Leben und Wirken des Oberko­che­ner Lehrers Chris­toph Jakob Adam wurden im vorher­ge­hen­den Bericht geschil­dert. Nun sollen noch einige Szenen wieder­ge­ge­ben werden, die seine Persön­lich­keit beleuch­ten, die aber auch Einbli­cke in das Oberko­che­ner Dorfle­ben gestatten.

Kontro­ver­se mit Frau Bitz
Für den Provi­sor (unstän­di­ger Lehrer) Adam war es in Oberko­chen kein einfa­cher Beginn, denn der bishe­ri­ge Lehrer wohnte noch im Schul­haus und die »Frau Schul­meis­te­rin Bitz« hatte offen­sicht­lich »Haare auf der Zunge«. Im Dezem­ber 1823 z.B. ereig­ne­te sich folgendes:

Provi­sor Adam hatte die erste Schüler­grup­pe eben entlas­sen, die zweite Abtei­lung stürm­te laut in den Schul­raum — es waren damals knapp 60 Kinder, die in die evange­li­sche Schule gingen — da platz­te Frau Bitz der Kragen und sie schrie die Kinder an: »Wenn nur der Teufel euren Provi­sor holen würde und euch mit ihm!« Das waren starke Worte und Provi­sor Adam protes­tier­te deshalb bei seinem Dienst­vor­ge­setz­ten, dem evange­li­schen Ortspfar­rer Stettner.

Dieser wollte die Sache nicht hochspie­len und bestell­te Frau Bitz zu einer Ausspra­che ins Pfarr­amt. Wer aber trotz dreima­li­ger Auffor­de­rung nicht kam, war Frau Bitz. Damit »hatte sie sich aller Schonung unwür­dig gemacht« und wurde vor den Kirchen­con­vent geladen. Sie aber ließ sich von den hohen Herren — Pfarrer, Bürger­meis­ter und fünf Gemein­de­rä­ten — keines­wegs einschüch­tern. Als Grund für ihr Nicht­er­schei­nen beim Pfarrer sagte sie, beim ersten Mal habe sie Zahnweh gehabt und »bei den späte­ren Citatio­nen habe sie nicht gemocht«. Zur Sache gab sie an, sie habe keine Schimpf­wor­te, aber gesagt, was der Provi­sor vorge­bracht habe. Deshalb machte der Convent kurzen Prozeß: »Da sie somit ihres Schimp­fens und Ungehor­sams gestän­dig war, wurde beschlos­sen, sie zwei Stunden in den Turm zu sperren. Sie wurde sogleich abgeführt«.

Schul­ver­säum­nis­se
Nahezu ein Drittel der Proto­koll­ein­trä­ge des Kirchen­con­vents beschäf­tigt sich mit Vorfäl­len der Schule: Bestra­fung von Schülern und Eltern, weil der Unter­richt der Sommer‑, Winter- oder Sonntags­schu­le versäumt worden war, aber auch Streit zwischen Lehrer und Eltern — und ebenso umfang­reich wie die Zahl der Versäum­nis­se ist auch die Palet­te der Entschul­di­gun­gen. Hier einige Kostproben:

Johann Georg hatte zwei Sonntags-Kinder­leh­ren versäumt. Der Vater wird zitiert und erklärt, sein Sohn sei drei Wochen lang krank gewesen. Doch konnte ihm nachge­wie­sen werden er sei am Sonntag zur Gottes­dienst­zeit mit seinem Sohn zusam­men im Schlit­ten zum Dorf hinaus­ge­fah­ren; Vier Kreuzer Strafe.

Johan­nes versäumt die Kinder­leh­re und entschul­digt sich, »er habe gerade aus der Nase bluten müssen«.
Joachim versäumt die Schule, weil »er seinem Vater hat beim Kuhhü­ten helfen müssen«.

»Marga­re­te P. wegen ihres Knaben Johann Jakob Versäum­nis der Sonntags­schu­le und Catechi­sa­ti­on eine Stunde in den Turm gespro­chen«.
»Dem Hirsch­wirt aufge­ge­ben, seinen Lehrling Fried­rich fleißi­ger und seine Kinds­magd Sophia von nun an zu schicken«.

Schulär­ger
Schul­meis­ter Adam scheint ein gestren­ger Lehrer gewesen zu sein, der ab und zu auch über das Ziel hinaus­ge­schos­sen ist, wie eine Verhand­lung vor dem Kirchen­con­vent am 10. April 1831 zeigt:

Schul­leh­rer Adam hatte den jungen Wieden­hö­fer »nebst mehre­ren wegen nachläs­si­gen Abschrei­bens des Diktier­ten« nachsit­zen lassen. Da die Jungen aber dem Lehrer davon­ge­lau­fen waren, bestraft er am folgen­den Tag »jeden mit zwei Datzen«, worauf sich Wieden­hö­fer jun. wieder aus dem Staube machte und drei Tage lang nicht mehr in der Schule gesehen ward.

Hierauf wurde Vater Wieden­hö­fer »vorge­for­dert«. Dieser gab zu Proto­koll, der Schul­meis­ter habe ihm durch den Schüler Wohlhü­ter sagen lassen, »er werde dem jungen Wieden­hö­fer die Hosen spannen«. Und nun habe er den Sohn zu Hause belas­sen, weil der Lehrer ihm schon öfters unver­dien­te Schlä­ge und im Febru­ar zwei Datzen gegeben habe, wegen einer Schrift, die schon ausge­stri­chen gewesen sei«, was der Vater mit seinem Namen bestä­tigt hatte.

Am Ende der Verhand­lung versprach Vater Wieden­hö­fer, seinen Sohn wieder zur Schule zu schicken und ihn auch »der Strafe von zwei Datzen zu unter­wer­fen«, — eine Strafe die auch der Knabe Wohlhü­ter für sein Verhal­ten bekam. Aber auch dem Schul­meis­ter wurde »gemäßig­tes Betra­gen gegen seine Schüler, nament­lich Vermei­dung von Strafen im Zorn ernst­lich anemp­foh­len, auch ihm aufge­ge­ben, auf Bestra­fung durch Zurück­be­hal­ten im Sommer zu verzich­ten, — im übrigen aber recht tun und niemand scheuen«.

Aus dem Jahre 1840 ist eine ähnli­che Geschich­te berich­tet. Am 18. Januar klagte Schul­meis­ter Adam vor dem Kirchen­con­vent, »Susan­ne Widmann streue ehren­rüh­ri­ge Reden gegen ihn aus, weil er ihren Enkel und die Kinder übermä­ßig schla­ge«. Da die Beklag­te sich zunächst wegen einer Erkran­kung entschul­di­gen ließ, konnte erst am 2. Febru­ar darüber verhan­delt werden. Dabei »leugne­te sie, den Schul­meis­ter im Ort herum beschimpft zu haben. Sie habe nur gesagt: »Der Schul­meis­ter habe ein schönes Datzen­stück­lein an ihrem Enkel gemacht«. Da sie außer­dem von zwei »Stoffeln« sprach, »als deren erster der Schul­meis­ter gemeint war«, machte der Convent kurzen Prozeß: »Da schon diese Reden höchst unanstän­dig sind, wird ihr angekün­digt, daß wenn es noch etwas dieser Art zur Klage käme, sie Einsper­rung zu erwar­ten habe«.

15 Gulden zuviel Gehalt
Bei der Nachprü­fung der Jahres­rech­nung 1827 war dem Verwal­tungs­ak­tu­ar aufge­fal­len, daß Schul­leh­rer Adam von der Stiftungs­pfle­ge 15 Gulden zuviel ausbe­zahlt worden waren. Stiftungs­rat und Bürger­kol­le­gi­um befaß­ten sich am 13. Januar 1828 mit dieser Unregel­mä­ßig­keit, wozu auch Adam vorge­la­den wurde. Dieser erklär­te, sein Vorgän­ger Bitz habe die 15 zusätz­li­chen Gulden auch schon bekommen.

Und tatsäch­lich, im Jahr 1826 war »ein Zuviel­emp­fang des Bitz« verhan­delt worden. Der damali­ge Beschluß, »den obwal­ten­den Irrtum dem Bitz aufzu­rech­nen« blieb aber wirkungs­los, da »Bitz« ganz vermö­gens­los ist und kürzlich auf einen Teil der Lehrer­be­sol­dung zum Vorteil des künfti­gen Schul­leh­rers (Adam) verzich­tet hat«. Bei der Amtsüber­nah­me durch Adam war offen­bar verges­sen worden, die Zulage wieder zu streichen.

Da die Lehrer­be­sol­dung nur zum Teil aus Geld bestand, war Adam daran inter­es­siert, die zusätz­li­chen 15 Gulden behal­ten zu dürfen. Deshalb und »damit er nicht in die gleiche Verle­gen­heit wie Bitz komme, machte er das Ersuchen«, den Zusatz­be­trag zu legalisieren.

Diese Bitte berei­te­te den Verant­wort­li­chen einiges Kopfzer­bre­chen, denn sie konnte sich nicht einfach über die württem­ber­gi­sche Schul­leh­rer-Beson­dungs­ord­nung hinweg­set­zen. Doch fand Pfarrer Hornber­ger einen guten Ausweg aus der Situa­ti­on: Die 15 zusätz­li­chen Gulden »sollen dem Schul­meis­ter zum Schmie­ren der Glocken und zur Anschaf­fung von Kreide« überlas­sen bleiben, Tätig­kei­ten, die ohnedies zum Aufga­ben­be­reich des Lehrers gehörten.

Keller und Schwei­ne­stall
Im Jahre 1831 wurde nach langem Hin und Her das evange­li­sche Schul­haus baulich erwei­tert. Da weder »die Heili­gen« (Kirchen­kas­se), noch die »Bürger­li­chen« (Gemein­de­kas­se) genügend Geld hatten, war dies eine nur auf das Notwen­digs­te beschränk­te Maßnah­me. (Wir erinnern uns, daß in jenem Jahr die besten Schüle­rin­nen und Schüler keine Geldprei­se erhiel­ten, da die Finan­zen erschöpft waren.) Der Hirsch­wirt Fuchs dagegen war nicht so knapp bei Kasse. Er benütz­te die Gelegen­heit des Schul­haus­um­baus, um dort einen Keller auszu­bau­en. Als Lehrer Adam dies erfuhr, wollte er ebenfalls »einen Keller von etwa 10 m lang und 8 m breit einrich­ten, um den schon bestehen­den Keller wieder einge­hen zu lassen, weil dieser doch nichts tauge«. Während aber der Hirsch­wirt seinen Keller baute, wurde der Antrag von Adam »einstim­mig verwor­fen, weil die Stiftungs­pfle­ge kein Vermö­gen hat«.

Darauf­hin stell­te Adam im Sommer 1831 »seinen Schwei­ne­stall ins Schul­haus«. Darüber kam es zum Streit zwischen Lehrer und Wirt, der befürch­te­te, dadurch »Feuch­tig­keit in seinen unter der Wohnung befind­li­chen Keller zu bekom­men«. Hierauf wurden beide »schult­hei­ßen­amt­lich vorgefordert«.

Adam vertei­dig­te sich mit dem Argument, der Schwei­ne­stall sei vor dem Haus gegen die Straße zu gestan­den und das könig­li­che Oberamt habe verlangt, den Stall an anderer Stelle unter­zu­brin­gen, und dies sei nun gesche­hen. Außer­dem »wolle er keine Schwei­ne in dem Stall halten, sondern nur Enten und Gänse«. Der Hirsch­wirt bezwei­fel­te die Absicht Adams, nur Feder­vieh im Schwei­ne­stall unter­zu­brin­gen, nach und nach würden dort auch Schwei­ne Einzug halten und »er habe einen großen Schaden zu befürch­ten«. Wenn seiner Klage nicht statt­ge­ge­ben werde, müsse er sich höheren Orts beschweren.

Auch in diesem Streit­fall fanden Pfarrer, Bürger­meis­ter und Gemein­de­rä­te ein salomo­ni­sches Urteil: »Die Einstel­lung des Schwei­ne­stalls ob des Hirsch­wirts Bierkel­ler kann nicht gestat­tet werden. Wenn aber keine Schwei­ne in den Stall einge­stellt werden, so kann er vorder­hand im Schul­haus bleiben; so aber solches gesche­he, muß der Stall sogleich heraus­ge­tra­gen werden«.

Öffent­li­che Aufga­ben
Im Jahre 1832 war der amtie­ren­de Stiftungs­pfle­ger Jeremi­as Honold überra­schend gestor­ben. Deshalb suchte der Stiftungs­rat einen Nachfol­ger, der »mit der gehöri­gen Tüchtig­keit und Pünkt­lich­keit Treue und Gewis­sen­haf­tig­keit verbin­de und auch das zur Kauti­ons­leis­tung erfor­der­li­che Vermö­gen besit­ze«. Als solcher schien dem fünfköp­fi­gen Wahlgre­mi­um Schul­meis­ter Adam geeig­net. Der Lehrer wurde einstim­mig gewählt, aber die vorge­setz­te Behör­de gab keine Zustim­mung zur Amtsübernahme.

Schul­meis­ter hatten in jener Zeit neben Organis­ten­pflich­ten auch Mesner­diens­te zu verse­hen (die Trennung von Lehramt und sogenann­tem niede­ren Kirchen­dienst erfolg­te erst nach Jahrhun­dert­wen­de). So ist von einem Vorgän­ger von Adam berich­tet, er habe den Kirchen-Convent gebeten, »sein Wasch­ge­halt für Chorhem­den und andere Kirchen­lein­wand zu erhöhen, da der Preis der Seife sehr gestie­gen sei«. Der Beschluß des Convents laute­te, so lange 30 Kreuzer zuzule­gen, »bis die Preise wieder gefal­len sind«. Aber auch sonsti­ge Aufga­ben wurden dem Schul­meis­ter übertragen.

Im Jahre 1830 sollen zur 300-Jahrfei­er der Überga­be der Augsbur­ger Confes­si­on »am Hoftor der Kirche und am Altar Triumph­bo­gen mit passen­den Inschrif­ten errich­tet werden. Die Verfer­ti­gung der Inschrif­ten wurde dem Schul­meis­ter Adam übergeben.

Schlie­ßen wir die Erzäh­lun­gen über Schul­meis­ter Adam mit einer aus dem Jahre 1840 berich­te­ten Episo­de ab. Dem Pfarr­amt war vom Consis­to­ri­um der Entwurf einer revidier­ten Litur­gie übersandt worden, aller­dings in Form von losen Blättern als ungebun­de­nes Exemplar. Damit dieses der Gemein­de vorge­stellt werden konnte, sollte es »auf Kosten der Heili­gen­kas­se einen passen­den wohlfei­len Einband erhal­ten«, so laute­te der Beschluß des Kirchen­con­vents. Nachträg­lich wurde in der freien Spalte neben dem Beschluß vemerkt: »Dassel­be wurde aber sodann von Schul­meis­ter Adam unent­gelt­lich gebunden«.

Volkmar Schrenk

Oberkochen

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