wollen wir Frau Ruth Gold herzlich danken für die Öffnung der umfangreichen und wertvollen heimatkundlichen Sammlung ihres verstorbenen Mannes Kuno Gold!
Volkmar Schrenk